Penny Dreadful: Remix der Gothic Novel

Wie die Serie „Penny Dreadful“ Literatur remixt – und dabei das Kunstblut nicht vergisst.

ACHTUNG! SPOILER

Electric Literature bringt einen lesenwerten Essay über eine meine derzeitigen Lieblingsserien: How „Penny Dreadful“ adapts multiple books at once. Der allerdings kaum mehr als an der Oberfläche an dem Verhältnis der Serie zur Englischen Romantik kratzt.

Konzeptuell ist das ganze ein wenig wie „Buffy“ – eine zusammengewürfelte Truppe von Leuten (darunter ein Werwolf) jagt diverse Monster. Die Serie verortet sich allerdings im Londoner Nebel des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Was eben genau die Zeit der Englischen Romantik ist – die eindeutig mehr Popkulturmonster geschaffen hat als die deutsche. Frankenstein und Dracula, beispielsweise. Die in „Penny Dreadful“ beide auftauchen. Wie übrigens auch Dorian Gray, und einen neuen, damals im Zuge der Kolonialisierungsbewegung gerade erst auftauchenden Typus: des Abenteurers.

Das faszinierende an der Serie ist nicht nur, wie die Literatur der Epoche einbaut – es ist, wie sie mit Motiven der Literatur und dem Zeitgeist der Epoche herumspielt. Die beiden interessantesten Pole sind in der Hinsicht sicherlich Dr. Frankenstein und sein Monster. Bzw. seine Monster: Frankenstein erschafft in der Serie eine ganze Armada davon. Sein erstes – das sich, nach dem Dichter, John Clare nennt – ist die Inkarnation des romantischen Menschen: Das von der Technik verwundete, fühlende Individuum, das sich auf der Suche nach dem Erhabenem zur Natur und den Dichtern der Zeit wendet. Besonders lustig wird es, wenn die beiden Gedichte von Shelley diskutieren, selbstverständlich nicht die von Mary Shelley, der Frankenstein-Autorin, sondern die von Percy B. Shelley, ihrem (etwas) weniger berühmten Mann. Überhaupt: Blake, Woodsworth, Keats, Byron: Frankensteins Monster hat sie alle drauf, und wird im Laufe der Serie – auch das ungeheuer zeitgemäß – zum Pantheisten. Frankenstein repräsentiert natürlich die andere Seite der Medaille: Den Technokraten, der mit Hilfe seiner Technik selbst den Tod besiegen kann.

Gleichzeitig wird über die Pole Ethan Chandler (Josh Hartnett) / Sir Malcom Murray (Timothy Dalton) die Kolonialisierung der Neuen Welt und der Aufstieg der USA abgehandelt: Chandler ist geflohener Amerikaner, Murray ein Abenteurer, der in Afrika vergeblich nach der Quelle des Nils gesucht hat, und immer weiter sucht. Wenn die beiden sich in London treffen, knallt die ganze Welt aufeinander.

Man könnte noch eine Weile so weiter machen: Sich fragen, wie Dorian Gray als ultimatives Produkt seiner Gesellschaft da rein passt, wie Vanessa Ives, die weibliche Hauptfigur, sich als selbstbewusste und verwundete Frau in einer Gesellschaft verortet, die gerade erst begreift, dass Frauen so etwas wie Selbstbewusstsein überhaupt haben können. Man könnte sich noch über Mina Harker auslassen, die direkt aus Dracula geklaut ist.

Fest steht, dass „Penny Dreadful“ eine extrem kluge Serie ist, die eine komplette Epoche samt ihrer Literatur nimmt und einmal durch den Remix jagt – mit dem Ergebnis, das zwischen den Figuren eine Masse an Ideen und Haltungen aufeinander knallen, aus denen sich letztendlich kein kleiner Teil unserer Gegenwart geformt hat.

Für mich als Freund – nicht Experte – der Epoche ist „Penny Dreadful“ eine Serie, die ich in jeder Folge für ihre Klugheit feiern könnte. Dass „nur“ kluge Serien ihr Publikum nicht so gut finden wie solche mit Blut und Eingeweiden, weiß die Serie auch: Frankensteins Monster arbeitet eine zeitlang in einem Theater als Beleuchter. Dort wird Shakespeare aufgeführt – mit reichlich Kunstblut und wenig Kunst, während hinter den Kulissen die Schauspieler sich darüber auslassen, dass das Publikum es nicht anders will. Genauso arbeitet „Penny Dreadful“ auch: Mit reichlich Kunstblut. Aber dafür mit viel Kunst, und einem ironischen Nicken hin zur populären Kultur:

„Penny dreadfuls were cheap zine-like publications which only printed the scariest, gruesomest fiction available in Victorian England. In an early scene in season one, Sir Malcolm even looks at a copy of the penny dreadful Varney the Vampire with knowing recognition. Though the show is outright using characters from Dracula, the vampires that the Dreadfuls have fought so far actually have more in common with Varney than with the famous Count.“

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