Die X-Akten sind wieder geöffnet
15 Jahre nach dem Ende von Akte X ist am Sonntag ein Special mit sechs neuen Folgen angelaufen, das die Handlung wieder aufnimmt. Warum die Serie gerade 2016 so gut funktioniert erklärt unser Autor Martin Spieß.
Wir leben in global bewegten und bewegenden Zeiten. Nach wie vor, auch Jahre später, kommen immer wieder Details zu PRISM, der von Whistleblower Edward Snowden aufgedeckten Überwachungssoftware der USA, ans Licht. Die Armen werden ärmer und ihre Zukunft aussichtsloser, die Kritik an den Medien, an der Elite und der Regierung wird lauter. Das Ausmaß der Flüchtlingskrise wird allmählich sichtbarer und lässt die rechte Bürgerbewegung Pegida genauso wie die AfD an Kraft gewinnen.
Donald Trump ist Frontrunner der Republikaner im Wahlkampf zum Amt des US-Präsidenten, weil er scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet. Die Grenze zu Mexiko sichern? Einen richtig fetten Zaun bauen! Was macht man mit dem IS? In die Steinzeit bomben! Trumps Rezept? Er reduziert Komplexität. Genauso wie es Verschwörungstheorien tun.
Kein Wunder also, dass gerade jetzt mit Akte X eine der erfolgreichsten Serien der 90er Jahre neu aufgelegt wurde. Schon die gesamte ursprüngliche Serie ist durchzogen von sich immer wieder ändernden Verschwörungstheorien: mal glaubt Mulder an Aliens, mal glaubt er, sie sind nur ein Ablenkungsmanöver, dann wieder ist er selbst Augenzeuge außerirdischer Technologie, nur um kurze Zeit später alles infrage zu stellen.
Es ist die Regierung
Auch das auf sechs Folgen angelegte Special bewegt sich in seiner ersten Folge in diesem Fahrwasser. Mulder und Scully, die am Ende der alten Serie ein Paar wurden, sind getrennt. Mulder arbeitet weiter verbissen allein daran, die Wahrheit zu finden, Scully arbeitet wieder als Ärztin. Dann kommt ein Anruf von Skinner (Mitch Pileggi, dem der Fünftagebart hervorragend steht), der Mulder und Scully mit dem reaktionären Talkshowhost Tad O’Malley (Joel McHale) in Kontakt bringt, der eine sympathische Version des real abgedrehten Bill O’Reilly darstellt. Seine Hypothesen allerdings sind nicht weniger abgedreht als die des Originals. O’Malley ist der Meinung, dass ein Zusammenschluss von Regierungen mithilfe der Wirtschaft einfach alles kontrolliere: Dürren genauso künstlich erzeuge wie Kriege, die Polizei militarisiere, Prison Camps wie Pilze aus dem Boden schießen lasse, Nahrungsmittel, Medikamente und Gesundheit kontrolliere, Telefone abhöre, E-Mails mitlese und die Daten gegen die eigenen Bürger einsetze – alles zu dem Zweck, unkritische, übergewichtige Konsumenten zu produzieren, die der Machtübernahme erst der USA und schließlich der ganzen Welt nicht entgegenstehen. Außerirdische spielen in dem Szenario nur insofern eine Rolle, als dass es außerirdische Technologie ist, die dabei zum Einsatz kommt. Nicht Außerirdische fliegen die UFOs oder sind für Entführungen verantwortlich: es ist die Regierung.
„We have a small problem.“
Scully ist gewohnt misstrauisch, Mulder fährt wie gewöhnlich drauf ab, dieser neuen Theorie mit fliehenden Fahnen zu folgen – nur damit er am Ende der ersten Folge von Scully mit neuen Fakten konfrontiert wird, die eine noch größere, noch weitreichendere Verschwörung andeuten. Und wie als Ausrufezeichen – und schön, dass er gleich in der ersten Folge auftaucht – kommt am Ende der (von William B. Davis gewohnt großartig gespielte und auf ultra-alt geschminkte) Krebskandidat ins Bild. Und fast wie Frank Underwood spielt er die Dramatik des nahenden Problems herunter: „We have a small problem. The X-files have been reopened.“
Vielleicht gab es in letzter Zeit zu viel AfD- und Pegida-Blödsinn, vielleicht geistern zu viele Xavier Naidoos und Jürgen Elsässers umher, die gemeingefährlichen, medien- und regierungskritischen Dünnpfiff in die Mikrofone von Mahnwachen und die Timelines der sozialen Netzwerke koten. Aber der fade Beigeschmack dieser Parallele beim Anschauen der ersten Folge, die auch noch „My Struggle“ („Mein Kampf“) heißt, bleibt. Es ist dies allerdings das einzige Manko von Akte X: dass sich die Verschwörungstheorien von Mulder und O’Malley 2016 anhören wie etwas, das sonst der Postillon oder Der goldene Aluhut posten würden. Oder eben Bill O’Reilly in die Kamera sprechen würde. Und dass Mulder in seinem sonnenbebrillten casual look etwas zu sehr an Hank Moody erinnert.
Davon ab, verspricht auch das sechsteilige Special gute, hochwertige Unterhaltung zu werden: mit Figuren, denen man schon die 90er hindurch gerne gefolgt ist und die man, fast wie alte Freunde, die man lange nicht gesehen hat, umso herzlicher in die Arme schließt.
Bildquellen
- Mulder Scully X-Files: © 2016 Fox
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