Von Bussen und Menschen

Busse, Macht und Vorurteile: Für mehr Entschleunigung und weniger Schubladen.

Ich habe das Bedürfnis über neue Trends zu schreiben (nicht die modischen, wer hier also etwas übers „Sträkeln“ erwartet, den muss ich enttäuschen). Eigentlich kann ich Trends auch gar nicht leiden, in ihrer ganzen vergänglichen Allgegenwart. Deswegen will ich auch nicht über Trends schreiben, die es schon gibt, sondern über die, die ich mir wünsche.

Ich wünsche mir einen Trend der Entschleunigung

Mal ganz im Ernst: Was bringt es im Bus zu drängeln? „Denken Sie wirklich, dass sie auf diese Weise schneller ans Ziel kommen?“ möchte jedes Mal fragen. Aber genau hier liegt anscheinend das Problem. Schon die Prämisse, die die Frage nach „Denken Sie…“ impliziert, ist falsch. Denken findet beim Vordrängeln eben in den seltensten Fällen statt. Da sind wir Menschen triebgesteuert: Wenn wir ein Ziel haben, müssen wir aktiv etwas dafür tun um es zu erreichen, selbst wenn unser Aktionismus noch so sinnlos ist. Was an der Supermarktkasse noch einigermaßen verständlich wirkt (weil man die TK Ware schnell in Sicherheit bringen will. Obwohl selbst das mich manchmal fast dazu veranlasst „Nieder mit den Kühlketten!“ zu schreien und mich der Slow-Food Bewegung anzuschließen) wirkt es in einem sich bereits bewegenden Fortbewegungsmittel einfach lächerlich.

Ich wünsche mir mehr Zeit zum Nachdenken

Ich gehöre zu den Menschen, die abends in die Bettdecke beißen, weil ihnen DAS ultimative Argument eingefallen ist, womit sie den Nachbarn davon überzeugen, dass es nicht cool ist, andere aus dem Bus zu schmeißen, nur weil er Ihnen zu voll ist. Damit ich erwidern kann „Wissen Sie, eine Legehenne hat weniger als ein DinA4 Blatt Platz und gackert garantiert weniger“.

Ich wünsche mir einen Trend der (verbalen) Abrüstung

Apropos „gackern“: Leute, die gleich den Dritten Weltkrieg erklären, weil es ihnen in ihrem Bus zu eng wird, haben keine Ahnung von dieser Begrifflichkeit. Krieg ist an sich schon etwas, das sich jenseits der Vorstellungskraft aller befindet, die ihn nicht durchleben. Denn die Reaktionen auf diese angstschürenden Parolen, sind meist nicht mehr verbal, sondern erschreckend real, wie die ansteigenden Waffenverkäufe in Deutschland zeigen.
Wenn ich an Waffen denke, fällt mir ein, dass ich mir wünsche, dass die USA eine neue Trendsportart für sich entdeckt, die sicherlich anstrengend ist, aber sich lohnen würde: Das „Trump-Power-Ignoring“. Und wie jede gute Trendsportart, würde auch diese innerhalb kürzester Zeit zu uns herüberschwappen.

Ich wünsche mir weniger Schubladendenken und mehr Mut zur Vielfalt

Ich habe gelesen, dass das Schubladendenken uns hilft, unsere Umwelt zu strukturieren. Schön und gut, aber warum geht denn nur schwarz und weiß? Dagegen ist doch schon Rosa Parks aufgestanden. Oder sitzengeblieben. Darüber streiten sich die Historiker. Die Schublade, die ich ihr angelegt hatte, mit dem Wort „Aktivistin“ darauf, war ihr wohl zu klein. Aha. Was zu beweisen war.
Wenn man schon in Schubladen denken möchte, dann wird man sich in Zukunft viele kleine Unterschubladen anschaffen müssen, wo all die Aktivistinnen, die sich ab und an mal hinsetzen (und deswegen nicht weniger aktiv sind) auch hineinpassen.
Und so sträkelt sich der Kreis, wenn sich zwei „Kulturen“ treffen und zu etwas Neuem werden: Ich wünsche mir mehr Mut zur Vielfalt.
Und ja: „Der Bus“ kann durchaus metaphorisch interpretiert werden, muss er aber nicht. In beiden Fällen gilt: Gebt Acht, wem ihr die Macht gebt, ihn zu fahren.

 

Jens Förster: Kleine Einführung in das Schubladendenken: Über Nutzen und Nachteil des Vorurteils.

Rosa Parks.

 

Bildquellen