Das hier sind Protestsongs, Baby! Und sie sind trotzdem cool!

14 Protestsongs hat unser Autor für euch zusammengestellt – Protest für jede Gelegenheit. Und verdammt gute Musik.

Ich weiß, Protestsongs sind zu ziemlich das uncoolste und unsexieste, mit dem man grad um die Ecke kommen kann. Aber weil die Zeiten eher düster sind, das Leben vielerorts beschissen und die Wut ein Ventil braucht, mache ich mal einen Thread auf: coole Protestsongs, denen man es nicht unbedingt anhört. Reckt die Faust in die Lüfte!

…die Istanbuler Veteranen von REDD spielen smoothen, stimmungsvollen Alternative-Rock. Aber eine sehr politische Band: spielten u.a. auf einem Benefiz-Konzert für den ermordeten Journalisten Hrant Dink, wohl von türkischen Nationalisten ermordet. Und auch auf Veranstaltungen für andere inhaftierte Journalisten wie etwa Ahmet Şık. Ihr melancholischer Rock ist poppig, aber hörenswert: und steht stellvertretend für die große und bunte Musikszene der Türkei.

…Algiers sind aktuell eine der relevantesten Indie-Bands. Dystopisch, rau, politisch. Punk mit dem Spirit des Gospel. Cleveland ist eine wütende Hymne gegen Polizeigewalt. Das grollende Wehklagen von Frontmann James Fisher ist kaum auszuhalten. Musik für einsame Nächte in der Einzelhaft.

PNL sind Frankreichs relevantester Rap-Act: und singen über das Aufwachsen in den Banlieues. Wo andere Rapper protzen, gibt es hier viel Traurigkeit, Wut und Melancholie. Und tolle, futuristische Songs.

Yasmine Hamdan hat eine der besten Anti-Korruptions-Hymnen der letzten Jahre geschrieben. Über ihre Heimat Libanon. Eine bittere und zugleich witzige Abrechnung: und ein großer Pop-Song.

…ebenfalls groß: die Anti-Machismo-Hymne Je Ne Me Connais Pas von MATTIEL. Ein Song für alle, die sich gern selbst heiraten würden: nur, um dann die Scheidung einzufordern. Breitbeinig rockend, mit angeklebtem Bart.

…in eine ganz andere Richtung gehen die Thrash Metaller TESTAMENT mit Native Blood. Sänger Chuck Billy ist indigener Abstammung und greift das Thema immer wieder in seinen Texten auf. So auch in „Native Blood“, das Ausgrenzung und Rechtlosigkeit thematisiert. Kompromisslos groovend, toller Refrain: einer der besten Metal-Songs der letzten zehn Jahre.

…die drei HAIM-Schwestern von A-WA, aus dem Jemen stammend und aktuell in Israel lebend, thematisieren in ihren Songs ebenso traditionelle Geschlechter-Rollen wie die Situation von Migranten. Hip Hop meets Folk: subtil, hittig, großartig, klug.

New Model Army sind ohnehin Inbegriff einer Protest-Band. Here Comes The War ist eine der zwingendsten Anti-Kriegs-Hymnen ever. „You screamed/ Give us Liberty or give us Death/ Now you’ve got both,/ What do you want next?“, bellt Justin Sullivan.

Nakhane ist ein südafrikanischer, queerer Sänger, der aktuell in England lebt. In seinen Songs geht es um Geschlechtsidentitäten, Homosexualität, Glaube: Schmerz und Begehren. You Will Not Die war eines der besten Pop-Alben 2019. Bittersüß sexy: und sehr politisch.

Migration aus Sicht einer keltischen Pagan-Metal-Band: In Coffin Ships thematisieren Primordial die Hungersnot der Iren in den Jahren 1845-1852: Millionen starben, und Millionen machten sich auf in die USA und nach Kanada, in Hoffnung auf eine bessere Zukunft. „Coffin Ships“ hießen die Boote, die sie dorthin bringen sollten, weil auf dem Weg dorthin nahezu jeder Zweite starb. Es ist erschreckend, wie aktuell das Thema nun wieder ist.

Die Südafrikaner Stimela haben 1985 einen der smoothsten Protest-Songs aller Zeiten aufgenommen. Sanft groovend, thematisierten sie Apartheid und Rassismus in ihrem Heimatland. Der Song war damals in Südafrika verboten. Einer der besten Songs der 80er Jahre: und so wichtig wie eh und je.

Ich gebe es zu: die Trierer Love A sind meine liebste deutsche Punk-Rock-Band. Toter Winkel ist die schönste Hymne gegen Gentrifizierung und Selbstoptimierung. Hat man sich erstmal an den Gesang gewöhnt, ist das große Unterhaltungskunst.

…das Private ist politisch: Und Beth Hart singt in unnachahmlicher Weise über Drogensucht, Alkohol: und der Suche nach einem Ausweg. Und über Beziehungen. Protest? Das Politische hier ist wohl, dass die Musik Hoffnung und Zuversicht stiftet.

…abschließend ein Song aus Russland. Bumer von gleichnamigem Soundtrack des Films von Pjotr Buslow thematisiert Hoffnungslosigkeit & Ausweglosigkeit der russischen Jugend. Trainspotting in der russischen Provinz: Hätte weltweit ein Hit sein müssen.

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