Unsere ersten E-Books: Von Enttäuschung, Handgelenken und Dateiformaten
Welches war unser erstes E-Book? Wir haben für das E-Book Festival drei Geschichten zusammengetragen.
Die freundlichen Menschen vom E-Book Festival haben dazu aufgerufen, Texte über das erste E-Book zu verfassen, das wir jemals gelesen haben. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen: Wir haben bei uns in der Redaktion mal herumgefragt, und konnten drei großartige Geschichten zusammentragen.
Die Enttäuschung
Mein erstes E-Book war eine Enttäuschung. Harry Potter und der Feuerkelch war gerade herausgekommen, ich hatte in irgendeiner Zeitung einen alarmistischen Artikel darüber gelesen, dass das es das Buch im Netz als Raubkopie geben sollte, und wollte auch eines. Ich ging an den Computer, machte Napster an und suchte. Ich musste nicht lange suchen, und begann zu lesen, sobald ich das Buch heruntergeladen hatte.
Zuerst merkte ich nichts. Ich vermute, es lag daran, dass das Buch auf englisch war, und mein Englisch war damals nicht so gut, auf Deutsch wäre es mir – vermutlich – sofort aufgefallen. Jedenfalls las ich das Buch bis zur Hälfte, als mir es mir merkwürdig vorkam, dass immer wieder Drachen auftauchten, die in pokémonartigen Kämpfen gegeneinander antraten. Und irgendwie war das Buch auch nicht lang genug, und sowieso waren die Figuren etwas…flach.
Ich las es trotzdem zu Ende, vergaß meine Irritationen, und kam erst Jahre später darauf, dass ich irgendeine Fan Fiction heruntergeladen hatte, in der Harry Potter zu einer Art Pokémontrainer mutiert. Und jahrelang geglaubt hatte, der vierte Band der Harry Potter-Reihe sei einfach nur ein bisschen merkwürdig.
(Jan Fischer)
Die glücklichen Handgelenke
Im Sommer 2014 packte mich die Abenteuerlaune und ich trampte mit meinem damaligen Freund durch Norwegen. Sorgfältig hatten wir unseren Urlaub geplant: Outdoorequipment gekauft und geliehen, unsere Kleidung abgewogen, weise aussortiert, was mitkommen würde und was nicht. Am Tag der Abreise schnallte ich meinen kleinen Schlafsack an den extraleichten Rucksack, der nur so voll wirkte, weil unten drin ein Gaskocher lag, dessen Hohlräume ich mit Socken ausgestopft hatte. Ich schnürte meine Wanderstiefel zu, blickte in mein Bücherregal und vor lauter Vorfreude und Leichtsinn packte ich den ersten Band der Buchreihe A Song of Ice and Fire noch ganz oben in den Rucksack.
Diese Entscheidung bereute ich immer dann, wenn ich nicht in dem Buch las, sondern es stattdessen zusammen mit meinem leichten Equipment umher tragen musste. Game of Thrones war zu dem Zeitpunkt das dickste Buch, das ich seit Harry Potter und der Orden des Phönix gelesen hatte. Also sehr dick, sehr schwer. Leider auch ziemlich zäh – aber trotzdem spannend, weil: Drachen, Sex und smarte Frauen. Weil Norwegen spannender war als das Buch, schleppte ich es einen knappen Monat mit mir rum, um es dann in Deutschland bekifft im Wald zu Ende zu lesen. Danach taten meine Handgelenke weh. Ich bin nämlich eine von denen, die Bücher beim Lesen umknickt.
Zum Glück darf man sich als erwachsenes Kind von seinen Eltern bestimmte Dinge zum Geburtstag wünschen, ohne dabei komisch zu wirken, und zum Glück habe ich im September Geburtstag. Gezeichnet von den Leiden des Sommers wünschte ich mir einen E-Bookreader und weil meine Mutter mich liebt und verwöhnt, bekam ich den auch. Erste Amtshandlung, erstes E-Book: A Clash of Kings, der zweite Band aus der Buchreihe A Song of Ice and Fire. Ich brauchte ein ganzes Jahr, um dieses Buch zu lesen, was bestimmt auch daran lag, dass ich zeitweise nicht kiffen durfte und es zu kalt war, um in den Wald zu gehen. Dennoch: Meine Handgelenke, mein Rucksack und ich sind seitdem sehr glücklich.
(Nadiah Riebensahm)
Die Chronik der Formate
Ab 1997 führte ich Tagebuch; ab 1999 las ich „Online Journals“ und -Tagebücher, u.a. via diarist.net [das Wort „Blog“ benutzte noch niemand]. Das erste „Buch“, das ich komplett am Bildschirm las, war das überarbeitete und erweiterte Tagebuch von Tim Berger aus Aalen – ein Schüler und Amateur-Ringer, geboren 1981. Bis heute frage ich mich, warum aus diesem Tagebuch, Mattenjahre, nie ein (Jugend-)Buch wurde.
1999 entdeckte ich Fan-Fiction. Die einzigen Texte, die mich überzeugten, waren Drehbücher zu Willkommen im Leben, verfasst von einem jungen Anwalt aus Illinois, E.R. Holdridge. 10 „Zusatz“-Episoden zur Serie, passabel geschrieben. Blöd nur, dass in vielen dieser Fanfic-Episoden ein junger Anwalt eine zentrale Rolle spielt, der alle Figuren bei juristischen Problemen berät.
2003, im Studium (Kreatives Schreiben), schickten wir uns oft Manuskripte, Romananfänge, .pdfs und Korrekturfahnen hin und her: Die ersten Bücher, die ich am Rechner las, waren Studiengangsprojekte und Anthologien, und meist war ich Lektor oder Korrekturleser.
2006 stellte DC Comics vier Ausgaben seiner wöchentlichen Comicreihe 52 online, zum Gratis-Download. Ich mochte die Hefte sehr und fing an, die Figuren und Heftreihen via Wikipedia besser kennen zu lernen. Ab Ende 2007 kaufte ich mir (Print-)Comics. Ab 2009 las ich Comics als .pdf, am Rechner. Ab 2013 konnte ich DC-Serien auch online lesen, auf Scan-Websites – und seit 2015 lese ich auch Mangas online, als Fan-Übersetzungen/“Scanlations“. Print-Comics kaufe ich seit 2014 nur noch als Geschenk, für Freunde und Kinder.
2008, bei einem Verlagspraktikum bei Klett-Cotta, las ich Dutzende noch ungedruckte oder unverlegte Romane als digitale Korrekturfahne. Bis 2012 schrieb ich nebenberuflich immer wieder Gutachten über solche Titel und las ca. 12 Romane im Jahr auf dem Computer, meist als Word-Dokument. Schon seit 2009 lasse ich mir Bücher aus Verlagen gern als .pdf oder digitales Dokument zuschicken: Rezensionsexemplare? Einfach mailen! smesch@gmx.net
2010 lud ich mir Amazons Kindle-Software auf den Laptop – und lese seitdem E-Books am Rechner. 2011 kaufte ich die ersten E-Books bei Amazon; meist Titel, die ich für ZEIT Online rezensierte. Ich habe seitdem für etwa 20 E-Books Geld ausgegeben (das teuerste: 26 Euro). Doch sicher 100 E-Book gelesen.
2011 verkaufte mir Freund Sam sein erstes iPad für 200 Dollar. Seitdem lese ich Comics (als .cbr-Dateien oder .pfds) und eBooks (als .mobi oder .epub) auf der Kindle-Software des iPads. 2012 installierte ich das furchtbare Adobe Digital Editions: ein Kopierschutz-/DRM-Reader, den in Deutschland u.a. Dumont und die Random-House-Verlage benutzen. Umständlich und unsympathisch.
2013 lernte ich deutsche Digitalverlage kennen: Frohmann-Verlag, mikrotext, 2014 die Indie-eBook-Boutique Minimore.de [heute offline]. 2015 erschien mein erstes eBook bei mikrotext – ein Sammelband zu 20 Jahren Verbotene Liebe, Straight to your Heart.
2016 las ich bisher ca. 8000 Seiten Roman auf meinem Laptop oder einem iPad Mini. Und ca. 15.000 Seiten Comics und Mangas, am Rechner.
(Stefan Mesch)
Bildquellen
- box-1242036_1920: Pixabay
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