Finger weg von meinem Truck
Breland hat sein Debütalbum Cross Country veröffentlicht. Martin Spieß hat es gehört.
Ein bärtiger Mann mit Bluejeans und Cowboyhut sitzt auf der Ladefläche eines Pickups und starrt ins Nichts. Der Wind pfeift, die Sonne spiegelt sich in der Kamera. Schnitt. Rauchschwaden wabern durchs Bild. Er läuft auf die Kamera zu und singt, untermalt von einer gezupften Country-Gitarre. Doch ehe die Hook vollendet ist, wird er von einem jungen Schwarzen aus dem Bild geschubst, ein Hip-Hop-Beat setzt ein und Breland – so heißt der schwarze Künstler – singt: „Don’t touch my truck.“
So beginnt Brelands erste Single My Truck, unter dem YouTube-Video hat er einen Kommentar angepinnt, der lautet: „How many of y’all did I trick with the intro? 😂 😂 😂“
So ziemlich alle, könnte man meinen.
Wunderbar doppeldeutiger Albumtitel
Das war Anfang 2020. My Truck hat bei YouTube mittlerweile 69 Millionen Views. Jetzt ist Brelands Debütalbum erschienen, das den wunderbar doppeldeutigen Titel Cross Country trägt.
Allerdings hintergeht Breland Country nicht, er huldigt dem Genre, und man ist geneigt, es genial zu nennen, wie er Hip Hop, Soul und RnB mit einer Musik vermengt, die man eher mit weißen Männern assoziiert, die Bärte, Hüte und Cowboyboots tragen. (Deshalb das Intro von My Truck, logo.) Die Songs County Line und Thick klingen nach Hip Hop von der Westcoast, gespickt mit weinenden E-Gitarren, die man sonst nur über die Prärie hallen hört.
Das Album wartet aber auch mit klassischem Country auf: Gleich der Opener Here For It hat in seiner Leichtigkeit beinahe etwas von Shania Twain. Natural erzählt unterlegt von ZZ-Top-E-Gitarre von einem Mädchen vom Land, die Ballade For What It’s Worth arbeitet mit akustischer Gitarre, halliger Slide-Guitar und rockigem Refrain. Und in Alone at the Ranch singt Breland mit souliger Falsettstimme davon, wie er nach zwölf Stunden Arbeit seine Stiefel auszieht, die Tür zur Ranch zumacht und mit seinem Baby Liebe macht. Am nächsten Morgen: Texas breakfast.
Die Featuregäste geben sich die Klinke in die Hand
Ausgerechnet bei Throw It Back, dem Song, der am wenigsten nach Country und vielmehr nach Club-Hip-Hop klingt, ist Country-Legende Keith Urban Featuregast und kommentiert dann bei YouTube auch munter unters Musikvideo zum Song „My brother from another mother !!! I LOVE creating with you Breland ! So stoked this one is finally out 🔥“
Allgemein geben sich die Featuregäste auf dem Album die Klinke in die Hand: Ingrid Andress und Thomas Rhett sowie die afroamerikanische Countrysängerin Mickey Guyton.
Dass sich eins der weißesten Musik-Genres langsam öffnet, das allein schon stimmt optimistisch. Wenn dabei dann auch noch Songs wie My Truck, Throw It Back oder Thick herauskommen, kann man gar nicht so viele Cowboyhüte aufsetzen, wie man ziehen will.