Aus dem Fernseharchiv: Die Höhle der Löwen, Teil 2
Zur aktuellen Staffel von Die Höhle der Löwen präsentieren wir ein weiteres Mal bisher unveröffentlichtes Material des TV-Hits.
Vor gut zwei Wochen startete die dritte Staffel der beliebten Fernsehsendung Die Höhle der Löwen. Dies war uns Anlass genug, einen bisher nie gezeigten Deal in schriftlicher Form zu präsentieren.
Denn bereits in den ersten beiden Staffeln dieser preisgekrönten Unterhaltungsshow wagten sich derart viele Bittsteller in die Höhle der Löwen, dass unmöglich alle Gesuche ausgestrahlt werden konnten. Wir schätzen uns daher glücklich, dem geneigten Leser zwei bisher unveröffentlichte Audienzen in transkribierter Form vorlegen zu können.
Letzte Woche zeigten wir ein vergnügtes Ehepaar, das grundlegende Bedürfnisse der menschlichen Existenz zu befriedigen versuchte. Ihr Geschäftskonzept stieß auf weitreichende Zustimmung unter den Investoren. Doch wird es dem heutigen Kandidaten gleichfalls gelingen, die Löwen von seinem Produkt zu überzeugen?
Deal Nr. 2: Das Heilmittel
(Der Kandidat: Dr. Gottlieb Gutmensch. Typ zerstreuter Professor. Zerzaustes Haar, schwarze Hornbrille. Er trägt ein zerknittertes Hemd und eine braune Hose, die von Hosenträgern oben gehalten wird; darüber ein weißer Laborkittel. Unsicher betritt er das Studio und steht etwas verloren vor der Jury.)
Dr. Gutmensch (nervös): Ich wünsche Ihnen einen w-wunderschönen guten Abend, meine sehr verehrten D-Damen und Herren. Mein Name ist Dr. Gottlieb Gutmensch und vorab muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht sonderlich versiert darin bin, mein Produkt, welches ich Ihnen sogleich vorstellen möchte, im Stile eines gewieften Haustürvertreters anzupreisen. Stattdessen hoffe ich, dass der Anwendungszweck meiner kleinen Errungenschaft, die ich bei mir trage, für sich selbst spricht. Bei aller Bescheidenheit darf ich wohl behaupten, dass ich nichts geringeres als das ultimative Heilmittel gegen Krebs entwickelt habe.
(Schüchtern zieht er ein kleines mit einem Gummipfropfen verschlossenes Reagenzglas, das mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt ist, aus der Innentasche seines Kittels hervor.)
In all seinen Variationen ist Krebs die Geißel der Menschheit. Ein Heilmittel dagegen zu finden gilt beinahe – bitten verzeihen Sie mir den blasphemisch anmutenden und ein wenig hochtrabenden Vergleich – als Heiliger Gral der medizinischen Wissenschaft. Sollte es mir gelingen, den von mir entwickelten Wirkstoff als zugelassenes Arzneimittel auf den Markt zu bringen, könnten damit unzählige Menschenleben gerettet werden. Daher ersuche ich Sie, hochverehrte Löwen und Löwinnen, um die Summe von 17,79 Euro. Im Gegenzug bin ich bereit, den Investor mit fünfundzwanzig Prozent zu beteiligen.
Schweizer: Lass uns doch zu Beginn näher auf dein Produkt eingehen. Wie funktioniert dein Heilmittel gegen Krebs?
Dr. Gutmensch: Der Wirkstoff basiert auf dem Prinzip der Onkolyse – also auf dem Phänomen, dass Viren wie z.B. Masern oder Herpes in der Lage sind, Krebszellen zu infizieren und zu zerstören. Bereits 1904 wurde spontane Tumorregression infolge von Schutzimpfungen oder Viruserkrankungen beschrieben. Für die Krebstherapie muss zweierlei erreicht werden. Einerseits, dass der Virus die Krebszelle – und nur die Krebszelle – gezielt attackiert und dabei nicht vom Immunsystem des Patienten aufgehalten wird. Sowie andererseits, dass der Virus anschließend nicht den Patienten infiziert.
Schweizer: Und wie ist es dir gelungen, diese Probleme zu lösen?
Dr. Gutmensch: Mittels Gentechnik. Ich verwendete einen Impfvirus und habe ihn dahingehend modifiziert, dass er ein bestimmtes Protein in der Krebsstammzelle als Rezeptor für das Eindringen in diese Zelle benötigt. Zwar können auch andere Zellen im menschlichen Körper dieses Protein aufweisen, doch verfügen sie über eine Immunität, die sie vor einem Angriff durch Impfviren schützt. Im Tumorzelltypen ist diese Immunität defekt, sodass sich der modifizierte Virus in ihnen ungehindert ausbreiten und sie schließlich zerstören kann.
Williams: Hast du das alles alleine bewerkstelligt?
Dr. Gutmensch: Ja. Nach Seminarschluss und in den Semesterferien habe ich die Einrichtungen der Universität, an der ich lehre, genutzt. Ich hatte keinen Forschungsauftrag für dieses Projekt. Wenn ich nicht in der Uni gearbeitet habe, habe ich zuhause in meinem Labor im Keller weitergemacht. Ich habe all mein Geld und jede freie Minute, die mir zur Verfügung stand, in die Erforschung dieses Medikaments gesteckt.
Williams: Da bleibt aber nicht viel Zeit für Freunde und Familie. Wie ich an deinem Ehering sehe bist du verheiratet. Was sagt deine Frau dazu, dass du so viel Zeit im Labor verbringst?
Dr. Gutmensch (bekümmert): Wir waren zwanzig Jahre verheiratet. Nach langer qualvoller Krankheit starb sie an einen Hirntumor. Nach diesem schmerzlichen Verlust schwor ich mir, alles Menschenmögliche zu tun, um diese furchtbare Krankheit auszumerzen, damit solches Leid nicht länger erfahren werden muss. Ich bin es meiner Frau schuldig.
Williams (klatscht entzückt in die Hände): Hach, herzzerreißend! Er tut es der Liebe wegen. Wie romantisch. Das ist das, was die Leute im Fernsehen sehen wollen.
Thelen: Wie lange hast du gebraucht, um dein Produkt zu entwickeln?
Dr. Gutmensch: Dreizehn Jahre. Seit meine Frau verstarb.
Thelen: Wie viel Geld – im Sinne von Material und Arbeitszeit – hast du bisher hineingesteckt?
Dr. Gutmensch: Das kann ich nur schätzen. Ich habe natürlich nicht Buch geführt …
Thelen: Er hat nicht Buch geführt! Es ist das A und O eines jeden Unternehmers seine Zahlen im Kopf zu haben.
Dr. Gutmensch (eingeschüchtert): V-Verzeihung. A-Alles in allem schätze ich die bisherigen Kosten auf 1-1,6 Milliarden Euro. Der Großteil der Zeit und des Geldes ging für die klinischen Studien drauf. Um das Medikament zu testen, fragte ich terminale Krebspatienten, ob sie es freiwillig einnehmen würden. Ich habe den Wirkstoff zu einer Tablette verarbeitet und die Probanden auf die Gefahren hingewiesen. Die meisten hatte nichts zu verlieren. Doch sämtliche Patienten konnten ohne Nebenwirkungen vollständig geheilt werden.
Öger: Wozu benötigst du die 17,79 Euro?
Dr. Gutmensch: Das Medikament muss von der Europäischen Arzneimittelagentur zugelassen werden. Gemeinsam mit dem Zulassungsantrag müssen sämtliche vorklinischen und klinischen Studienergebnisse eingereicht werden. Ausgedruckt würde dies mehr als 500.000 Seiten entsprechen, weswegen dies bevorzugt in digitaler Form auf DVD eingereicht wird. Im gut sortierten Elektronik-Fachmarkt erhält man einen 10er Pack DVD-Rohlinge für 3,60 Euro und einen 10er Pack DVD-Hüllen für 7,99 Euro. Hinzu kommt selbstverständlich das internationale Porto. 3,70 Euro für einen Großbrief plus 2,50 Euro als Einschreiben.
Öger: Gewiss ein interessantes Produkt. Aber ich bin Touristikunternehmer. Ich kenne mich in deiner Branche nicht aus. Deshalb werde ich nicht investieren.
Thelen: Du kommst hier rein, hast nicht einmal einen kleinen Präsentationsstand aufgebaut, dein Produkt hat nicht einmal einen griffigen Namen. Zudem hast du keinen Überblick über deine Zahlen – weder über die Kosten geschweige denn über einen möglichen Umsatz oder über zu erwartende Gewinne. Das ist mir zu unprofessionell. Mit so jemand kann ich nicht zusammenarbeiten. Ich bin raus.
Williams: Dein Produkt gefällt mir. Speziell im Teleshopping mit seiner vornehmlich älteren Zielgruppe ließe es sich bestimmt gut vermarkten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es langfristig profitabel ist. Ich meine, die Leute erkranken jedes Jahr an Grippe. Jedes Jahr lassen sich Grippemittel verkaufen. Aber Krebs? Wenn der Patient dauerhaft geheilt ist, verliert man ihn als Kunden. Ich sehe darin kein zukunftsträchtiges Geschäft.
Steiner: Ich stimme Judith zu. Die Behandlung einer Krankheit bringt viel mehr Geld ein als ihre Heilung. Anstatt jemanden an einem Tag zu heilen, lässt sich viel mehr verdienen, wenn man ihn ein Leben lang behandelt und dafür bezahlen lässt. Ich bin auch raus.
Schweizer: Ich schließe mich meinen Vorrednern in allen Punkten an. Außerdem halte ich 8 Euro für DVD-Hüllen für zu teuer, wenn man auch simple CD-Hüllen aus Papier kaufen könnte. Wir wünschen dir aber viel Erfolg auf deinem weiteren Weg.
Dr. Gutmensch wusste leider nicht zu überzeugen. Nicht jeder besitzt das nötige Talent, um ein echter Geschäftsmann zu werden, der sich auf dem freien Markt behaupten kann. Eine gute Produktidee allein reicht nicht aus, wenn man nicht mit grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kompetenzen zu glänzen weiß.
Neben den Kandidaten und Produkten, die wir diese und letzte Woche vorgestellt haben, fanden sich in unserem geheimen Fernseharchiv noch weitere unterhaltsame Deals aus Die Höhle der Löwen, die aber vorerst noch darauf warten müssen, das Licht der Öffentlichkeit erblicken zu dürfen.
Es sei nur so viel verraten, dass unter anderem Gustav Giehrick die Investoren von seiner Firma MyWater überzeugen konnte. MyWater nimmt sich zum Ziel, Brunnen und Süßwasserquellen in Afrika aufzukaufen. Das so privatisierte Wasser wird zu horrenden Preisen an die dort lebende Bevölkerung verkauft.
Außerdem investierten die Löwen in das Produkt von Al Glatt. Herr Glatt ist Zulieferer in den drei lukrativsten Wirtschaftszweigen der Welt: Drogen-, Waffen-, und Menschenhandel. Er hat einen speziellen Lieferwagen entworfen, in dem sich Drogen, Waffen und Menschen perfekt verstecken lassen, um sie unentdeckt über die Grenze zu schmuggeln.
Wird die kommende Staffel ähnlich interessante Produkte, sympathische Kandidaten und amüsante Deals für uns bereithalten? Wir werden sehen – ab sofort im Fernsehen.
Bildquellen
- hoehle_der_loewen: Bild: Jan Fischer