Sicher durch die Feiertage: Geständnisse ablegen

Weihnachten rückt näher. Aber wie komme ich sicher durch die Feiertage? Martin Spieß erklärt es in unserer Miniserie. Heute: Geständnisse ablegen.

Wenn man noch zuhause lebt, hat die Familie einen ziemlich guten Einblick in das, was man so tut. Das ändert sich, wenn man von zuhause aus- und in die große Stadt zieht. Gewohnheiten ändern oder manifestieren sich, endlich muss man nicht mehr heimlich a) rauchen, b) schwul sein oder c) Volksmusik hören. Man kann endlich offen und unbeklommen d) bis 14 Uhr ausschlafen, e) nackt bei offener Klotür kacken und f) so viele Tiefkühlpizzas essen wie man Platz im Gefrierfach hat.

Nur – wie reagiert die Familie drauf, wenn man ihnen nach Jahren mit der Wahrheit kommt?

1) Mit Achselzucken
„Ach, DU hast damals den Hutschenreuther-Porzellanerpel runterfallen lassen? Kind, mach dich doch nicht fertig wegen dem ollen Ding!“ Der Vorteil: hier wird echtes Verzeihen vollzogen. Wer mariniert in weihnachtlicher Wohlfühle den Drang verspürt, möge der ukrainischen Putzfrau, die damals wegen des Erpels vom Vater entlassen wurde, ein anonymes Geschenk auf die Fußmatte legen.

2) Mit vor Schreck geweiteten Augen
„Helmut Lotti und André Rieu?“ Pause, tiefes Ein-, dann Ausatmen. Hektisches Auf-Ex-Trinken des Cognacs zur Beruhigung. „Wie lange geht das denn schon so? Was ist mit Skrjabin? Mit Bartók? Ligeti?“ Die Klassikmusikliebhaberfamilie reagiert mit äußerster Verstörung auf die Enthüllung, dass „ausgerechnet so eine…“ – wobei der Vater gerade noch so vermeiden kann, „entartet“ zu sagen – „unterentwickelte Musik“ zum zentralen Interesse des Nachwuchses geworden ist. Nach Jahren vorsichtiger Annäherung kann dieser Schaden repariert werden. Die Frage, welche Musik die Enkel hören, wird geflissentlich übergangen.

3) Mit einem Herzinfarkt
„Was? DU HAST –“ Weiter geht es nicht. Der Vater greift sich mit schmerzverzerrter Fratze an die Brust und kippt regungslos vom Stuhl. Während die Schwester einen Krankenwagen ruft und der Bruder sich zum Vater kniet, starrt die Mutter, die noch starr vor Schreck auf ihrem Stuhl sitzt, einen an. Mit folgenden Worten, begleitet von einem ausgestreckten J’accuse-Zeigefinger, bricht sie ihr Schweigen: „Du hast nicht nur deinen Vater und mich, sondern auch dich selbst entehrt! Du hast dein Jurastudium geschmissen, um Künstler zu werden? Was ist mit all den Opfern, die wir für dich gebracht haben? Ich habe keinen Sohn mehr!“ Zu den Geschwistern wird man weiterhin ein gutes Verhältnis haben, die Eltern sieht man erst auf deren Beerdigungen wieder.

4) Mit Mord und Totschlag
Man kommt zwar dazu, das Geständnis zu vollenden, nicht aber sich zu erklären. Ein ununterscheidbares Knäuel an Vater, Mutter, Bruder und Schwester geht mit Tranchiermessern, Stuhlbeinen und leeren Flaschen auf einen los und wird einen nach getaner Arbeit im elterlichen Blumenbeet verscharren. Dabei hat man nichts getan, außer sich zu verlieben. Gut: die Dame war die Verlobte des Bruders und die beste Freundin der Schwester, Tochter von Mamas Schwipscousine und von Papas Chef. Eine Affäre ist da nicht gerade ratsam gewesen. Noch weniger der Quickie auf der elterlichen Toilette, deren Schloss schon ewig kaputt ist. Dass man daran nicht gedacht hat.

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