Ein Interview zu „Lehrstelle statt Leerstelle – Guido Graf muss bleiben“
An der Universität Hildesheim werden regelmäßig Zeitverträge nicht entfristet – wie an vielen deutschen Unis. Diesmal trifft es Guido Graf und damit einen Nerv der Studierenden. Zwei von Ihnen haben eine Petition gestartet. Wir haben sie interviewt.
Ein Großteil der Zebrabutter-Redaktion hat an der Universität Hildesheim studiert. Dort, wie an an vielen anderen Unis auch, ist es gängige Praxis, Zeitverträge, die jahrelang laufen auch gegen den Willen der Studierenden weder zu entfristen noch zu verlängern. Merlin Schumacher hat mit den Initiatoren der Petition „Lehrstelle statt Leerstelle – Guido Graf muss bleiben“ über politische Machtlosigkeit von Studierenden und die Folgen der Hinhaltetaktik mit Zeitverträgen für Dozenten und Lehre gesprochen.
Ihr habt die die Petition gestartet. Habt ihr bei Guido Graf studiert? In welchem Zusammenhang steht ihr mit ihm und der Uni?
Olivia Kuderewski (26) und ich, Tim Schauenberg (27), haben die Petition gestartet. Wir studieren beide den Master „Literarisches Schreiben“, und obwohl wir erst ein Jahr in Hildesheim sind, ist uns Guidos Rolle nicht verborgen geblieben. Ich hatte gute Seminare bei ihm, außerdem mache ich auch bei der Internetplattform Litradio mit, die Guido weiterhin betreut. Dadurch konnte ich ihn auch in einem etwas anderen Kontext kennen lernen.
Die Hinhaltetaktik mit Zeitverträgen die nie entfristet werden grassiert inzwischen an allen deutschen Hochschulen. Das Motto scheint zu sein: Lieber vier wissenschaftliche Mitarbeiter mit Zeitvertrag als eine Juniorprofessur. Wie meint ihr, dass das die akademische Landschaft in Deutschland beeinflusst?
Ich weiß nicht, ob das das Motto ist, denn es werden ja mindestens vier Mitarbeiter gebraucht. Die Arbeit, die diese Leute mit Zeitverträgen machen, kann nicht einfach so ersetzt werden. Wenn dort vier gestandene Wissenschaftler sind, die wegen des Zeitvertragsgesetzes an keiner deutschen Uni mehr arbeiten dürfen, es sei denn, sie werden von der Uni fest angestellt – was häufig nicht passiert – wird dadurch ein riesiges Wissen letztendlich verschwendet. Das betrifft vor allem die Geisteswissenschaften, in die immer weniger Geld investiert wird – zugunsten von naturwissenschaftlichen, technischen oder wirtschaftsorientierten Forschungsfeldern. Nicht umsonst heißt es von vielen Seiten, dass die Uni ein unattraktiver Arbeitgeber ist. Erst neulich hat sich ein promovierter Freund von mir doch noch dazu entschieden, sein Referendariat zu machen. Ihm wurde nach zwei Jahren an der Uni gesagt, es gäbe auf Dauer ohnehin keine Chance zu bleiben, er solle sich lieber was sicheres suchen. Das hat er dann gemacht. Jetzt bringt ein Doktor der romanischen Literaturwissenschaft demnächst Kindern der 9. Klasse bei, wie man auf Spanisch nach dem Weg fragt.
Wo das hinführt? Gute Frage. Mit Nachhaltigkeit hat das jedenfalls wenig zu tun und Querdenker werden dadurch, dass sie immer auf einen neuen Vertrag hoffen müssen, auch nicht gefördert.
Wie läuft es mit der Petition so? Was passiert am Ende des Petitionszeitraums? Gibt es eine Übergabe der Unterschriften?
Die Petition hat in einem Umfang eingeschlagen, den wir uns nie vorgestellt hätten. Einen Tag nachdem wir sie online gestellt und verbreitet haben, gucke ich in mein Mailfach und sehe im Posteingang 250 Mails (ich bekomme für jede Unterschrift eine zugeschickt). Ich dachte erst, ich hätte mich aus Versehen, woanders angemeldet oder so. Unter den Studierenden hat das Thema mehr Empörung ausgelöst als wir gedacht hätten, das hat uns natürlich gefreut. Aktuell sind wir bei knapp 800 Unterschriften. Gerechnet haben wir mit einem Drittel davon.
Am Ende wäre es schon, wenn es eine Übergabe geben könnte, auch weil sich zum Teil tolle Kommentare angesammelt haben, die das Präsidium auch interessieren sollten. Allerdings wissen wir noch nicht so recht, wie man eine Online-Petition übergibt, ohne, dass Sie in einem Mailfach versauert. Den Knopf zum Ausdrucken haben wir noch nicht gefunden, denn es wäre schon toll, ein Foto des Präsidenten mit dem Packen Papier in der Hand zu haben.
Sind noch weitere Aktionen für Guido in Planung oder laufen diese bereits?
Ja, wir haben gehört, dass sich einige Studierende zusammengetan haben und eine Guido-Graf-Maskenaktion planen. Genaueres weiß ich noch nicht. Ansonsten geht es immer noch darum auf das Thema aufmerksam zu machen, auch in den lokalen Medien, da gibt es demnächst eventuell einen Artikel mit uns.
Gab es bereits eine Reaktion von offizieller Seite der Universität?
Der Präsident hat sich in einem Artikel in der hiesigen Zeitung zu der Sache geäußert und wirft uns falsche Diskriminierung vor, weil sich die Uni angeblich in Gesprächen mit Guido Graf befindet. Die Information ist mir neu, denn bis letzte Woche habe ich die Verantwortlichen in unserem Institut noch Achselzucken und Ratlosigkeit was die Zukunft von Guido Graf betrifft erlebt. Aber wenn dem so ist, freuen wir uns, dass wir so schnell ein wichtiges Teilziel erreicht haben. Ich hoffe dann nur, dass der Präsident unsere Petition genau gelesen hat, denn wir wollen Guido Graf in der Lehre der Kulturwissenschaften und nicht irgendwo anders, womöglich noch in der Verwaltung.
Guido ist ja nicht der erste Dozent der Uni Hildesheim der ewig mit Zeitverträgen abgespeist und dann geschasst wurde. Auch die Petition erinnert sehr an eine Aktion für die Entfristung des Vertrags für den Mediendozenten Mathias Mertens. Und trotz schriftlicher Zusage des Präsidenten wurde sein Vertrag nicht entfristet. Was wollt ihr anders/besser machen?
Das ist richtig, wir haben uns an der Petition für Herrn Mertens orientiert, weil sie viele Dinge gut auf den Punkt bringt. Letztendlich sind es nicht wir, die entscheiden, wer kommt und wer geht, sondern das Präsidium. Daran wird auch die Petition nichts ändern. Uns geht es vor allem darum Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und die Beteiligten in eine Auseinandersetzung mit dem Willen der Studierenden zu zwingen. Denn Lehre und Wissenschaft sind die Aufgaben einer Uni und wer diese Arbeit gut macht, muss gehalten werden, daran muss man die Verantwortlichen erinnern. Wir versuchen ein Rädchen zu sein, vielleicht das Zünglein an der Waage, denn auch das literarische Institut und viele andere Gremien stehen hinter Guido Graf. Das ist eine gute Voraussetzung, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen.
Generell scheint die Uni Hildesheim eher darauf erpicht zu sein Dozenten, die ambitioniert auftreten – intern wie den Studenten gegenüber- loszuwerden. Auch wird mit Vertragsverlängerungen gerne bis zum letzten Tag des Semesters gewartet. Glaubt ihr, dass das Taktik ist?
Das wissen wir, ehrlich gesagt, nicht und können daher auch nichts dazu sagen.
Ganz persönlich halte ich es für inzwischen unmöglich, die Entscheidungen der Uni Hildesheim zu verändern, da der Präsident Wolfgang-Uwe Friedrich einen Apparat erschaffen hat, der keinerlei Entscheidungen mehr zulässt. Selbst wenn er Zusagen gibt, dann, wie es scheint, nur um sich den Protest vom Leib zu halten und die Leute später ins Messer laufen zu lassen. Glaubt ihr, dass ich mit meinem Pessimismus richtig liege?
Wir können nichts zum Stil oder zur Entscheidungskultur des Präsidenten oder des Präsidiums sagen. Dafür kennen wir ihn nicht gut genug und wissen auch zu wenig über die ähnlichen Fälle, wie du sie beschreibst. Es ist natürlich richtig, dass die studentische Vertretung nicht besonders stark in Hildesheim ist, hier gibt es nicht einmal Hochschulparteien. Das mag an der Politik der Uni liegen und aber auch am Bachelor-Master-System, dass die Studenten schneller den Studienort wechseln lässt und bspw. kontinuierliche Fachschaftsarbeit enorm erschwert.
Und, da hast du natürlich Recht, die Universität ist kein demokratischer Raum, in dem Studierende genug Einfluss haben, um aktiv mitzubestimmen. Man könnte sagen, wir sind die Opposition.
Aber immerhin gibt es Gespräche mit Guido Graf und daran haben alle, die sich auf verschiedensten Ebenen, für ihn stark gemacht haben, ihren Anteil. Nicht zuletzt er selbst, weil er ein super Dozent ist.
Wir sind optimistisch und wenn man uns nicht hört auch gerne wieder laut.
Die Petition für Guido Graf findet ihr hier. Zeichnet mit wenn ihr möchtet.
Bildquellen
- Die Domäne Marienburg ist Teil der Uni Hildesheim: CC-BY-SA 3.0 Universität Hildesheim, Isa Lange