Seltsam, in der Vergangenheitsform von David Bowie zu sprechen
Ein Song für jedes Gefühl, eine Atmosphäre für jeden Tag, eine Haut für jede Gelegenheit. Unser Nachruf auf David Bowie.
Zu jedem Gefühl das ich kenne, und das sind nicht wenige, existiert ein David Bowie Song, der es in Frage stellt und vertieft und neu beleuchtet. Keine Begleitmusik, sondern eine sich stetig erneuernde Aufforderung zur Auseinandersetzung mit sich selbst in diesem seltsamen Gesamtgefüge und dazu auf der Suche zu bleiben. Auf einer spirituellen Suche, einer Suche außerhalb bestehender Ordnungen.
Bowie schien nicht zu altern, sondern sich zu häuten – immer und immer wieder- und es war ein verstörendes Wunder, herrlich mit anzusehen. Jeder, der ihm zuhörte wurde automatisch ein wichtiger Teil seiner Verwandlungen. Er selbst glaubte daran, dass ein Kunstwerk ein Prozess ist, der in der Interaktion mit dem Publikum gipfelt.
Es gab kein Diktat, keine einzig wahre Richtung, aber einen einzig wahren Moment, nämlich jetzt und jetzt und jetzt. Das Predigen allerdings überließ er Leuten wie Bob Dylan. „ Wenn ich versuche Protestsongs zu schreiben, kommt bloß Scheiße dabei heraus. Ich kann nur Atmosphären schaffen“, sagte Bowie einmal, als wäre das eine Kleinigkeit.
Seltsam, von jemandem in der Vergangenheitsform sprechen zu müssen, der so sehr Gegenwart war. Allerdings eine, die die Zukunft bereits in sich trägt. David Bowie empfand sich als eine Art Bastler, der Dinge, die jetzt Begeisterung oder Entsetzen auslösen anders zusammenfügt, um sie in neuer Beleuchtung sichtbar zu machen. So entstanden Jahrzehnte lang erstaunliche Neuinterpretationen von Angst, Schmerz, Liebe, Gott, Kosmos, Sprache und Tanzmusik.
Die tausend Gesichter und Stimmen des David Bowie. Immer vereint durch ihren Mut und ihre Gegenwärtigkeit.
Der erste Moment nach David Bowie ist wie der erste Moment nach der besten Achterbahnfahrt deines Lebens. Zuerst schreist du: „ Nochmal! Nochmal!“. Es soll nicht vorbei sein. Aber wenn Ruhe einkehrt, merkst du, dass das Glücksgefühl länger anhalten wird, als die Fahrt selbst.
Thanks for the ride, Mr. Bowie.
Bildquellen
- BowieRaR87: Elmar J. Lordemann / CC BY-SA 2.0 de