Pop, ohne belanglos zu sein

Das Duo August August legt ihr Album Liebe in Zeiten des Neoliberalismus vor. Martin Spieß hat es gehört und ist begeistert.

Es gibt in Jerry Maguire, Cameron Crowes Footballstory mit Tom Cruise, den mittlerweile zur Legende gewordenen Satz: „Du hattest mich bei dem Hallo.“

August August: Lieder in Zeiten des Neoliberalismus, popUp Records

August August haben einen allein schon mit ihrem Bandnamen, der auf einer Figur aus einer Folge der Drei Fragezeichen beruht. Wäre die Musik des Indie-Duos nur so lala oder Mittelmaß, der Name machte es wett. Klar ist das ein affektiertes Hipster-Argument. Aber ihre Musik ist ja auch nicht nur so lala, sondern richtig gut.

Es fängt schon an mit dem Opener ihres zweiten Albums Liebe in Zeiten des Neoliberalismus, der bezeichnenderweise Wahnsinn heißt. Sphärische Gitarren (Deutschbrite David Hirst), dazu ein treibender Beat und dröhnender Bass, obendrauf Kathrin Osts Vocals, die eben diesen Bass spielt: „Wenn du die Wirklichkeit erkennst, dann lauf so schnell wie du kannst.“

Poetisch, aber nicht pathetisch

Track zwei Phase klingt musikalisch dann, als habe sich ein früher Tomte-Track auf die Platte verirrt: Elegischer Schrammelpop, der klingt wie aus der guten alten Zeit. Und als die Vocals einsetzen, bekommt man den Eindruck, als channele Kathrin Ost die Lyrik von PeterLicht: „Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich es satthabe, immer nur vom Rand reinzurufen und nie gehört zu werden.“ Schon nach diesen zwei Songs wird klar: Hier passiert etwas Großes.

Neben der Bluttransfusion für Indiemusik – in den besten Momenten erinnern August August an Weakened Friends und Wet Leg – spendet das Duo auch deutschsprachigen Songtexten Leben. Wenn Wandtattoos das eine Ende der Skala sind, bilden August August das andere. Poetisch, aber nicht pathetisch, kunstvoll, ohne kitschig oder klischeehaft zu werden: „Das ist wie eine Rede auf der Autobahn zu halten, so frustrierend ist das“, singt Ost in Phase.

Deine Freunde dreht den Elegie-Regler dann noch etwas weiter auf, Ost singt darauf so zart und beinahe zerbrechlich, dass es einen selbst dann rühren würde, wenn sie aus dem Telefonbuch vorsänge. Die klagenden Lyrics aber haften auf der Haut, setzen sich fest und packen zu: „Die Umarmung, die ich dir gern geben wollte / Ich behielt sie für mich“

Eingängig, ohne anbiedernd zu sein

Kaputt + kein Hunger, der keine zwei Minuten dauernde Pop-Punk-Protest, ist einer der vielen kapitalismuskritischen Songs auf dem Album, die es wundersamerweise schaffen, nicht belehrend daherzukommen. Besser – wenn man überhaupt in diesen Kategorien operieren will – ist vielleicht nur Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat: „Was macht für dich Erfolg eigentlich aus / Und lebt es sich besser in einem abbezahlten Haus?“

Bleibt einem im Neoliberalismus nur der Rückzug ins Private, in die Liebe? Geht nur Zweisamkeit, sofern sie überhaupt geht? In Ich wundere mich nur (mon amour) singt Ost: „Kein Hahn hat gekräht / unsere Geschichte war doch schon lange auserzählt“

Und wieviel Aussicht auf Erfolg hat dieser Rückzug, wenn obendrein die Welt drängt, fordert, drückt? Eine klare Antwort darauf gibt die Band nicht, auch wenn sie naheliegt.

Klar aber ist: August August haben nicht nur einen großartigen Bandnamen, sondern machen auch großartige Musik: Indie, ohne arty-farty zu sein, Pop, ohne belanglos zu sein, eingängig, ohne anbiedernd zu sein. Man kann gar nicht so viel Hüte aufsetzen, wie man ziehen will.

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  • August-August-Pressefoto-Katze-Credits-Tim-Holskey: Foto: Tim Holskey