Überwachung verändert – wie ich heute ein kleines bisschen gestorben bin

Unser Autor betreibt ein harmloses Projekt zum NSA-Untersuchungsausschuss. Dass die NSA nun bei ihm an die digitale Tür klopfte, gibt ihm zu denken.

Eigentlich habe ich Null Zeit für diesen Text, denn ich stecke mitten in der Abschlussarbeit. Doch vermutlich ist genau das der Grund, warum der Text nun dran ist. Ich arbeite am Thema Überwachung.
Eigentlich ist es ein harmloses Projekt. Ich erstelle ein öffentliches Archiv zu den Sitzungstagen des NSA- Untersuchungsausschusses (https://inquirywatch.berlin). Links sammeln, nach Sitzungtagen, Medien und Autoren durchsuchbar machen. Ein Service für alle Interessierten und die Journalisten, die erst spät ins Thema einsteigen und sich nicht die Finger wund googeln wollen.

Geheimnisse verrate ich dadurch nicht. Nicht einmal dem BND, der sicherlich einen Pressedienst beauftragt hat regelmäßig Clippings mit den Berichten der Journalisten zu erstellen. Das nennt der Dienst dann OSINT – Open Source Intelligence. Vielleicht entsteht das Clipping auch hausintern – wer weiß das schon so genau bei einem Geheimdienst. Derzeit arbeitet eine Übermacht aus mindestens hundert BND-Beamten täglich gegen eine handvoll Parlamentarier an. Dokumente werden geschwärzt und Sachverhalte –sagen wir mal – ziemlich frei und theoretisch interpretiert.

Theorien über Theorien

„Weltraumtheorie“ – nationale Datenschutzgesetze würden nicht gelten, weil die Daten ja über eine Satellitenverbindung abgegriffen würden. „Funktionsträgertheorie“ – jeder, der irgendeine Funktion in einem Bereich hat, den der BND überwacht (Afghanistan, europäisches Ausland) verliert ein bisschen seine Grundrechte, wenn es um Kommunikation geht, die der BND gerne abfischen möchte.
Schon seit Monaten steht bei jeder Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses die unausgesprochene Frage im Raum, was für ein Kraut die Beamten in Pullach, Bad Aibling und all den anderen Dienststellen eigentlich rauchen, bevor sie zu den Aussagen im Parlament antreten.
Mir persönlich geht es aber allmählich ein wenig zu weit. Da ich regelmäßig im „Maschinenraum“ meiner Seite unterwegs bin begegnen mir immer wieder auch die Schattenseiten des Netzes. Spamseiten, die Links verschleudern wollen. Brute Force Attacken auf das Login meiner Seite – also schlichtes durchprobieren von Login – Passwort- Kombinationen. Einmal erkannt ist die Gefahr schnell gebannt – die entsprechende IP wird aus dem Blog ausgesperrt oder ins Leere geleitet.

Besuch aus Übersee

Es überrascht mich nicht, das sich die „NSA“ für den „NSA -Untersuchungsausschuss“ interessiert. Geschenkt – ihr macht ja nur eure Arbeit. Doch ihr seid ein Geheimdienst und dann tut das gefälligst auch geheim, dezent und unauffällig. Alles andere ist Psychoterror.
Niemand muss im Netz erkennbar sein – eure Firmen und Zulieferer wollen es aber wohl. Ein digitales Anklopfen – und Scheiße, ja – es wirkt. Kürzlich fand ich eine IP, die dem Unternehmen „Cyveillance“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Cyveillance) gehört unter den Besuchern meines Blogs. Eine Kombination aus „Cyber“ und „Surveillance“, die schon sagt, was dahinter steckt. Ein Vertragsunternehmen („Contractor“), das für die NSA die PRISM-Datenbank befüllt. PRISM enthält all das, was die NSA gerade so als mögliche Bedrohung ansieht.

Aus Wikipedia zu Prism:

„PRISM soll eine umfassende Überwachung von Personen innerhalb und außerhalb der USA ermöglichen, die digital kommunizieren. Dabei sei es der NSA und dem FBI laut der Washington Post möglich, auf live geführte Kommunikation und gespeicherte Informationen bei den beteiligten Internetkonzernen zuzugreifen, wobei aus den Folien selbst lediglich hervorgeht, dass es Echtzeitbenachrichtigungen zu gewissen Ereignissen gibt, z. B. wenn sich ein Benutzer anmeldet oder eine E-Mail verschickt.
Laut einer zuerst von der US-amerikanischen Washington Post und dem britischen Guardian im Juni 2013 veröffentlichten Präsentation sind an dem Programm neun der größten Internetkonzerne und Dienste der USA beteiligt: Microsoft (u. a. mit Skype), Google (u. a. mit YouTube), Facebook, Yahoo, Apple, AOL und Paltalk.“

Total beruhigend, dass nicht nur Facebook und Google Daten für das Programm liefern, sondern nun auch mein privater Seitenbereich endlich mal komplett archiviert wird. Überwachung hat ja auch ihr Gutes: du fühlst dich nie allein und endlich macht jemand die Backups, die du so wie so ständig vergisst. Mehr Ironie bringe ich da gerade nicht zu Stande.

Ein kleines bisschen sterben

Nein, Todessehnsucht habe ich gewiss nicht. Aber nach einem kleinen Einblick in die tolle Welt der Facebook-Suchoptionen und der Gewissheit, wo all das landet, habe ich mich nun entschlossen, mehr als 1.100 Kontakte bei Facebook – darunter auch meine Familie – auf Eis zu legen. Meine Profile abgemeldet – verschwunden. Und kein Bedürfnis nach Kontakt. Jedenfalls nicht mehr digital. Was bleibt ist ein Account zur Verwaltung meiner Seiten, der keine Likes absetzen oder öffentlich in Facebook kommunizieren wird.

Ein bisschen Stasi sein? Facebook hilft gern!

Schon mit wenigen Anpassungen am Profil können sich Facebooknutzer derzeit Zugang zu einer erweiterten Suchfunktion schaffen, die jedes Like, jeden Kommentar, jeden Inhalt anzeigt. Stalker und Stasi-Rentner sind verzückt: nichts bleibt mehr unauffindbar.

Es braucht lediglich die Facebook-ID, die zum betreffenden Account gehört und ab geht’s! Wer mit wem, wo und über was? Facebook liefert die Antworten, die unser digitaler Leichtsinn ermöglicht. Ein Leichtsinn, den auch ich arglos über Jahre zugelassen habe – es war ja so einfach, so unterhaltsam…

Offiziell ist diese Suche in Deutschland nicht verfügbar – Datenschützer kritisieren zu Recht, was mit dieser Suchfunktion möglich ist. Der Zugang jedoch ist leichter zu bauen, als man an Gras in Berlin kommt. Doch das Kilo Gras im Rucksack hat mehr Konsequenzen, als das stalken und sammeln von Daten anderer Personen. Und was macht jetzt gleichgültiger? Zu viel kiffen oder zu viel Facebook? Mir ist grad weder nach dem einen, noch nach dem anderen…

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