Interviewreihe “Davon leben” – Interview mit Bob Gaulke (Musiker und Autor) [Deutsch/English]

Der Autor und Musiker Bob Gaulke über Jobs auf dem Friedhof, sexuelle Frustration und über die Frage, was eigentlich ein Künstler ist: Unsere Interviewreihe Davon leben.

Kunst machen – klar. Aber davon leben? Für Davon leben trifft Martin Spieß sich mit Künstlerinnen und Künstlern an der Peripherie des ganz großen Erfolgs. Dort, wo es wenig Geld, aber viel Leidenschaft gibt. Heute im Gespräch: Bob Gaulke, 49, Lehrer und Sozialarbeiter aus der North Bronx. Er schreibt, singt und spielt, so oft er kann, und droht derzeit damit, ein Funkrock-Musical auf die Bühne zu bringen, das in der New Yorker U-Bahn spielt.

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Du kommst ursprünglich nicht aus New York City, oder?

Richtig, ich wurde in Rochester geboren, im Staat New York. Da ging ich auch zur Schule. Mein Vater hat klassische Musik gespielt und war Professor, meine Mutter eine iranische Krankenschwester. Ich glaube, ich habe immer versucht, mein Leben zwischen ihren beiden Identitäten einzuordnen: Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich meine Zeit zur Hälfte damit verbringe, anderen zu helfen, und zur Hälfte kreativ arbeite. Und an interessanten Orten lebe.

Dein Vater ist verantwortlich dafür, dass du Musiker wurdest. Aber du bist auch Autor: wo kam das her?

Ich habe mich immer schon für Poesie interessiert. Vielleicht kommt das von meiner Mutter. Poesie hat eine lange Tradition in Iran. Und meine Eltern haben mich stets ermutigt, zu lesen. Was das angeht, war ich meinen KlassenkameradInnen voraus.

Wann wurde aus Lesen das Schreiben? Und wann aus dem Hören von Musik das Musizieren, Songwriting und Auftreten?

Das war ein Prozess, der sich zwischen Pubertät und meinen späten Zwanzigern abgespielt hat. Selbstverständlich gibt es nur wenige Kinder auf der Welt, die nicht die Beatles sein wollen, nachdem sie sie gehört haben. (lacht) Es war trial and error. Mein Vater kaufte mir einen Bass, als ich 16 Jahre alt war, und meldete mich für Unterrichtsstunden an. Ich hasste meinen Lehrer, aber dudelte trotzdem weiter auf dem Bass herum. Dann antwortete ich auf Anzeigen von Leuten, die Bassisten suchten, ohne auch nur eine einzige Tonleiter zu beherrschen. Das waren ziemlich erniedrigende Erfahrungen. Ich versuchte, mit nicht-musikalischen Freunden von der High School Rockbands zu gründen. MTV war gerade neu, und in dem Alter wirst du von flashigem Pop angezogen. Das war damals die Zeit von Adam Ant, Boy George und Scritti Politti. Aber dann triffst du auf Konzerten Dutzende anderer Jugendlicher mit denselben Ambitionen und du hast eine Identitätskrise: „Moment mal. Ich bin gar nicht so besonders!“ Ich glaube, wir waren beeinflusst von der britischen Musikpresse. Die war voll von Posern in heftigem Make Up und neu-romantischen Klamotten, die ihre Instrumente nicht beherrschten. In einem Sommer fuhr ich mit einem Freund nach New York City und kaufte in New-Wave-Boutiquen Klamotten und fühlte mich sehr speziell – erst später stellte ich fest, dass ich es nicht war.

Zu der Zeit war es also eher pubertäres Leiden als eine ernste Angelegenheit.

Selbstverständlich.

Aber es wurde nach und nach ernster.

Ja. Hilfreich waren billige 4-Spur-Rekorder und die revolutionäre Drum Machine, der Alesis HR 16. Eine Drum Machine ist wie eine Schreibmaschine für einen Songwriter: Ich konnte mit meinen sehr, sehr beschissenen Gitarre-, Bass- und Drum-Programmier-Fähigkeiten Demos aufnehmen und dann zu Musikern gehen und sagen: „Spielt das, bitches!“

Und nach deinem Schulabschluss?

Ging ich an die örtliche Uni. Das war ein bisschen demütigend für mich, weil die meisten meiner Freunde auf sehr prestigeträchtige Universitäten gingen. Die Universität kann ein sehr entscheidendes Stadium im amerikanischen Erwachsenenleben sein: Viele Leute treffen dort ihre Ehepartner und schmieden soziale Kontakte, die ihre Karrieren beschleunigen. Mein Vater war Professor an einem kleinen College. Es kostete nichts, aber ich hatte keinen Draht zu den anderen StudentInnen, weil sie nicht so wissbegierig waren – und viele waren sehr religiös. Außerdem lebte ich noch zuhause und fuhr jeden Tag zur Uni. Was mein Leben auf einer emotionalen Ebene gerettet hat, war die Freundschaft zu einem Musikhändler, der zu einer Art Mentor wurde. Das war lange vor dem Internet, und dieser Typ hatte die Welt bereist und dabei sehr spannende Musik aufgeschnappt. So fühlte ich mich wieder besonders, weil ich all diese Musik nun auch kannte. Es fühlte sich an, als würde ich Geheimnisse entdecken.

Also hattest du deinen persönlichen High Fidelity-Moment? Wundervoll.

Ja, aber noch besser als das. Dieser Typ war eine Art Ethno-Musikologe. Das, was einer Art Gemeinschaft am nächsten kam, waren vielleicht die anderen StudentInnen, die sogenanntes College-Radio mochten. Aber dieser Typ wusste mehr und ging tiefer. Ich hatte also Insider-Informationen, die selbst die College-Radio-Leute nicht hatten. Ich habe mich richtig wichtig gefühlt! (lacht)

Ich kann verstehen, warum du sagst, die Freundschaft habe dein „Leben gerettet“. Als ich aufwuchs, gab es nur den örtlichen Plattenladen. Ich hab die meiste Zeit dort verbracht und (fast) mein ganzes Taschengeld für CDs ausgegeben. Hatte der Typ seinen eigenen, kleinen Laden, wo du nach dem Unterricht abhingst?

Nein, er lebte in Kalifornien, und die Freundschaft fand hauptsächlich über Briefe und Telefongespräche statt. Er hat mich ermutigt, nach Europa zu gehen, und gab mir ein Büchlein voller Adressen von Songwritern und MusikerInnen, die ich treffen sollte. Es hat wirklich mein Leben verändert und meinen Wunsch zementiert, professioneller Songwriter werden zu wollen. Ich brauchte allerdings Jahre um zu verstehen, dass dieser Mensch unter geringem Selbstbewusstsein litt. Für ihn waren KünstlerInnen Götter. Er konnte nie einer sein und ich, seiner Logik nach, auch nicht. Es hat Jahre gebraucht, bis ich dieses Problem verstand. Es gibt sogar eine Dokumentation über Plattensammler, die sich mit dieser Art Persönlichkeit auseinandersetzt. Aber natürlich waren Plattenläden auch für mich tolle Orte, um Informationen auszutauschen. Traurigerweise sind die meisten Leute, die dort arbeiten, sehr frustrierte Menschen. Das gleiche gilt für Buchläden. Als ich auf dem Friedhof arbeitete, hatte ich eine Menge Zeit, darüber nachzudenken.

Du hast auf einem Friedhof gearbeitet?

Als ich 33 war, ja. Ich war zur gleichen Zeit Samenspender.

Das nach war dem College?

Ja. Ich bin nach Frankreich gegangen, während ich studierte, und kam zurück, um zu Hause zu leben. Dann zog ich nach Seattle und dann nach Portland, mit dem Vorhaben, nach Japan zu ziehen, blieb aber zehn Jahre in Portland. Da habe ich auch meine Obsession für brasilianische Musik entdeckt. Also bin ich nach Brasilien gegangen, habe als Lehrer gearbeitet, um Geld zu verdienen. Nach achtzehn Monaten kehrte ich für kurze Zeit nach Portland zurück, um dann schließlich nach Japan zu gehen. Während ich dort war, kristallisierte sich der Wunsch heraus, gleichzeitig zu unterrichten und Musik zu machen – wie mein Vater, auf gewisse Weise. Nach drei Jahren kam ich nach New York City, wo ich meinen Master und eine Lehr-Erlaubnis machte.

Als wir uns 2011 kennenlernten, hattest du zwei Bücher geschrieben. Bisher haben wir uns auf deine Arbeit als Songwriter und Musiker fokussiert. Betrachtest du dich noch als Autor?

Ich glaube, die Bücher waren lediglich etwas, um die Einsamkeit in Japan und Brasilien abzuwehren, denn zu der Zeit schrieb ich sie. Ich halte Songs für meine Grundausdrucksform, aber davon zweigen andere Formen ab. Vielleicht hat die Tatsache, dass mein Vater ständig zuhause übte, die Vorstellung in meinen Kopf gebrannt, dass Musik immer zuerst kommt. Ich hatte Glück, nicht mit der Vorstellung aufzuwachsen, dass eine Karriere im Bereich Musik dasselbe bedeutet, wie Filmstar zu sein oder sonst so etwas Unreifes. Ich hatte meinen Vater als professionellen Mittelklasse-Musiker zum Vorbild. Und bis heute kommt Musik zuerst. Ich meine, ich bin ein 49-jähriger, strugglender Typ mit Herpes. Wie schaffe ich es, dass meine Musik wahrgenommen wird? Als ich in meinen 30ern in Portland war, habe ich Songs zusammengeschraubt und zwei Rock-Theaterstücke gemacht. Die wurden okay aufgenommen. Aber ich wurde ungeduldig mit der Mentalität in Portland, also musste ich da weg. Aber ich bin in Freund der Wagnerschen Idee des „Gesamtkunstwerks“. Diese beiden Stücke zu schreiben und auf die Bühne zu bringen, das waren die größten Momente von Nervenkitzel meines Lebens. Ich arbeite gerade an einem neuen, werde aber auch weiterhin alleine und mit Bands auftreten. Alles, während ich als Lehrer arbeite. Aber was soll man sonst mit seinem Leben anfangen? (lacht)

Du arbeitest im Bereich Erwachsenenbildung, oder?

Nein, nicht mehr. Das habe ich lange. Im Moment unterrichte ich Teenager in der South Bronx. Die letzten Jahre habe ich, auch in der South Bronx, mit Erwachsenen gearbeitet, die ein Äquivalent zum Highschool-Abschluss brauchten. Viele von denen kamen gerade aus dem Gefängnis oder aus Entzugskliniken. Ihre Geschichten waren faszinierend, und allgemein wissen Menschen in solchen Situationen besonders zu schätzen, was du tust. Du hast nie auch nur einen schlechten Tag auf der Arbeit, weil du genau weißt, dass du jemandem geholfen hast. Aber meine versteckte Agenda war und ist immer das Schreiben. Ich halte es nicht für besonders interessant, in einer Mittelklassefamilie aufzuwachsen, ich brauche also kontinuierlich Inspiration. Ich habe Jobs immer dazu benutzt, mich in interessante Situationen zu bringen, um Schreib-Erfahrungen zu stimulieren. Das war allerdings nicht immer Teil einer brillanten Strategie.

Aber es war der Grund für Jobs wie den auf dem Friedhof?

Ja. Wenn du mit Liebe und materieller Sicherheit aufwächst, bist du vor den meisten Schrecken der Welt geschützt. Es kam mir daher immer natürlich vor, andere Umstände zu erforschen. Es fiel mir schwer, meine Highschool-MitschülerInnen zu verstehen, die sofort eine Familie gründen wollten.

Gab es noch andere solche Jobs? Jobs, die du benutzt hast, um zu recherchieren?

Als ich in Frankreich war, bin ich mit einem Schild auf dem Rücken durch die Stadt gelaufen. In Japan habe ich mal mit dem Gedanken gespielt, Fake-Priester zu werden, um Hochzeitszeremonien zu leiten. Ich war und bin immer auf der Suche nach Ideen. Für mich hat es so was von „eine Hand wäscht die andere“. Dadurch, dass ich Menschen helfe, fühlt sich meine Arbeit weniger solipsistisch an.

Und du sagtest ja eingangs, dass du damit beide Berufe deiner Eltern kombinieren könnest: Die Musik deines Vaters und das Menschen-Helfen deiner Krankenschwester-Mutter.

Ja! Im Moment arbeite ich Teilzeit, helfe Menschen direkt, und habe noch Energie übrig, um Kunst zu machen. Es fühlt sich wie eine gesunde Balance an. Aber ob Voll- oder Teilzeit, wenn es um Kunst geht, solltest du deine bestmögliche Arbeit abliefern, denke ich – und nie aufhören zu lernen, zu lesen, Kollaborationen zu machen und zu reisen. In einem guten Flow sein. Wir leben in einer Zeit, in der wir alle Zugang zu mächtigen Werkzeugen haben. Es ist großartig, dass jeder seine Kreativität ausleben kann. Als ich geboren wurde, gab es nur halb so viele Menschen auf der Welt wie jetzt. Dem muss ich meine Ambitionen anpassen.

Und das macht dir keine Angst?

Ich nehme die Herausforderung an. Mal vom Fame abgesehen: Wenn ich eine Show spielen will, muss ich einen Veranstalter überzeugen, mich zu buchen. Damit sie mich wieder einladen, müssen sie beim ersten Auftritt genug Bier verkaufen. Es gibt Tausende talentierter Leute in New York City. Und ich nehme die Herausforderung an. Aber ich mache das, indem ich mich mit KünstlerInnen, die ich respektiere, anfreunde und Allianzen schmiede. Ich arbeite mit ihnen zusammen. Diese Strategie habe ich von einer brasilianischen Musikerin gelernt. Du musst dich mit einer Community, die wertschätzt, was du zu sagen hast, verbinden. Und du, ich, meine brasilianische Freundin – wir haben alle etwas Wichtiges zu sagen. Sie hat vielleicht fünfhundert Songs geschrieben, aber verdient nur sehr begrenzt mit Songwriting Geld. Sie lebt von ihrer Arbeit als Gesangslehrerin. Aber ihr Kreis von KünstlerInnen arbeitet fortwährend zusammen. Sie probieren immer wieder neue Sachen aus, recherchieren, üben. Ihre Arbeit wird geschätzt und sie gibt nie auf. Und ich genauso wenig. Auch wenn es bis heute sexuelle Frustration ist.

Sexuelle Frustration spielt eine Rolle für dich als Künstler?

Sicher. Ich glaube, das meiste von dem, was wir tun, ist simples Säugetier-Verhalten. Oder tierisches Verhalten. Wir sind Pfauen. Oder Widder, die mit den Hörnern zusammenstoßen.

Künstlerische Ausdruck, nur um flachgelegt zu werden? Ist das nicht ein bisschen einfach gedacht?

Auf eine gewisse Weise sagen wir alle: „Bitte seht mich an.“

Okay, die Suche nach Aufmerksamkeit ist es auf jeden Fall.

Wir sehnen uns nach Zustimmung, genau. Ich war vor ein paar Jahren auf einem Konzert von Meredith Monk. Sie war damals in ihren späten Sechzigern, aber der Blick, den sie dem Publikum nach einem Stück auf dem Klavier zuwarf, war wahrscheinlich derselbe Blick, mit dem sie ihre Eltern anschaute, als sie sechs Jahre alt war. Es war so eine Art selbstzufriedenes Lächeln und zur gleichen Zeit schien es, als suche sie ihre Mutter im Zuschauerraum. Das kannst du bei jedem Schulkonzert beobachten. Ich habe so etwas gespürt, als mein Vater vor fünf Jahren starb. Es fühlte sich an, als habe ich mein Publikum verloren. Diese bedingungslose Liebe meiner Eltern war jahrelang wie eine Sauerstoffflasche für meine Ambitionen. Ich hatte das auf eine Weise bereits verstanden, richtig gefühlt aber habe ich es erst, als mein Vater starb.

Also geht es nicht um sexuelle Frustration, sondern um das Bedürfnis nach Bestätigung.

Ist das nicht dasselbe?

Würde ich nicht sagen. Obwohl man natürlich argumentieren könnte, dass wir in allem, was wir tun, nach Anerkennung und Bestätigung suchen: Ob es ein Roman oder ein Album ist, ob es eine sanfte Umarmung, ein Kuss oder Sex ist. Die Rückkehr in die Arme unserer Eltern, die uns lieben und beschützen, egal was passiert.

Die Liebe unserer Eltern oder einer Frau. Es ist dasselbe Bedürfnis, begehrt zu werden. Ich habe einen entfernten Verwandten. Der ist Anfang 30 und vor etwa zwei Jahren nach New York City gezogen, um Comedian zu werden. In dem Alter versuchst du verzweifelt, die Wünsche deiner Eltern mit deinen eigenen in Einklang zu bringen. Deine Eltern sind deine Banker, und du musst dafür sorgen, dass sie happy sind. Der arme Kerl versucht also, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen seinen eigenen Vorstellungen und all den Vorstellungen davon, wie er zu sein hat. Er ist nicht an dem Punkt zu sagen: „Ich will das auch machen, selbst wenn ich nie berühmt oder erfolgreich werde.“

Ich war vor einem Jahr mitten in diesem Prozess: Ich war 34, war gerade aus meinem Comedy-Duo, von dem ich leben konnte, ausgestiegen – was nach wie vor die richtige Entscheidung war –, aber ich wusste ums Verrecken nicht, was ich als Nächstes tun sollte. Ich wusste nicht, ob ich in Berlin bleiben und was genau ich arbeiten sollte. Schließlich zog ich in die Kleinstadt zurück, in der ich geboren wurde, wo ich in Teilzeit arbeiten und den Rest der Zeit weiter Kunst machen, Geschichten, Bücher und Songs schreiben wollte. Der Plan hat nicht in allen Teilen funktioniert: Ich muss kleine Scheißjobs machen, es ist immer noch ein struggle, bis heute. Es macht mir Angst, aber vielleicht ist es auch nötig. Ich habe das Gefühl, ich lerne etwas über mich: Was ich wirklich will. Und wie ich das tun will. Dass Künstler zu sein in den meisten Fällen zu akzeptieren bedeutet, dass es nie den großen Erfolg oder tonnenweise Kohle geben wird. Aber das heißt nicht, dass man damit aufhören sollte. Eher das Gegenteil: Du solltest es tun – weil es das ist, was du tun willst, mit jeder Faser deines Körpers.

Absolut. Ich habe Jahre gebraucht, um meine Ambitionen vollständig zu akzeptieren. Ich habe mich erst in meinen späten 30ern „geoutet“ und gesagt: „Das ist, was ich bin.“ Ich glaube, ich habe ein stabiles häusliches Leben – eine Frau und Kinder, ein Haus – geopfert, um meine Ziele zu verfolgen und jeden Penny, den ich habe und mehr in Studiozeit und das Veröffentlichen von Alben zu investieren. Man muss Entscheidungen treffen, und diese Entscheidungen haben Konsequenzen, soziale Marginalisierung eingeschlossen. Ich habe zwar keine Lust auf Kompromisse – „Warum suchst du dir keinen sicheren Job als Musiklehrer?“ –, will dabei aber auch nicht bankrott gehen. Was Songwriting angeht, kann man wenigstens so weit reduzieren, mit einer Gitarre in den Händen Straßenmusik zu machen.

Das klingt nicht so, als habest du Momente des Zweifels. Oder gibt es die?

Klar, natürlich.

Und wie gehst du damit um?

Indem ich Interviews mit meinen Lieblingsautoren lese. Indem ich übe: Über alles, was wir tun, können wir mehr lernen. Indem ich Freunden, deren Meinung ich schätze, meine Arbeit zeige. Am Ende ist es ein kollaborativer Prozess, selbst wenn es nur du und deine Gitarre sind. Ich bin nicht an Geld interessiert. Was mir Freude macht, ist nicht besonders teuer, selbst reisen kann man günstig. Ich habe lieber mehr Zeit. Ich folge diesem chinesischen Sprichwort: „Kühn planen, vorsichtig umsetzen.“ Und es gibt ein weiteres tolles Zitat, mein Lieblingszitat, um genau zu sein. Es stammt vom französischen Philosophen Alain Badiou, aus dem Buch Philosophy in the present von 2010, das er zusammen mit Slavoj Žižek geschrieben hat:

„The most profound philosophical concepts tell us something like this: ‘If you want your life to have some meaning, you must accept the event, you must remain at a distance from power, and you must be firm in your decision.’ Understood in this way, and only in this way, philosophy really is that which helps existence to be changed.“

Ich habe Freude daran, mit anderen KünstlerInnen zusammenzuarbeiten, ich schätze ihre Ausbildung und zahle ihnen, was ich kann. Ich habe keinerlei finanzielle Rücklagen. Aber noch mal: Ich mache das nicht des Geldes wegen, sondern weil es einen Sinn hat. Am Ende findet man immer wieder Leute, die einen verstehen. Mein einziger Wunsch ist, die bestmögliche Arbeit zu machen.

Bob Gaulke auf Soundcloud.

Interview with Bob Gaulke (musician and writer)

Making art – of course. But making a living? In Make a living, Martin Spieß meets artists at the periphery of big success. Where there’s not a lot of money, but lots of passion. Today he talks to Bob Gaulke, 49, a teacher and social worker living in the North Bronx. He writes, sings, and plays whenever he can and is currently threatening to stage a funk rock subway musical.

You’re not originally from New York City, are you?

No, I was born in Rochester, NY, where I also went to school. My father was a classical musician and music education professor, my mother was a nurse from Iran. I’ve often felt like I’ve tried to navigate my life between their two identities: I feel most comfortable when I’m dividing my time professionally between helping others and doing creative work – and living in interesting places.

So your father was responsible for you becoming a musician. But you’re also a writer – where did that come from?

I’ve always felt drawn to poetry. Perhaps that’s from my mother’s side. There’s a strong Iranian tradition of poetry. And my parents always encouraged reading. I was ahead of my classmates in this.

When did reading turn into writing? Or listening to music into making it, songwriting, performing?

It was a process that happened between adolescence and late twenties. Of course, there are few children in the world who do not want to be The Beatles after they hear them. (laughs) It was a process of trial and error. My father bought me a bass guitar when I was 16 and signed me up for lessons. I hated my teacher, but I just kept noodling on the bass. Then I tried answering ads in the paper for bassists without knowing a single scale. They were very humiliating experiences. I tried starting rock groups with non-musical high school friends. MTV had just arrived, and at that age, you’re drawn to flashy pop. It was the era of Adam Ant and Boy George and Scritti Politti. But then you meet dozens of other kids at concerts with the same ambitions and you have an identity crisis realizing: “Wait. I’m not special at all.” I guess the English music press inspired us. It was full of posers in heavy make up and new romantic clothes who couldn’t play their instruments. One summer, I traveled with my parents and my friend to NYC and bought clothes at the “new wave” boutiques and felt really special – then I realized I wasn’t later.

So at that time it was more suffering from puberty than it was serious business.

Of course.

But it turned to being serious step by step.

Yes. What helped at that stage were cheap 4-tracks and the revolutionary drum machine, the Alesis HR 16. A drum machine is a typewriter for a songwriter: I could make demos with my very, very shitty guitar and bass playing and drum programming and then go to musicians and say: “Bitches, play this.”

And after school?

I went to college locally. It was a bit humiliating for me because most of my friends went to very prestigious universities. University can be one of the most critical stages in American adult life: many people meet their spouses and make social links that launch their careers. My father was the professor at a small college. The school was free, but I didn’t connect with the other students, because they weren’t very intellectually curious and many of them were very religious. Also, I lived at home and drove to school daily. What really saved my life emotionally was making a friendship with a music retailer who became a mentor for me. This was before the Internet and this guy had traveled the world and found really interesting stuff. I felt special again knowing this music. It felt like I was discovering secrets.

So you had your own personal High Fidelity moment? Wonderful.

Yes, but better than that. This guy was really an ethnomusicologist of sorts. The closest I could feel a community with was perhaps other students who liked what was known then as college radio. But this guy knew more and went deeper. So I had “inside information” that even the college radio people didn’t know. I felt really fucking special! (laughs)

I get why you would say “saved my life”. When I grew up all I had was the local record store. I spent most of my time there and spent most (or all?) of my money buying records. Did this guy have his own little store where you used to hang out after class?

No, he lived in California and the friendship was mostly through the mail and over the phone. He encouraged me to go to Europe and gave me a book full of addresses of songwriters and musicians to meet. It really changed my life and cemented my will to pursue songwriting professionally. However it took me years to understand that this guy suffered from low self-esteem. To him artists were gods. He could never be one, and by extension, neither could I. It took me years to untangle this problem. There’s a documentary on record collectors that explores this sort of personality type deeper. But of course, record stores were great places to exchange information. Unfortunately many of the people who work in them are very frustrated people. It’s the same with bookstores. When I worked in the cemetery, I had a long time to think about this.

You worked in a cemetery?

Yes, when I was 33 or so. I was a sperm donor at the same time.

That was after college?

Yes. I went to France while I was in college, and returned to live at home. I moved to Seattle, then Portland, intending to move to Japan, but staying in Portland for ten years. There I became obsessed with Brazilian music. So I went to live in Brazil and started teaching to make money. After 18 months I returned to Portland briefly and then finally went to Japan. While in Japan, I really concretized the desire to teach and do music at the same time – like my father in a way. After three years, I finally came to NYC where I got my master’s and a teaching certification.

When I got to know you in 2011, you had written two books. Up until now we focused on you being a songwriter and musician. Do you still consider yourself a writer?

I guess the books were just something I did to stave off the loneliness in Japan and Brazil, because that’s when I wrote them. I think of songs as my basic form, but it branches out from there. Perhaps having the example of a father constantly practicing at home stuck it into my head that music came first. I’m lucky in that sense that for most people, the idea of a career in music seems like wanting to be a movie star, or something immature. But I had that example of a professional middle class musician in the form of my father. And to this day music comes first, even if it’s hard. On a practical level, I’m a 49 year old struggling guy with herpes. How do I get my shit noticed? When I was in my 30s, in Portland, I started putting songs together and staged two rock theatre pieces. They were reasonably well-received. But I got impatient with the culture of Portland and needed to leave that place, but I agree with the Wagnerian idea of “Gesamtkunstwerk”. Writing and staging those two pieces were the greatest thrills of my life. I’m writing a new one now, but I will continue performing solo and doing bands. All while working full-time. But what else should one do with life? (laughs)

You work teaching adults, right?

No, not anymore. I did that for some time. Right now, I’m teaching teenage kids in the Bronx. But for the last few years I have worked with adults in the South Bronx who need a high school equivalency degree. Many of them are just out of prison or drug treatment programs. Their stories are fascinating and people in these situations always appreciate what you do. You never have a bad day at work because you have no doubt that you’ve helped someone. But the hidden agenda always is the writing. I don’t consider growing up as a middle class kid very interesting, so there is a constant need for inspiration. I’ve always used jobs as a way of putting myself in interesting situations to stimulate writing experiences. I can’t say this was always a part of a brilliant strategy.

But it was the reason for jobs like the cemetery?

Yes. When you grow up with love and material security, you have a lot of defenses against the horrors of the world. So it would always seem natural to me to explore other states. I found it harder to understand my high school classmates who immediately wanted to establish a family.

Were there any other jobs like that? Jobs you used to do research?

When I was in France, I walked around the city with a sign on my back. In Japan, I seriously considered becoming a fake priest to do wedding services. I was and am always looking for story ideas. I think of it as “one for you, one for me”: It makes doing my own work feel less solipsistic.

And as you said at the start it combines both your parents’ jobs: your father’s music and your mother’s being a nurse, helping people.

Yes! I would love to cut back to part-time, helping people directly, then having the energy to do my art. It feels like a sane balance. But full-time or part-time, when it comes to art I feel you should just do the best work you are capable of and never stop learning, reading, collaborating and traveling. Being in a good flow. We’re in a new age where we all have access to very powerful tools. It’s great that everyone can explore creativity. There are twice as many people in the world today than when I was born. I have to adjust my ambitions for this.

That doesn’t scare you?

I accept the challenge. Short of fame, if I want to play a show, I have to convince a place to have me. They have to sell beer if I am to be asked to return. There are thousands of talented people in New York City. And I accept the challenge. But I will approach it in forming friendships and alliances with other artists I respect. I will collaborate with them. This is a strategy I’ve learned from a Brazilian musician. You have to connect with a community that values what you have to say. And you, me, my Brazilian friend – we all have something important to say. She has written five hundred songs or so, but receives just a limited amount of income from writing. She makes a living as a vocal teacher and coach. But her circle of artists collaborates incessantly. They’re always trying new things, researching, studying. Her work is respected and she never gives up. And neither do I. Even if to this day it continues to be sexual frustration.

Really? Does sexual frustration play a role in your being an artist?

Sure. I think most of what we do is simple mammalian behavior. Or animal behavior. We’re peacocks. Or rams butting heads.

Artistic expression just because you want to get laid? Isn’t that a little simplistic?

On some level, we’re all saying: “Please look at me.”

Okay, seeking attention, that I get.

We’re looking for approval, yes. I saw a concert of Meredith Monk a few years ago. She was in her late sixties then, yet the look she gave the audience after performing a piece on the piano was probably the same look she gave her parents when she was six years old. It was a certain sort of self-satisfying smile and at the same time it seemed as if she was looking for her mom in the audience. It’s what you can see at every single student recital. I really felt some of this myself when my father died three years ago. I felt like I lost my audience. This unconditional love that my parents gave me was like an oxygen tank for my ambitions for years. I understood this on some level, but didn’t feel it fully until my father died.

So it’s not sexual frustration, it’s rather a need for approval.

Aren’t they the same thing?

I wouldn’t say so. Although one could argue that in whatever we do we search for attention, for approval: be it a novel or an album, be it a tender embrace, a kiss or sex. Getting back to the arms of our parents who love us, protect us, no matter what.

The love of our parents or the love of a woman: it is the same need of wanting to be desired. I just met a distant relative of mine. He’s in his early thirties and moved to NYC some time to become a professional comedian. At that age, you’re desperately trying to reconcile your parents’ wishes with your own. They’re your bankers and you must keep them happy. So the poor guy is earnestly trying to balance everyone’s ideas of who he should be with his own. He’s not completely ready to say: “I still want to do this even if I never become famous or successful.”

I was in the middle of that process a year ago. I was 34, I just quit my bill paying comedy duo – which I still know was the right decision – and yet, for the life of me, I didn’t know what to do next. I didn’t know if I wanted to stay in Berlin, and what exactly I was going to work. I ultimately moved back to the small town in the countryside, where I grew up, and my plan was to work part time to pay the bills and continue to make art, to write stories, books and songs. That plan didn’t work in all aspects: I have to work small shitty jobs, I still struggle, up to this day. It’s scary, but necessary somehow. I feel like I am learning something about myself: what I really want. And how I want to do it. That being an artist in most cases means accepting that there is never going to be big success or tons of money. But that doesn’t mean that you should stop doing it. Actually, quite the contrary: You should do it – because it is what you want to do with every fiber of your being.

Absolutely. It’s taken me years to fully accept my own ambitions. I’ve only been “out of the closet” since my late thirties in terms of standing up and saying: “This is what I am.” I guess I’ve sacrificed a stable domestic situation – a wife and kids, a house – in following my ambitions to the degree that I use every penny I have and more to pay for things like studio time or putting out records. One has to make choices and these choices have consequences, including social marginalization. At the same time, I have no interest in compromising what I do – “Why don’t you get a secure job working as a music teacher?” –, but seek to work in a way that won’t leave me bankrupt. At least with songwriting, you can always simplify down to playing your guitar in the street.

That doesn’t sound like you have moments of doubt. Or do you?

Sure, of course.

How do you deal with them?

By reading interviews with my favorite writers. By practicing. Everything we want to do, we can learn more about. By running things by friends whose opinions I trust. It’s ultimately a collaborative process, even if it’s just you alone with a guitar. I’m not interested in money. My pleasures aren’t that expensive, even travel can be done cheaply. I’d rather have more time. I follow the Chinese proverb: “Strategize boldly, implement cautiously”. And there’s another great quote, my favorite, to be exact. It’s from French philosopher Alain Badiou, out of the book “Philosophy in the present” from 2010, that he wrote with Slavoj Žižek:

“The most profound philosophical concepts tell us something like this: ‘If you want your life to have some meaning, you must accept the event, you must remain at a distance from power, and you must be firm in your decision.’ Understood in this way, and only in this way, philosophy really is that which helps existence to be changed.”

I enjoy collaborating with other artists, and I respect their training and pay them what I can afford. I have no savings to speak of. But again, I’m not in it for the money but for the meaning. Ultimately, you find the people who get you. My only desire is to do the best work I can.

Listen to Bob Gaulke on Soundcloud.

Bildquellen

  • Bob Gaulke (Photocredit Carol Caffé): Foto: Carol Caffé