Der Jurist Thomas Fischer

Lieber Thomas Fischer – Zu: Frauenfilme zu Frauenwahrheiten und Frauenfragen

In seiner Zeit-Kolumne bespricht Thomas Fischer juristische Themen. Diesmal hat er sich mit dem Sexualstrafrecht auseinandergesetzt. Unsere Autorin fragt sich, ob das so wirklich sein musste.

Lieber Thomas Fischer,

Sie machen mich ganz wuschig. Das liegt jetzt vielleicht an den Hormonen, wie sie sagen würden. Ich will mich gar nicht streiten, Herr Fischer, wir sind doch beide vernunftbegabte Wesen. Sie natürlich ein bisschen mehr, weil Sie nicht diese Hormone haben.

Ich schreibe Ihnen nicht, um Sie bezüglich der Rechtsprechung zu belehren oder Ihnen zu sagen, dass sie das alles ganz falsch sehen. Das liegt außerhalb meiner Kompetenzen. Die Behandlung von sexuellen Straftaten ist ein schwieriges Feld und wie Sie sagen, gibt es sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Ihre zum Beispiel im Gegensatz zu der der Anwältin Christina Clemm.

Herr Fischer, ich stimme Ihnen ja zu, dass wir einen faktenbasierten und ausgewogenen Diskurs brauchen. Doch beim Lesen Ihres Artikels hat sich mir die ernsthafte Frage gestellt, ob gerade Sie dazu beitragen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Gleichsetzung von Brigitte Redakteurinnen mit Pegida und AfD ja nun wirklich nicht sein musste. Den Vergleich bringen Sie gleich mehrmals. So zum Beispiel:

Nun wird man sagen dürfen, dass – außer vielleicht über terroristische Gewalt – in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland über kein Thema so viel, so permanent und so öffentlich gesprochen wurde wie über das Sexualstrafrecht, die sexuelle Gewalt und den sexuellen Missbrauch. Wie gelangen vernünftige Menschen zu solch bemerkenswert abwegigen Ansichten über die Realität? Wir treffen hier dasselbe Phänomen wie bei den „Pegida“-Bewegungen.

Tja nun. Vielleicht nehmen wir die Welt ein bisschen unterschiedlich wahr, Herr Fischer. Ich möchte behaupten, dass wir natürlich einen Diskurs haben. Es ist trotz allem für Opfer von sexueller Gewalt schwierig ungestraft über diese Erfahrungen zu sprechen und viele tun es gar nicht erst. Ich möchte Sie herzlich einladen einmal eine kleine Reise in die Kommentarspalten zu machen (die zu Ihrem Artikel reicht ja vielleicht schon), um zu wissen, was ich meine. Ich würde behaupten, dass es immer noch eine Stigmatisierung von Vergewaltigungsopfern gibt. Ich möchte behaupten, dass sich Frauen immer noch mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, dass Sie Männer ständig fälschlicherweise der Vergewaltigung bezichtigen würden. Ich möchte mir dann aber doch die Gleichsetzung mit Neonazis besorgten Bürgern, verbitten.

Ich verstehe auch, dass es Sie langsam nervt. Gender hier, Gender da, Frauenrechte hier, Feminismus, da. Ja, Herr Fischer, mich nervt das auch manchmal. Es gibt aber einen bedeutenden Unterschied: Ich lebe in einer anderen Realität als Sie, eine Realität in der sexualisierte Übergriffe verblüffend alltäglich sind. Sie haben die Wahl, ob Sie sich diese Meinungen anhören und mal einen polemischen Text dazu raushauen. Ich nicht. Für viele Frauen, mich inbegriffen, ist das Leben mit sexueller Belästigung eine Alltäglichkeit. Vielleicht spielen Sie und ich irgendwann mal bei einem Bierchen „Ich-Packe-Meinen-Koffer“ mit sexuellen Belästigungen und Erniedrigungen im nahen Lebensumfeld. Das wird bestimmt lustig. Vielleicht mindestens so lustig wie mein Beratungsgespräch beim Weißen Ring mit der Frage, ob ich meinen Vergewaltiger anzeigen soll. Habe ich dann nicht gemacht, ich konnte ja nichts beweisen.

Ein bisschen selbstgefällige Polemik hat noch keinem Text geschadet, Herr Fischer, ich denke da sind wir uns einig. Aber Herr Fischer! Muss denn diese Häme sein im Angesicht von Vergewaltigungen? Muss denn das sein, dass Sie das Ganze hier wie einen Spielfilm darstellen? Muss denn dieser Rundumschlag sein, gegen jede, die sich in der Opferhilfe engagiert? Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass sich eine vergewaltigte Frau vertrauensvoller an Menschen richtet, die, durch Rhetorik, Erfahrung und Programmatik, eine Niedrigschwelligkeit herstellen?

Herr Fischer, meinen Sie nicht es täte diesem unideologischen Diskurs, den Sie ja fordern, gut, wenn Sie nicht so ausgesprochen unangenehm wären? Ich lasse mich doch gerne belehren, ich lasse mir doch gerne von sachkundigen Menschen (Männern wie Frauen) das Rechtssystem erklären. Ich möchte doch, dass sich ausgehend von der Realität etwas in eine gute und nachhaltige Richtung ändert. Es wäre bloß so viel einfacher Ihre Aussagen aufzunehmen, wenn Sie nicht beständig so komisch herabwürdigend wären. So zum Beispiel:

…Und dann – vielleicht, eventuell – wird die Selbstbestimmung der deutschen Frau ein Niveau erreicht haben, das ihrer Sehnsucht genügt: Die Verschmelzung von Louboutin-Trägerin, Aufsichtsratsvorsitzender und ewigem Kind. Auf hohen Absätzen, doch immerzu missbraucht. Auf lukrativen Posten, doch immer noch zu kurz gekommen. Auf immer unverstanden sowieso: Kaum trippelt man selbstbestimmt im kurzen schwarzen Spitzenkleidchen übers Parkett, honigblond hochgesteckt, Augen bewimpert, Lippen geschürzt, Brust irgendwie gestützt – da starren frech schon wieder: Männer.

Herr Fischer. Ich möchte mich nicht streiten, aber musste das denn wirklich sein?

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