Kapitän Schwandt Biografie Sturmwarnung: Als Seemann hilft man Menschen in Not
Im Ankerherz Verlag ist die Biographie von Kapitän Schwandt, bekannt durch seine Kolumne aus der Hamburger Morgenpost, erschienen. Ein wunderbares Buch über einen weltoffenen Demokraten, findet unser Autor Martin Spieß.
Man fragt sich dieser Tage, wo sie eigentlich sind, die Stimmen der Vernünftigen, der Moderaten und der Reflektierten. Dieser Tage, da Flüchtlingsheime brennen, die AfD zweistellige Wahlergebnisse feiert und die FPÖ bei der Präsidentschaftswahl rund 40 Prozent einfährt. Und es scheint, als brauche es einen alten Seemann, der, den Horizont im Blick, daran erinnert, was der richtige Kurs ist.
Dieser Seemann ist Kapitän Jürgen Schwandt, bekannt durch seine Kolumne in der Hamburger Morgenpost. Darin sowie auf seiner offiziellen Facebookseite und einem Blog stellt er sich regelmäßig rechten Tendenzen entgegen. Nun ist im kleinen norddeutschen Verlag Ankerherz seine Biographie Sturmwarnung erschienen.
Im Sturm: das war es jetzt
Darin erzählt Kapitän Schwandt zusammen mit Ankerherz-Verleger und Ghostwriter Stefan Kruecken in so bewegenden Szenen seine Lebensgeschichte, dass auch küstenfernen Lesern das Herz aufgehen dürfte. Geboren 1936 und aufgewachsen im zerstörten Nachkriegs-Hamburg, floh Schwandt auf See: raus, weg von all dem Elend, das der Krieg hinterlassen hatte. 1952 ging er als Schiffsjunge auf einen Gaffelschoner aus dem 19. Jahrhundert: „Statt einer sanften Brise oben im Mast erwartete mich harte Arbeit“, schreibt er und erzählt von den Holzpritschen mit Stroh, auf denen die Seeleute schliefen. Von eiskalten Wintern, in denen sie des ständig brennenden Ofens wegen schwitzten und der Kälte der Bordwand wegen froren. Mit dem nächsten Schiff verbesserten sich die Bedingungen: es gab sogar Duschen. 1955 kam Schwandt auf den Frachter Franziska Sartori, mit dem er auf der Strecke Hamburg-Chicago in einem schweren Sturm fast unterging: das betreffende Kapitel heißt Wiedergeburt und von der Sturmnacht erzählt Schwandt: „Ob ich Angst empfinde? Nicht im herkömmlichen Sinne, obwohl der Tod so nahe ist. Bei jeder der riesigen Wellen, die auf uns niedergehen, denke ich: ‚Das war es jetzt.’“ Das nachfolgende Kapitel schließt dann auch mit einem Zitat von Joseph Conrad: „Wer das Alter der Erde erfahren will, der schaue bei Sturm auf die See.“ Einem solchen Sturm fällt ein kanadischer Frachter zum Opfer, dessen Untergang Schwandt als Zweiter Offizier beobachtet und dessentwegen er sogar vor einem Untersuchungssausschuss aussagen muss.
Aufrichtig und direkt, mit klarem Blick auf die Dinge
Ob Sturm oder nicht: Seefahrt, vor allem Navigation, so erzählt Schwandt mit Begeisterung und Verwunderung, war zu seiner Zeit etwas vollkommen anderes: wo heute alles über Satellit läuft, wurde die Position damals zuweilen so bestimmt: „‚Wir befinden uns irgendwo hier’, hieß es, wenn jemand seine Mütze auf die Karte warf.“
1966 erhielt Schwandt mit 30 Jahren sein Kapitänspatent. Sich von ganz unten hochgearbeitet zu haben und alle Bereiche zu kennen, erleichterte ihm seine Arbeit, die er wahrscheinlich deswegen so gut machte. Wegen seiner späteren Frau Gerlinde, mit der er mittlerweile 45 Jahre verheiratet ist, verließ er schließlich die Brücke und arbeitete beim Zoll.
Wenn der Begriff nicht so fürchterlich abgeschmackt wäre, würde man Kapitän Schwandt wohl einen „alten Seebären“ nennen. So charmant wie aufrichtig und direkt erzählt er von Sauf-Eskapaden genauso wie von seiner Alkoholsucht, vom Schmuggeln genauso wie von seiner späteren Arbeit beim Zoll. Vor allem aber lässt er immer wieder seine Meinung einfließen: wer so lange auf See war, immer den Launen der Gezeiten ausgeliefert und sich der eigenen geringen Größe bewusst, der bekommt einen klaren Blick auf die Dinge: „Ich habe gelernt, weltoffen und tolerant zu sein. Arschlöcher gibt es überall, das hat nichts mit der Hautfarbe, dem Pass oder der Religion zu tun. Für diese Weltoffenheit bin ich auch immer eingetreten. (…) Ungeachtet möglicher Konsequenzen für mich“, schreibt er und fährt fort, mit Bezug auf die Flüchtlingskrise: „Ein Seemann hilft Menschen in Not. Ich empfinde dies als unsere Pflicht. Dass ich am Ende meines Lebens beobachten muss, dass manche braunen Geister, die mir den Start in mein Leben versaut haben, plötzlich wieder Zulauf bekommen, den niemand mehr für möglich hielt, erfüllt mich mit Sorge.“
Sturmwarnung ist am Ende mehr als eine glänzend geschriebene Biographie – Ghostwriter Stefan Kruecken hat den Ton des Kapitäns wunderbar eingefangen –, es ist ein Appell, Haltung zu bewahren, seinen Prinzipien treu zu bleiben.
Schwandt tat und tut das nach wie vor: Mit seinen Kolumnen stellt er sich den neuen Rechten entgegen und findet: „Jeder Demokrat sollte dies tun.“
Und so viel ist sicher: wenn das schwere Leben in Nachkriegsdeutschland und der raue Nordatlantik Kapitän Schwandt nicht kleingekriegt haben, wird das eben diesen Rechten schon lange nicht gelingen.
Bildquellen
- Sturmwarnung Kapitän Schwandt: ©Ankerherz Verlag