PS: Politisch schreiben: Ein Heft zur Frage, wie Literatur gemacht wird
PS: Politisch Schreiben versteht sich als Postskriptum zum Literaturbetrieb. Lena Vöcklinghaus fragte die Herausgeberinnen dazu aus, wie eine Zeitschrift einen Betrieb gerechter machen kann.
Wer der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur einen Mangel an Haltung unterstellt, dem wird in PS: Politisch Schreiben gleichzeitig Recht gegeben und explizit widersprochen. Auf 152 Recycling-Seiten werden die Bedingungen, unter denen Literatur im deutschsprachigen Raum entsteht, mal provokativ, mal autobiografisch, mal literatursoziologisch fundiert auseinandergenommen. Im zweiten Teil wird dann auch gleich eine Alternative zu dem vorgeschlagen, was die vorangestellten Essays bemängeln: Hier versuchen sich die Herausgeberinnen an einer Textauswahl unter faireren Bedingungen. Katherin Bryla, Olivia Golde und Rhea Fenzl beantworten Fragen zur ersten Ausgabe mit dem Thema „Konkurrenz und Kanon“.
Vor zwei Jahren wollte Florian Kessler mit seinem ZEIT-Artikel Lasst mich durch, ich bin Arztsohn eine Diskussion über die Ungleichheiten im Literaturbetrieb provozieren. Ich habe das Gefühl, das PS fast als eine direkte Antwort auf die Debatte, die in den Feuilletons geführt wurde, verstanden werden kann. Wollt ihr an die damals aufgeworfenen Fragen anknüpfen?
Kaska: Ich glaube, das wäre zu kurz gegriffen, unser Projekt als die Antwort auf eine dann letztlich doch sehr an der Oberfläche geführte Debatte zu verstehen. Aber natürlich spielt diese Debatte mit rein. Ich fand es damals auch sehr wichtig, dass diese elitären Männernetzwerke mal dezidiert als solche bezeichnet wurden. PS gründet trotzdem in erster Linie auf dem Wunsch nach einer anderen Art des Miteinanders, nach genaueren Analysen, nach grundsätzlichen Veränderungen in der Literatur und im Literaturbetrieb. Die Tatsache, dass es auf Facebook noch keine Seite gab, die Politisch Schreiben hieß, sagt eigentlich alles darüber aus, also über diese Leerstelle.
In eurer ersten Ausgabe kreisen die Essays des ersten Teils um das Thema „Konkurrenz und Kanon“. Hattet ihr im Zuge der Recherche das Gefühl, dass über diese Fragen nicht genug und nicht offen genug gesprochen wird?
Rhea: Natürlich wollen wir, dass darüber mehr gesprochen wird. Vor allem auch genauer und gründlicher, damit sich aus den Gesprächen darüber auch Handlungskonzepte entwicklen können. Deshalb wollten wir ja unter anderem ein Postskriptum.
Wie seid ihr bei der Zusammenstellung des ersten, kommentierenden Heftteils vorgegangen? Was war euch wichtig?
Kaska: Bei den Essays haben wir gezielt nach Leuten gesucht, die zu dem Thema unserer ersten Ausgabe „Konkurrenz und Kanon“ bereits gearbeitet haben oder arbeiten. Was die Interviews angeht wollten wir unterschiedliche Meinungen von Menschen, die sich bereits sehr lange im Literaturbetrieb bewegen, aber diesen wahrscheinlich doch unterschiedlich reflektieren.
Im zweiten Heftteil präsentiert ihr Lyrik, Prosa und Drama. Hier findet die Leserin zwar kein übergeordnetes Thema, aber durchaus ungewöhnlich geschrieben AutorInnenviten. Beim Lesen bekam ich den Eindruck, dass außerliterarische Kriterien bei eurer AutorInnenauswahl eine Rolle spielen, es aber andere Kriterien sind als im Literaturbetrieb üblich. Wie wählt ihr aus?
Kaska: Wir haben für die letzte Ausgabe sowohl verschieden Methoden als auch Kriterien für die Auswahl angewandt. Zum Beispiel haben wir für die Lyrik in Literaturforen gesucht, also zuerst Text gefunden und danach die dazugehörigen AutorInnen. Die haben wir dann quasi mit unserem Selbstverständnis konfrontiert und gefragt, ob sie sich damit identifizieren können, also da mitgehen. Für den Dramabereich wollten wir unbedingt ein Theaterkollektiv, das nicht von Texten aus arbeitet, sondern wo die Texte eher nebenher und kollektiv entstehen. Wir haben dann Theater Kormoran gebeten, aus ihrer Lecture Performance einen Theatertext zu verfassen. Ein Experiment also. Der Prosa-Bereich war dann konzentriert auf AutorInnen, die in irgendeiner Form, meist schon länger, politisch (nicht im Sinne von parteipolitisch) aktiv sind, auch möglich war literarischpolitisch aktiv.
Insgesamt war es uns auch wichtig, etablierte AutorInnen neben jene zu stellen, die am Beginn ihres literarischen Schaffens sind. Unsere Methode war also auch für uns mehr ein Austesten anderer Wege, aber trotzdem nicht willkürlich. Wir werden aber, was die Methoden der Auswahl angeht, in Zukunft noch weiter experimentieren.
Inwieweit kommt euch beim Finden der AutorInnen und beim Machen des Heftes euer Status als Schreibschülerinnen zugute?
Olivia: Auf jeden Fall kommt uns beim Finden etablierter AutorInnen unser Status als Schreibschülerinnen zugute. Schließlich sind die Verbindungen, die man in Schreibschulen allein schon über DozentInnen zur Verfügung gestellt bekommt, sehr vielschichtig. Weniger hilfreich ist dieser Status für das Finden unserer anderen AutorInnen. Da arbeiten wir in unseren politischen Netzwerken viel mit Mundpropaganda, wurschteln uns von einer Information zur nächsten.
Ihr nennt euch „ein begeistertes Kollektiv“. Wie organisiert ihr eure Arbeit als Herausgeberinnen?
Kaska: Mal chaotisch, dann passieren uns auch Fehler. Dann wieder sehr strukturiert und genau. Wir haben eine recht gute Arbeitsteilung drauf, die meist darauf abgestimmt wird, wer gerade die meisten Zeitressourcen hat. Die beste Eigenschaft unseres Kollektivs ist wohl, dass wir einander Fehler nicht nachtragen, sondern sie einfach ins Protokoll schreiben und versuchen es das nächste Mal besser im Auge zu haben. Und das wichtigste ist vielleicht, dass wir einander alle drei sehr mögen und in unserer Unterschiedlichkeit schätzen.
Die erste Ausgabe von PS habt ihr über Crowdfunding finanziert. Die Druckversion von PS verkauft ihr für 10 Euro, eine digitale Version werdet ihr zum kostenlosen Download auf der Homepage anbieten. Steht hinter diesen Entscheidungen eine Haltung zum Umgang mit Wissen?
Kaska: Klar. Und natürlich gibt es darin auch einen Widerspruch. Einerseits finden wir, dass Wissen jeder und jedem kostenlos zugänglich sein sollte. Andererseits finden wir auch, dass Menschen für ihre Arbeit bezahlt werden sollten. Die kostenpflichtige Druckversion versus die kostenfreie Onlineversion soll diesen Widerspruch langfristig verkleinern. Sprich, wir hätten gerne, dass alle an dem Projekt Mitarbeitenden für ihre Arbeit bezahlt werden und trotzdem alle, deren finanzielle Ressourcen knapp sind, die Texte trotzdem lesen können.
Welche Pläne habt ihr mit PS? Wie viele Ausgaben soll es pro Jahr geben und wie werdet ihr das Heft vertreiben?
Kaska: PS soll einmal im Jahr erscheinen und ein Thema eindringlich behandeln. Das Thema unserer nächsten Ausgabe wird lauten: „Genie wider Kollektiv“. Wie sich unser Vertrieb in der Zukunft gestaltet, wird wahrscheinlich unterschiedlich sein. Momentan basteln wir noch an unserer Homepage. Bis diese fertig ist, nutzen wir Facebook und nehmen Bestellungen per E-Mail entgegen.
Bildquellen
- Politisch Schreiben: Lena Vöcklinghaus
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