Mad Men: In den Fesseln von Sterling Cooper

Matthew Weiners Mad Men endet nach sieben Staffeln. Was bleibt von AMCs 60s period-drama?

Nach sieben Staffeln endet nächste Woche Mad Men. AMCs Epochendrama schlug 2007 ein wie eine Bombe und das obwohl die Erzählung der Show vermutlich das Unaufgeregteste ist, dass im Fernsehen in den letzten Jahren gelaufen ist. Genau das prägte auch den Eindruck der Show im Anfang. Man verlegte sich darauf die – wirklich erwähnenswerte – Detailverliebtheit der Macher um Matthew Weiner zu lobpreisen. Rezensionen listeten all die sozialen, moralischen und gesundheitlichen Fehltritte der 60er Jahre die die Show so wundervoll sichtbar machte. Gesellschaftliche und technologische Errungenschaften die man heute vor lauter Selbstverständlichkeit schon nicht mal mehr wahrnimmt. Am stärksten durch symbolisiert durch das Telefon und all die Menschen die es beschäftigte. Im Anfang hatte das Zeigen dieser kleinen Unterschiede noch etwas Selbstzweckhaftes, etwa wenn Don Drapers Kinder in der zweite Folge Astronaut spielen und seine Tochter dabei eine Plastiktüte über dem Kopf trägt. Mutter Betty Draper nimmt der Tocher nicht besorgt die Tüte vom Kopf sondern ermahnt sie, dass die Kleider welche in der Tüte waren hoffentlich nicht auf dem Boden verteilt sind. Die Situation ist perfekt inszeniert um mit unserer Erwartung einer besorgten Mutter zu spielen, die dann aber doch nur um die frischgereinigten Kleider sorge hat. Glücklicherweise wurden solche forcierten Situationen weniger und Mad Men verließ sich auf das was es kann: Mäandern.

Dabei ist die Geschichte um Don Draper (Jon Hamm)– Madison Avenue Werber unserer Träume – nie wirklich langweilig. Drapers von vorne bis hinten langsam zersplitterndes Leben berstet für den Zuschauer in Zeitlupe. Auch wenn Don Draper immer das Zentrum der Erzählung bleibt leistet sich Weiner Staffeln lang nur eine Figur in seiner Umgebung zu fokussieren, dabei Don Draper aber nie aus den Augen zu verlieren. Jede von Weiners Figuren besitzt soviel Tiefe und Komplexität, dass Weiner es sich das leisten kann. Draper bleibt immer Dreh und Angelpunk der Geschichte, ist aber zweitweise auch nicht mehr als das. Er muss manchmal auf dem Rücksitz Platz nehmen während wir zusehen wie die neue Sekretärin Peggy Olson (Elisabeth Moss) sich zur Copywriterin hocharbeitet, seine Tochter vom Kind zum Teenager wird, Frauen und Schwarze sehr langsam Gesellschaftliche (weiße männliche) Anerkennung erfahren und seine Werbeagentur eine wirtschaftliche Achterbahnfahrt erlebt. Aber wir sind immer direkt dabei, wenn Don Drapers Leben immer verschrobener und schwieriger wird. Überdreht wirkt diese Leben selten, denn Don Draper ist ein Mann mit verschrobenen aber auch erwachsenen Problemen die sich in zwischenmenschlichen Lücken bewegen, also Räumen und Situationen für die wir keine etablierten Verhaltensweisen haben. Drapers zwischenmenschliche Ambivalenz macht ihn unnahbar und auch manchmal undurchschaubar. Weiner zeigt uns, dass Frauen dem Protypen des „handsome man“ zu Füßen liegen, aber bei näherer Betrachtung muss man erkennen, dass seine Affären und beiden Ehen niemals erfüllend sind. Seine Ehe mit dem Stepford-Wife Betty zerbricht ebenso an Untreue wie seine zweite. Drapers Undurchsichtigkeit ist nicht sein Ziel sondern nur Symptom seiner Suche nach sich selbst. Er weiß nicht wer er ist, er weiß nicht wer er war und er weiß nicht wer er sein wird. Die Aufarbeitung seines eigenes Lebens ist der eigentliche rote Faden der Show. Es ist als würde man jemandem zusehen der sein Gedächtnis langsam wiedererlangt.

Man kann es im besten Sinn meinen, wenn man sagt: Mad Men hat nur wenige Highlights. Es wird nur selten mit Cliffhangern erzählt, es gibt kaum dramatischen Tode und keine Mindfucks. Weiner setzt gerne dann an, wenn der Schreckmoment bereits geschehen ist. Wir können den Figuren nur zusehen wie sie die Folgen der Ereignisse um sie herum verarbeiten und deren Scherben zusammenkehren. Ein Suizid zieht mit Recht die gesamte Agentur in Mitleidenschaft. Don Drapers Affären haben folgen für alle Bereiche seines Lebens. Gesellschaftliche Veränderungen von außen verändern auch die Figuren in der Show und nicht nur die Auswahl der Schauspieler. Technologischer Fortschritt erschafft und beendet Karrieren. So überstrahlen die wenigen wirklichen Hightlights der Show das Mäandern des Rests massiv. Wenn Dons zweite Frau Megan den Popsong Zou Bi Zou Bi Zou auf Dons Geburtstagsparty zum besten gibt wird das zum Highlight einer Staffel nicht nur, weil Jessica Parés Performance grandios ist und ihrer Figur noch mehr Leben einhaucht, sondern auch weil dies nur wieder eine Facette Drapers beleuchtet: Er sitzt verschämt, fast angewiedert im Sessel und hofft, dass es bald vorbei ist. Dieses Vorgeführt werden liegt ihm nicht.

Bemerkenswert ist auch, dass Mad Men sich zwar liebevoll an Epochen orientiert, aber sich selten mit bestimmten Ereignissen aufhält. Einzig die Ermordung John F. Kennedys, Martin Luther Kings und die Mondlandung – zwei Ursünden des 20 Jahrhunderst und die – bis dato – größte Meisterleistung der Menschheit werden wirklich fokussiert und können ihre momentan-alltägliche Wirkung auf die Charaktere entfalten. Der Rest der Zeitgeschichte tritt nur stellvertretend auf. Sterling Cooper beginnt mit Farbfernsehen zu experimentieren, Interne Querelen entladen sich an der potentiellen Anschaffung eines Computers, die Agentur stellt erstmals schwarze Sekräterinnen ein. Wir sehen den Verlauf der 60er Jahre nur im Hintergrund vorbei ziehen. Daher kann Sterling Cooper auch niemals wirklich große Klienten bekommen, die Agentur muss eine kleine bleiben, damit die Fiktion der kleinen Werbeagentur in den 60ern erhalten bleiben kann und die Geschichte nicht zu fiktional wird.

Auch andere Sender haben sich nach Mad Men mit Epochen-Shows abgemüht aber mehr auch nicht. ABCs Pan-Am war ein großes Product-Placement für die Urmutter der amerikanischen Airlines und sollte den Lifestyle des Jet-Zeitalters illustrieren. Geworden ist daraus eine Stewardessen-Seifenoper mit Weltkriegstrauma. Die kanadische Show Bomb-Girls wollte den kanadischen Beitrag zum zweiten Weltkrieg dramatisieren und verlor nach zwei Staffeln.

Ob und wie Drapers suche nach sich selbst ein Ende finden wird, und ob er endlich einmal Ruhe findet oder doch noch einmal aus seinem Leben flieht erfahren wir noch. Wie Drapers Zukunft aussehen könnte zeigt übrigens der schöne Twitter-Account 80‘s Don Draper. Um der Geschichte willen ist zu hoffen, dass Draper sich weiter sucht aber der Figur zuliebe kann man nur sagen:

Gentlemen, I give you a toast. Here’s my hope that Don Draper will find his Shangri-La. Here’s my hope that we all find our Shangri-La.

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