Das Schaf im Wolfspelz
Sebastian Hotz erzählt mit seinem Debütroman Mindset eindringlich und einfühlsam von Männern, für die Erfolg alles ist – und die auf der Suche danach zerbrechen. Martin Spieß hat ihn gelesen und ist begeistert.
ACHTUNG: Diese Rezension enthält inhaltliche Spoiler aus Mindset. Wer das Buch noch nicht gelesen hat, liest diesen Text besser nicht.
Sebastian Hotz, den die meisten Menschen eher unter seinem Twitterhandle elhotzo kennen dürften, hat einen Roman geschrieben. Hotz wird es vermutlich ziemlich nerven, dass man sich vor der Lektüre die Frage stellt, ob er, der ja sonst nur kurze Pointen schreibe, überhaupt einen Text auf Romanlänge hinbekommt. Diese (zugegebenermaßen berechtigte, aber eben auch nicht minder prätentiöse) Frage erübrigt sich, fängt man mit besagter Lektüre erstmal an, denn: Ja, er bekommt es hin. Und wie.
Angesiedelt ist Mindset in der Welt der (jungen) Männer, die sich selbst optimieren wollen. Mirko Mihalic ist einer von ihnen: In seinem Leben läuft es nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Nach fast zehn Jahren als ITler ist er im Büro immer noch „der Neue“, seine Singlewohnung ist so grau und freudlos wie die Stadt, in der er lebt: „In Gütersloh scheint man selbst dem hoffnungsvollsten Neuankömmling noch vor dem ersten Schritt in die Stadt jede Hoffnung nehmen zu wollen“, beschreibt Sebastian Hotz „die Provinzialität des Gütersloher Bahnhofs“.
Vom Schaf zum Wolf – nur das Mindset ist entscheidend
Doch dieses Leben ändert sich schlagartig, als er bei Instagram über die Seite von Maximilian Krach stolpert, in dessen Leben alles rundzulaufen scheint: Selfies vor Privatjets, von teuren Autos, Fotos von Luxusuhren am Handgelenk. Krach Consulting, so der Eindruck, ist lächerlich erfolgreich, und das Geheimnis dieses Erfolges gibt Krach in Seminaren weiter: Man müsse einfach vom Schaf zum Wolf werden, allein das richtige Mindset unterscheide zwischen Erfolg und Misserfolg. Schnell aber wird klar, dass das alles nicht nur nicht so einfach, sondern sogar ziemlich kompliziert ist. Krach ist gar kein erfolgreicher Consultant, er arbeitet als Pizzabote, der seinen Erfolg nur spielt; Krach Consulting existiert genauso wenig wie all sein Geld.
Sebastian Hotz erzählt dabei von Krachs und Mirkos Streben und Strugglen so einfühlsam und eindringlich, dass die Lektüre mitunter richtig wehtut – so toxisch die Welt, die Hotz beschreibt, so verzweifelt seine Figuren, so verloren, so verwundet. Das Heilsversprechen des Neoliberalismus ist für Hotz’ Figuren real und greifbar, es ist alles nur eine Frage der Anstrengung – und wer es nicht schafft, der hat sich eben nicht genug reingehängt.
(Anti-) Helden auf der Suche nach dem Glück
Ohne zu urteilen oder auf sie herabzuschauen erzählt Hotz die Geschichte seiner (Anti-) Helden und wie sie nach ihrer Form von Glück und Zufriedenheit streben. Und so sehr sie auch unter der kapitalistischen Welt, in der sie leben, leiden, so suchen sie den Fehler doch nie in der Welt, sondern bei sich. Fehler findet man in Mindset mitnichten, im Gegenteil: Sebastian Hotz erzählt von einer Welt, in der es vermeintlich kein Mitgefühl und nur Härte geben darf, mit Mitgefühl und Empathie und entlarvt die Toxizität dieser Welt damit nur umso mehr. Das Buch ist ohne Frage ein starkes Debüt, und ein großer Wurf obendrein.