Es riecht nach jugendlichem Genius

Ein bisschen gemein ist es ja schon, das Debüt von den Giant Rooks. Da kommen diese fünf Jungspunde Anfang 20 aus der westfälischen Provinz und nehmen mit Rookery einfach mal ein schier unfassbar großes Indie-Pop-Album auf. Martin Spieß hat es gehört – und ist begeistert.

Man weiß – und das ist wirklich keine Floskel – gar nicht, wo man anfangen soll mit dem Lob. Rookery, das Debüt der Giant Rooks, ist gleichzeitig rasant, reduziert und brillant bombastisch, es ist minimalistisch, aber nicht dünn, und verspielt, ohne (allzu) verfrickelt zu sein. Und wenn Sänger Frederik Rabe, der über Gott weiß wie viele Oktaven verfügt, über das immer etwas hallige Instrumental seiner Band singt und dabei mal klingt wie ein bassiger Woodkid und mal wie ein falsettiger Justin Vernon: Da kann man schon mal neidisch werden.

An Ersteren muss man dann auch gleich im Opener The Birth of Worlds denken, der nur mit tiefen Vocals startet, zu denen sich ein elegisches Klavier gesellt. Keine dreißig Sekunden sind vergangen, als ein Iron-typisches Instrumental losbricht. „We are alone and always will be“, singt Rabe, aber allein oder gar melancholisch fühlt man sich während und nach diesem Song nicht, mitnichten.

Von Indie zu Auto-Tune

„What do you hope for, most of all?“ fragt Rabe im zweiten Song Watershed, der im Gegensatz zu den nachdenklichen Lyrics so beschwingt klingt, als wären Mumford & Sons vom Folk zum Indie gewechselt.

Auch in Song Nummer vier Very Soon, You’ll See sind die Lyrics eher düster, wenn Rabe singt: „Why the hell we’re here together, I don’t know“ Musikalisch aber scheint die Sonne, das Verdeck ist runtergelassen und in der Kühlbox auf dem Rücksitz kühlt das Craftbeer vor.

Und im Closer Into Your Arms heißt es dann: „Oh, I want to fall into your arms / where I can hide till kingdom come“ Wo der Gesang zwischen Bariton und Falsett changiert, kommt irgendwann Auto-Tune zum Einsatz und die Band klingt plötzlich beinahe wie ein Westcoast-Hip-Hop-Beat. Das muss man sich als Indieband auch erstmal trauen.

Keine großen Gauner

Ganz allgemein trauen sich Rabe und seine Bandkollegen Luca Göttner (Bass), Finn Schwieters (Gitarre), Finn Thomas (Schlagzeug) und Jonathan Wischniowski (Keyboard) auf Rookery eine ganze Menge. Sie treiben wie die Klaxons und die Foals, drehen auf wie Woodkid, frickeln wie Alt-J und liefern tanzbare, (fast so) fantastische Ohrwürmer wie The Wombats. Die können sie übrigens genauso gut wie elegische Balladen.

Dabei klingen die Giant Rooks anders als ihr Bandname suggerieren könnte (giant rooks = große Gauner) nicht uninspiriert oder gar wie billige Kopisten. Ihr Sound hat zwar überall Anleihen und Anspielungen auf Indie- und Alternative-Größen, aber die fünf Wahlberliner haben wahrscheinlich einfach viel Zeit in Plattenläden verbracht – was man eben so macht als Jugendliche in der westfälischen Provinz. Und aus dieser musikalischen Sozialisation ist etwas entstanden, was vor ihnen nur wenige andere Bands hinbekommen haben: einen internationalen Indierock-Sound, trotz deutscher Wurzeln.

Gefüllte Hallen, ohne Album

Das von fünf Dudes Anfang 20, das ist so erstaunlich wie bewundernswert, aber irgendwie auch … frech. Es wird einem ganz anders, denkt man dann auch noch daran, wie jung sie waren, als sie sich 2015 gründeten, welche Art Hallen sie (ohne ein Album!) vollmachen, wie viele Plays sie auf Spotify (monatlich siebenstellig) und YouTube (meistgeklicktes Video: 2,6 Millionen Aufrufe), wie viele Shows sie in den letzten Jahren gespielt und dass sie eine 1LIVE-Krone gewonnen haben.

Andererseits ist Rookery so grandios, dass es ein verdammt wirksames Medikament abgibt, gegen die Wehmut, die einen packt, wenn man darüber nachdenkt, dass man in dem Alter nicht so einen Meilenstein von Pop-Album hingelegt hat. Profi-Tipp: Press play, then repeat.

Bildquellen

  • Giant-Rooks-Rookery: Albumcover
  • giant-rooks-2020: Foto: Joseph Kadow