Manchmal fühlt es sich an, als bestünde die Welt nur noch aus Schlagzeilen. Als ginge es nur darum kurz Aufmerksamkeit zu erregen und dann weiterzuziehen. Länger möchte sich doch sowieso niemand mit einer einzigen Sache beschäftigen. Dafür schwirren zu viele Informationen ständig für jeden greifbar im Raum herum. Man klickt sich überall mal schnell durch und fertig.

Daher ist es eine ziemlich tollkühne Idee gerade auf YouTube – dem Zuhause des Durchklickens – einen Kanal ins Leben zu rufen, auf dem ausführliche, persönliche Gespräche geführt werden, in denen es tatsächlich um etwas geht. Bernhard Egger, Profimusiker und Moderator des YouTube-Kanals Auf dem Roten Stuhl tut aber genau das. Er führt mehr als halbstündige Interviews mit Musikern, Schauspielern und Kabarettisten aus Österreich und Deutschland und ist dabei nicht auf der Suche nach dem einen Strohfeuerskandälchen, dass man ausschlachten kann um die Klickzahlen in die Höhe zu treiben.

Auf den roten Stuhl dürfen nur Menschen, die Egger tatsächlich persönlich interessieren und von denen er glaubt, dass sie etwas zu erzählen haben. Das wird in jedem der Gespräche spürbar – zuerst für Eggers Interviewpartner und dann aber auch für die Zuschauer, die hier einfach mehr erfahren über die Sportfreunde Stiller, Josef Hader oder Marco Michael Wanda. Und schon so manches Mal passte die Auswahl der Gäste schicksalshaft in den Zeitgeist. So interviewte der gebürtige Österreicher, der seit Jahren in Niedersachsen lebt, zum Beispiel Conchita Wurst ganz kurz bevor sie beim Eurovision Song Contest den ersten Preis abräumte. Ohne Kalkül eher wie eine Belohnung für den richtigen Riecher kommt der Kanal so inzwischen auf insgesamt über eine Million Klicks und verdient noch einige mehr.

Und wer lieben hören möchte als sehen: Der Radiosender Radio Tonkuhle bringt die Interviewreihe jeden zweiten und dritten Sonntag im Monat um 16 Uhr.