Seekuh: Wie die Plastikfolie von der Gurke wieder aus dem Meer kommt

Unternehmen Seekuh: Wie unsere Autorin hat eine Gurke in Plastikfolie kaufte und wie man die Meere etwas sauberer bekommt.

Heute habe ich eine Biogurke in einer Plastikfolie gekauft. Vor einer ganzen Weile sah ich Mal Plastik Planet, diesen Film bei dem ein Mann mit betont naiver Attitüde versucht rauszufinden was so toll an Plastik ist, ob es giftig ist und wo es landet, wenn wir es nicht mehr brauchen. Dabei kommt raus: Es ist teuer (wenn man den Verbrauch von wichtigen Ressourcen und die Folgekosten mit einrechnet), giftig und es landet im Meer und in Ländern, die sich den Protest gegen die Wirtschaftsmächte nicht leisten können.

Eigentlich wissen wir das ja auch und ich dachte, dass mich das zwar betrifft – so im Sinne von „Wir sind ja alle eine Welt“ – aber vielleicht auch nicht so sehr, denn ich bin ja konsumkritisch und gehe oft auf den Markt. Danach guckte ich mich auf meinem Schreibtisch um und neben diesen offensichtlichen Dingen wie Laptop, Bildschirm und Handy zählte ich rund 20 Dinge, die zumindest zum Teil aus Plastik bestanden. Das klingt jetzt nicht viel, aber mein Schreibtisch ist auch nicht sehr groß.

Mich überraschte das auf jeden Fall irgendwie und jedes Mal, wenn ich wieder hinguckte dachte ich „Achja, das Ding da ja auch“. Also beschloss ich in Zukunft bewusster, kritischer und verantwortungsvoller zu sein. Dabei ging ich durch das erste Stadium: Euphorie über die Entscheidung Gutes zu tun. Das zweite Stadium: Frustration, wie schwierig es ist Gutes zu tun. Das dritte Stadium: eine Ausnahme während Stress. Das vierte Stadium: immer mehr Ausnahmen. Das fünfte: schlechtes Gewissen. Das sechste: vergessen. Heute habe ich eine Biogurke in Plastikfolie gekauft.  Aber auch wenn ich es vergesse, irgendwo muss der Scheiß ja landen.

Plenty more fish in the sea?

Seit Jahrzehnten spülen wir Unmengen Plastik ins Meer; diese Plastikhülle von meiner Gurke landet vielleicht irgendwo im Südpazifik und wäre damit weiter gereist, als ich es je bin. „Unmengen Plastik“ klingt abstrakt, doch die Zahlen haben Größenordnungen erreicht, die ebenso abstrakt klingen. Geschätzte 150 Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen heute im Meer. Rund 10 Millionen Tonnen Müll kommen jährlich dazu. 11,7 Millionen Tonnen werden allein in Deutschland jährlich verbraucht (damit halten wir den europaweiten Rekord) und das Ganze passiert – wer hätte es gedacht – mit steigender Tendenz.

Man sieht es auf jeden Fall an diesen bekannten Bildern, auf denen Delphine sich in diesen Sixpack-Trägern verfangen oder Vögeln durch scharfe Plastikteile von innen der Magen aufgeschlitzt wird. Ich lese, dass es 2050 voraussichtlich mehr Plastik als Fische im Meer gibt. Mist, denke ich. Da lebe ich noch. Man sieht es nicht am Mikroplastik, das außerdem noch überall rumschwimmt und auch in unseren Nahrungskreislauf gelangt.

Man könnte meinen, es gäbe so eine Art von Müllabfuhr, weil Menschen eben Dreck machen. Wenn bei uns morgen die Müllabfuhr abgeschafft würde und unsere Hunde an jedem Stein in irgendeinem Müllsack stecken blieben, hätte man vielleicht das Gefühl, dass es mal Zeit für ein raumübergreifendes Konzept wäre. Doch genau das ist das Problem: Eine strukturierte Müllabfuhr wie für das Land gibt es nicht für das Meer, vielleicht auch, weil wir keine Seehunde Gassi führen. Vielleicht auch, weil alles so weit weg ist. Oder weil sich niemand zuständig fühlt.

Maritime Müllabfuhr – Die Seekuh aus Kiel

Wir müssen also dringend anfangen aufzuräumen. Eine Idee wurde in diesem Jahr in die Tat umgesetzt. Auf die Initiative des Vereins One World – One Ocean wurde ein Spezialkatamaran gebaut, der die Gewässer von sichtbarem Plastik reinigen soll.

So sieht er aus:

 

Ein Prototyp der Seekuh mit dem putzigen Namen Seehamster wurde bereits 2012 vom Gründer der Initiative Günther Bonin zu Wasser gelassen. Auch wenn die Taufe der Seekuh ein wichtiger Schritt war, sind die Pläne größer: Die vollen Müllbeutel sollen unter Angabe der Koordinaten abgelegt und später von einem weiteren Boot, das Bonin Seefarmer nennt, eingesammelt werden. Diese Seefarmer bringt die vollen Netze zum Seeelefant, einem Tanker, der das Plastik in schwefelfreies Öl umwandeln soll und so quasi zu einer mobilen Tankstelle für vorbeikommende Frachter wird.

Im Gespräch mit der GEO führt Bonin das Konzept weiter aus: An besonders verschmutzten Stellen würden örtliche Fischer beschäftigt werden, die mit Netzen pro Tag 200 Tonnen Plastik fischen könnten und für dafür entlohnt würden. Das klingt alles furchtbar einleuchtend und nützlich und Günther Bonin hat hoffentlich Recht, wenn er sagt „Wenn wir das an Land können, wird es auf den Meeren auch technisch möglich sein.“

Ich ziehe derweil meiner Gurke ihre Plastikhülle aus und freue mich, dass ich sie nicht zu schälen brauche, denn sie ist ja Bio.

Bildquellen

  • 01-00_43_01_24-still007: http://parcyvall.com/