Ein Haus, zwei Frauen und ein Pferd

Zwei Frauen – die Ich-Erzählerin Maja und ihre Nichte Cordelia – treffen in einer Wiener Nacht auf ein herr*innenloses Fiaker-Pferd und nehmen es kurzerhand mit in den Garten ihres Häuschens am Wiener Stadtrand. Das klingt erstmal wie der Beginn einer komischen Geschichte: Die Stute, die die beiden Isidora taufen, beginnt sogleich, Hecken und Rasen zu fressen und den Garten voll zu kacken. Und Maja und Cordelia geben sich alle Mühe, das Pferd vor ihren Nachbar*innen zu verbergen. Man will schließlich nicht (negativ) auffallen.

Absurde Situation normal erzählt

Schnell aber wird klar, dass diese kuriose Ausgangssituation nur den Beginn einer Geschichte markiert, in der es um viel mehr geht. In leichter, manchmal zarter Sprache, mit oft hintergründigem und subtilen Witz erzählt Volkmann die Geschichte einer absurden Situation, als wäre sie das genau nicht. Als wäre sie normal: Klar, was macht man schon, wenn man nachts ein herr*innenloses Pferd auf der Straße findet? Man nimmt es mit nach Hause und bringt es dort im Garten des Einfamilienhauses unter. Und Volkmann erzählt mit unaufgeregtem Sound von den Verwicklungen, die durch die Ankunft des Pferdes offengelegt werden.

Wollen Hunde nach Drogen suchen?

Denn es geht nicht nur um die Beziehung Mensch und Tier, sondern auch um die zwischen Mensch und Mensch: Zwischen Maja und Cordelia, zwischen Maja und der Nachbarsfamilie Kargl, die aus erfolgreichen Anwält*innen besteht, zwischen Maja und ihren Auftraggeber*innen, für sie die Texte transkribiert. Offene, versteckte und schwelende Konflikte – alles scheint vorhanden, überall scheint es zu kriseln oder zumindest nicht rund zu laufen. Alle scheinen irgendwie fehl am Platz – wie eine Stute im Garten eines Einfamilienhauses – oder sich zumindest nicht wohl in der eigenen Haut zu fühlen. Was ist mein Platz in der Welt? Wie will ich leben? Und wie wollen eigentlich Tiere leben? Wollen Tiere arbeiten? Wollen Hunde nach Drogen suchen, Kühe Milch geben, Pferde Kutschen ziehen und Schweine gefressen werden?

Rätselhaft und zauberisch

Jana Volkmanns Figuren arbeiten sich ohne Pathos und Affekt an diesen Themen ab, mäandern beim Finden von Wegen und Antworten durch eine Geschichte, bei der es am Ende (sorry, spoiler alert!) gleich zu mehreren Ausbrüchen kommt. Und wie (fast) immer in Volkmanns Büchern hat auch Der beste Tag seit langem etwas Rätselhaftes, Zauberisches, etwas Zwischenweltliches an sich – ohne, dass es pathetisch oder affektiert wird. Das muss ihr erstmal jemand nachmachen.

Jana Volkmann: Der beste Tag seit langem
Residenz Verlag, 2024
256 Seiten, 26 Euro

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  • jana-volkmann-autorin-journalistin-Foto-Alain-Barbero-scaled: Manfred Poor