Als Weltbürger zu Hause in Sachsen: Trotz, Mut und Menschlichkeit
Im Verlag mikrotext ist gerade der Band Als Weltbürger zu Hause in Sachsen erschienen. Martin Spieß hat ihn gelesen.
Auf die Frage, wie lange es noch dauere, bis die Menschen in Frieden miteinander leben würden, sagt Hussein Jinah: „Ich gebe nie auf.“ Es ist dies eine genauso verblüffende wie entmutigende Antwort, heißt es doch, dass es noch lange dauern wird – und dass es Resilienz braucht, um es bis dahin durchzuhalten.
Zusammen mit dem Berliner Journalisten Sebastian Christ hat Jinah gerade im Verlag mikrotext den Band Als Weltbürger zu Hause in Sachsen veröffentlicht. Darin erzählt er, wie er Ende der 50er Jahre auf einem britischen Dampfer geboren wurde, wie er in Tansania und während der Apartheid in Südafrika aufwuchs – in beiden Ländern machte er, noch als Junge, erste Erfahrungen mit Rassismus. Vor dem Fall der Berliner Mauer bekommt er ein Stipendium für ein Studium der Elektrotechnik in Dresden – einer Stadt, in der er bis heute lebt. Er erzählt davon, wie er schließlich zum Streetworker und Sozialarbeiter wurde, wie er der erste Pegida-Gegendemonstrant war und dass es nach wie vor Teile von Dresden gibt, die er nach Einbruch der Dunkelheit nicht betritt. Und er schließt immer wieder, dass er weiterkämpfe, dass er sich weiter starkmache für den Dialog, für Kommunikation, fürs Brückenbauen. Und er betont, dass Dresden trotz allem sein Zuhause sei.
Staub der Geschichte
Als Weltbürger zu Hause in Sachsen ist nicht nur eine Biographie oder ein politisches Pamphlet. Es ist beides, und das macht die Stärke des Buches aus: Jinah erzählt eindrücklich aus seinem Leben, von seinen Erfahrungen, von den Erlebnissen der Flüchtlinge, die er betreut – und gleichzeitig streut er historische Fakten ein, reflektiert Sarrazins Deutschland schafft sich ab, untersucht die Ursprünge von Pegida und AfD. Sein analytischer Verstand scheint dabei immer wieder genauso deutlich aus den Zeilen hervor wie sein Trotz und sein Mut, sodass man sich augenblicklich fragt, wie er das macht: Dort zu bleiben, wo ihm Menschen immer wieder sagen, er solle dahin gehen, wo er herkomme? Natürlich gibt es auch immer wieder Momente, in denen er sich fühlt, als sei er „gerade zum ersten Mal in die Stadt gekommen (…) wie der junge Hussein.“ Und dann stellt er sich Fragen nach seiner Identität: „Wer bin ich? Wo gehöre ich hin?“ Die Zweifel aber gewinnen nie die Oberhand, dazu ist Hussein Jinah zu sehr Weltbürger. An den – und an sein wunderbares Buch – wird man sich noch erinnern, wenn Pegida und AfD längst zum Staub der Geschichte geworden sind.
Hussein Jinah: Als Weltbürger zu Hause in Sachsen
mikrotext, 2019
88 Seiten, 11,99€. Auch als ebook erhältlich
Bildquellen
- cover-hussein-jinah-ichgebenieauf-mikrotext_2018-web: mikrotext