Diskriminierung – Ein Erfahrungsbericht in chronologischer Reihenfolge

PoC werden in Deutschland nach wie vor tagtäglich diskriminiert. Nadiah Riebensahm hat für uns aufgeschrieben, wie.

Es fällt mir schwer einen Artikel zu schreiben, der in erster Linie für PoC geschrieben ist, weil alle Medien die ich konsumiere aus einer Gesellschaft hervorgehen, die sich an Weiße richtet und deren Perspektive als Standardperspektive vermittelt. Ich lade ein zu einem kritischen Umgang mit dem Gefühl, das aufkommt, wenn es nicht um die Standardperspektive geht und eines sich ausgeschlossen fühlt.

Die folgende Aufzählung fokussiert den Teil meiner persönlichen Erfahrung, die sich auf mein of-Color-sein bezieht. Als neurodiverse Woman of Color erfahre ich täglich intersektionale Diskriminierung auf einer viel abstrakteren und strukturellen Ebene, deren Erlebnis sich nicht in einer schmackhaften Liste zusammenfassen lässt.

Dennoch glaube ich, dass das Aussprechen und Benennen von Diskriminierung einen erheblichen Teil zur Diskussion dieser beiträgt. Oft erlebe ich mich selbst dabei, wie ich meine eigenen Erfahrungen mit Theorien Anderer abdecke, um meine Äußerungen vermeintlich zu legitimieren. Was dabei aber vor allem passiert ist, dass ich die Wichtigkeit meiner eigenen Erfahrungen herabsetze.

Die Bloggerin Schwarzrund weist in ihrem Blogeintrag zu deutschsprachiger Schwarzer Webkunst auf den Blog too dark to be seen hin, der seit Juni diesen Jahres darauf wartet mit Erfahrungen struktureller Diskriminierung in deutschen Ämtern bestückt zu werden. Auf die Gefahr hin, dass dieser Artikel für Weiße nur informativ und für People of Color informativ und empowernd ist, möchte ich mich dafür stark machen, dass PoC auch im deutschsprachigen Raum ihre Erfahrungen nutzen können, um sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam sichtbar zu werden. Im Diskurs um Diskriminierung wird allzu oft die Täter*innen Perspektive eingenommen. Ein passendes Beispiel hierfür ist die in Deutschland geführte Debatte um rassistische Sprache in Kinderbüchern, bei der Argumente wie die Unlust zur Umstellung in ihrer Gewichtung gleichgestellt wurden mit dem Gefühl, dass rassistische Sprache bei schwarzen Kindern ausgelöst hat.

Um die Diskussion um Diskriminierung ausgehend von ihren Betroffenen zu gestalten, scheint es mir ein guter erster Schritt, meine Erfahrungen zu teilen, um nicht eine Diskussion zu gestalten, die über mich, sondern mit mir geführt wird.

 

Meine ersten Einlagen. Knick-Senkfuß. Kann man ja mal haben, aber der Arzt wollte meinem Vater ausreden, dass ich die Einlagen bräuchte, da ja in Afrika die Läufer damit kilometerweit Wasser tragen könnten.

Meine „beste“ Freundin aus der Grundschule: „Mit den Zöpfchen siehst du so afrikanisch aus, das steht dir nicht.“

„Wow, deine Haare sind voll lockig!“
„Entschuldige, aber ich kenne dich nicht und finde es unangenehm, dass du mir einfach in die Haare fasst. Könntest du damit bitte aufhören?“
„Hä, war doch nett gemeint.“

Meine ehemalige Gynäkologin bei laufender Untersuchung: „Sie sind sicherlich in Deutschland geboren oder? Sie sprechen wirklich gut Deutsch!“

Seit frühester Kindheit leide ich unter Neurodermitis, die mein Gesicht, meine Arme und je nach Stimmung irgendwelche anderen Hautstellen betrifft. Diese werden dann schorfig, tun weh, bluten oder lassen sich kaum bewegen. Aber meine Hautärztin konnte mich vertrösten: „Sie können froh sein, dass man bei Ihrer dunklen Haut ihre Neurodermitis kaum sieht.“

Nach dem obligatorischen Aufnahmegespräch nach einer Panikattacke in der Psychiatrie, während meiner körperlichen Untersuchung fragt der Arzt: „Woher kommen Sie eigentlich?“
Ich (in den Nachwehen meiner Panikattacke): „Wieso?“
Arzt: „Naja, weil sie so einen…Touch haben.“

Ich hätte gerne in Ruhe meine Stationäre Psychotherapie gemacht, aber dann hat mich nach einer Woche ein Mitpatient gefragt, von welchem Stamm ich käme.

Registrierung zur Knochenmarkspende: Meine Personalien werden abgefragt, sowie Vorerkrankungen, Herkunft. Naja: Abstammung. Während meine weiße Freundin, die neben mir sitzt nicht mal danach gefragt wird, wird bei mir nachgehakt, denn „deutsch.“ kann ja nicht die richtige Antwort sein. Also erkläre ich:
„Mein Vater kommt aus Deutschland, meine Mutter aus Südafrika.“
„Südafrika? Wo genau dort?“
„Kapstadt.“
„Nee also, welches Land?“
„Südafrika.“
„Ähm okay, welche Region vielleicht?“
„Also das Land heißt Südafrika. Die Region… Naja Südafrika.“
Verwirrt durchforstet der Mensch den Katalog, indem die entsprechenden Kürzel zu den Ländernamen sind
„Südafrika finde ich nicht, kann ich vielleicht einfach Afrika reinschreiben?“
„Afrika ist ziemlich groß, ich glaube das hilft niemandem weiter.“
„Ich hab hier jetzt Zimbabwe gefunden, soll ich das vielleicht reinschreiben? Südafrika finde ich nicht.“
„Nein. Das ist woanders. Schreib doch einfach Nicht-Europa.“
„Wie?“
„Ja oder Deutschland, ich komme ja auch aus Deutschland.“

Zeitlos:
Wenn „Aus Göttingen“ nicht die gewünschte Antwort ist.
„Kennst du vielleicht [Person mit mehr Melanin als Sprecher*in]“
Make-Up kaufen.
Wenn meine weiße Begleitung nach dem Weg gefragt wird. Oder ihr auf meine Fragen geantwortet wird.
Running Gag since 1992: „Du brauchst ja keine Sonnencreme!“ Running Gag since 2000: Meine Sonnenallergie
„…und woher kommst du eigentlich?“

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