Batman v Batman: Die innere Fledermaus

Zum Kinostart von Batman v Superman: Dawn Of Justice: Batmans größter Widersacher ist er selbst. Denn jedes Mitglied seiner Schurkengallerie spiegelt einen Aspekt der Persönlichkeit des Dunklen Ritters wider. Ein Psychogram.

Zeig mir deine Feinde und ich sag dir, wer du bist. Nur auf wenige Comichelden trifft das so sehr zu, wie auf Batman. Als Erbe von Charakteren der klassischen pulp fiction wie Zorro oder The Shadow und als geistiger Bruder des hardboilded detective aus dem film noir verfügt Batman über keine übermenschlichen Kräfte, die mutagenen, außerirdischen, magischen oder göttlichen Ursprungs wären. Seine übermenschlichen Fähigkeiten verdankt er einzig und allein dem Willen, sein Potenzial als Mensch voll und ganz auszuschöpfen. Damit kommt er Nietzsches Ideal vom Übermenschen (engl. superman) näher als andere Superhelden. Im Pantheon der Superhelden ist Batman Mensch geblieben. Das erklärt vielleicht seine Popularität. Die Identifikation mit jemanden, der dieselben Schwächen hat wie man selbst – Angst, Wut, Selbstzweifel – fällt leichter als mit gottgleichen Außerirdischen, deren einzige Schwäche ein seltenes Mineral aus dem Weltall ist.
Batman entspringt dem Trauma Bruce Waynes, den Tod seiner Eltern hilflos mit angesehen zu haben. Sein Kampf gegen das Verbrechen resultiert einer eigenartigen, selbstsüchtigen Form der Traumabewältigung, womit er sich von den meisten seiner Heldenkollegen unterscheidet, die ihren Kampf für das Gute aufgrund hehrer Ideale führen. Der moralische Kampf Gut gegen Böse wird zumeist durch gewaltsame körperliche Auseinandersetzungen versinnbildlicht. Viele Superhelden stehen daher in erster Linie physischen Herausforderungen gegenüber. Sie stoßen auf Gegner, die die körperliche Stärke des Helden durch ihre eigene Physis, übernatürliche Fähigkeit oder Technik kompensieren. Batman hingegen sieht sich mit Widersachern konfrontiert, die ihn psychisch herausfordern. Sie reflektieren seine mentalen Fähigkeiten und Störungen.

Feuer mit Feuer bekämpfen

Einige Rivalen versuchen Batman quasi mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Da Kriminelle bekanntlich ein durchweg „feiges und abergläubisches Pack“ sind, suchte Bruce Wayne nach einem Alter Ego, dass dementsprechend Angst und Schrecken unter ihnen verbreitet. Scarecrow dreht mit Hilfe seines Angstgases den Spieß um, indem er jene Ängste auf Batman zurückwirft, die dieser sowohl verbreiten als auch überwinden oder unterdrücken wollte. Durch Scarecrow befindet sich Batman am offensichtlichsten im Konflikt mich sich selbst. Unter dem Einfluss des Angstgases muss er zunächst seine inneren Dämonen bezwingen, um Scarecrow besiegen zu können.
Mit einem IQ, der jedes Mitglied des Mensa Klubs alt aussehen ließe, bietet der Riddler ein Äquivalent zu der bereits weit überdurchschnittlichen Intelligenz Batmans. Zudem konfrontiert der Riddler den Dunklen Ritter mit einem der letzten größten Rätsel im Batman-Universum: Wer ist Batman? Andere Schurken wie Prof. Strange, Ra’s Al Ghul und Hush konnten diese Ungewissheit klären. Doch als ungeklärtes Geheimnis bleibt die Frage nach der Identität Batmans als tiefenpsychologisches Rätsel bestehen.

Identität und Dualität
Viele Widersacher spiegeln den Aspekt der gespaltenen Persönlichkeit wider. So verwandelte sich der Wissenschaftler Dr. Kirk Langstrom nach einem gescheiterten Experiment in eine Art Werfledermaus namens Man-Bat. In bester Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Manier kämpfen in ihm zwei antagonistische Kräfte. Auch Bruce Wayne muss sich fragen, ob seine beiden Ichs gleichberechtigt nebeneinander existieren oder ob ein Part dominiert. Zum Leidwesen von Dr. Langstrom hat seine animalische Seite die Oberhand gewonnen. Bruce Wayne läuft nicht weniger Gefahr, dass die Fledermaus in ihm die Kontrolle übernimmt.
Die innere Zerrissenheit wird am offensichtlichsten von Two-Face abgebildet, dem die Dualität der eigenen Persönlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben steht. Der ehemalige Bezirksstaatsanwalt und nach wie vor rechtstreue Harvey Dent und der mörderische Two-Face bleiben als zwei Hälften derselben Person unvereinbar. Sind Batman und Bruce Wayne miteinander vereinbar?
Daneben eröffnet sich mit Two-Face die Frage nach der moralischen Ambivalenz Batmans. Two-Face schreckt nicht davor zurück, seine Auffassung von Gerechtigkeit selbst in die Hand zu nehmen. Er erhebt sich zum Ankläger, Richter und Henker in Personalunion. Über Leben und Tod entscheidet der Münzwurf. Two-Face erinnert somit an den schmalen Grat zwischen Gerechtigkeit und brutaler Selbstjustiz, auf dem Batman wandelt.

https://www.youtube.com/watch?v=34YrXOASzvw
Diesen Aspekt greift ebenso Catwoman auf, die mal als love interest und Verbündete, mal als Verräterin und erbitterte Gegenspielerin auftritt. Sie veranschaulicht Batmans eigenes zwiespältiges Verhältnis zum Gesetz. Einerseits unterstützt der Dunkle Ritter die örtliche Polizei im Kampf gegen das Verbrechen. Andererseits erhebt er sich als Vigilant über das Gesetz und die Behörden und untergräbt damit das Gewaltmonopol des Staates. Wie Catwoman, die sich ihre Verbündete danach wählt, wer ihr augenblicklich von Vorteil ist, entscheidet auch Batman nach Gutdünken, welche Spielregeln für ihn gelten und welche nicht.

Spiegelverkehrte Zerrbilder

Andere Schurken spiegeln Batmans Persönlichkeit wider, indem sie seine Charaktereigenschaften ins Gegenteil umkehren. Der gutaussehende und charismatische Unternehmer Bruce Wayne, der sich der Wohltätigkeit verschrieben hat, wird karikiert durch den kleinen hässlichen und unausstehlichen Pinguin, der sein Geld mit illegalen Geschäften verdient.
Den kompletten Gegenentwurf zum stets schwarzgekleideten und grimmigen Batman stellt der farbenfrohe und immer lustige Joker dar. Der Joker verfügt über keine unwiderrufliche origin story, wohingegen sich Batman maßgeblich durch seinen traumatischen Entstehungsmoment definiert. Dabei wird Batman zu einem Sinnsuchenden. In seiner Mission als selbsternannter Rächer versucht er dem sinnlosen Tod seiner Eltern zumindest im Nachhinein eine Bedeutung zu geben. Daher sind Wissenschaft und Logik die wichtigsten Instrumente bei seinen Ermittlungen. Er glaubt, dass alles vernunftmäßig erklärt werden kann. Batman verkörpert somit das Prinzip der Rationalität und der Ordnung.
Der Joker verkörpert stattdessen Chaos und Anarchie. Er besitzt weder Ursprung noch Ziel. Er ist der personifizierte Nihilismus. Der Joker hat die Absurdität des menschlichen Daseins begriffen. Sinn und Bedeutung sind armselige Kategorien der Kontingenzbewältigung. Er singt Always Look On The Bright Side Of Life und lacht dabei über den Witz, den wir Leben nennen.

https://www.youtube.com/watch?v=2TJ3Yv_vgUc
Zudem betont der Joker immer wieder, dass sich Batman von den kostümierten Freaks, die im Arkham Asylum einsitzen, nicht unterscheidet. „Ein schlimmer Tag genügt, um den stärksten Mann wahnsinnig zu machen“, erklärt er. Doch im Vergleich zu den anderen Wahnsinnigen hält Batman zumindest eisern an dem Ideal fest, nicht zu töten. Wenn es aber dem Joker gelingen sollte, dass Batman mit diesem Ideal bricht –indem Batman zum Beispiel endlich den Joker tötet, um weitere Verbrechen zu verhindern – wäre Batman zu dem geworden, was er nie sein wollte. Der Joker hätte auf seine Weise gesiegt.
Wenn der Joker das Gegenteil von Batman ist, ist Bane der böse Zwilling. Geboren und aufgewachsen in dem Alcatraz einer südamerikanischen Junta nutzte er die Gefangenschaft, um Körper und Geist gleichermaßen zu stählen. Er entkam, indem er im Rahmen illegaler Experimente mit dem Supersoldatenserum Venom seinen Tod vortäuschte.
In puncto Intellekt und Physis ist Bane ein ebenbürtiger Opponent. Dank Venom übertrift er Batman an körperlicher Stärke sogar. Vor allem besitzt Bane dieselbe Willensstärke wie Batman. Er besitzt aber nicht dessen moralische Integrität. So gelingt es Bane mit Skrupellosigkeit und der Droge Venom Batman zu besiegen. Er bricht ihm das Rückgrat.
An Bane zeigt sich erneut, wie schmal der Grat zwischen Superheld und Superschurke ist. Es sind nicht die Kräfte oder Fähigkeiten, sondern der moralische Maßstab der eigenen Handlungen, die einen Helden zum Helden machen. In diesem Sinne ist es bezeichnend, dass dieser körperlich und intellektuell gleichwertige, aber moralisch verdorbene Batman-Zwilling dem Original das Rückgrat bricht, welches redensartlich für moralische Haltung und Aufrichtigkeit steht. Ist mit Amoralität oder gar vorsätzlicher Bösartigkeit mehr zu erreichen?

Bildquellen