Dem Wahnsinn Herr*in werden
Moritz Neumeier ist eigentlich Comedian. Jetzt hat er ein autobiographisches Buch veröffentlicht. Martin Spieß hat Urlaub trotz Kindern gelesen und findet es fantastisch.
Im Epilog des Buches, auf der vorletzten Seite, schreibt Moritz Neumeier: „Ich hatte nie vor, dieses Buch zu schreiben. Und ohne Corona hätte ich es auch nicht getan.“ Und fast wie automatisch ertappt man sich beim (zugegebenermaßen zynischen) Gedanken: „Ein Glück.“ Denn Urlaub trotz Kindern ist wie schon Moritz Neumeiers Stand-up Comedy schlicht und ergreifend großartig, wenn auch aus (mitunter) anderen Gründen.
Natürlich war und ist Corona für niemanden, also auch den norddeutschen Comedian, kein Glück, aber es hat zumindest bei ihm Gedankengänge angestoßen und Ängste ausgelöst, die in einem bestechend ehrlichen Buch mündeten.
Eigentlich denkt man beim Titel Urlaub trotz Kindern an einen Ratgeber, aber wie Neumeier gleich zu Beginn schreibt, hasst er Ratgeber. Er bilde sich nicht ein, irgendwem erzählen zu können, wie richtige Kindererziehung oder eine gute Beziehung funktionierten, aber er könne davon schreiben, wie es ihm mit allem gehe.
Im Gedankenkarussell der Zukunftsängste
Und das tut er: Von Corona eben und wie es seine Existenzangst befeuert, von der Schwierigkeit, Urlaub zu machen, noch dazu in dieser Zeit und mit Kindern – wie soll man im Jetzt sein und Kinder bespaßen, wenn man im Gedankenkarussell der Zukunftsängste sitzt?
Offen, ehrlich und vor allem authentisch erzählt Moritz Neumeier von der Angst, unbedeutend zu werden, wenn er nicht auftreten könne, und dass seine Fans ihn vergessen würden. Von der Sorge, nicht genug auf Instagram zu machen und irgendwen irrelevant zu werden. Und von der Scham, die er empfindet, wenn er seinen Frust an seinen Kindern auslässt.
Achtsamkeit, Dämonen und Loslassen
Am Ende geht es in Urlaub trotz Kindern nicht (nur) darum, wie man trotz Kindern Urlaub macht, sondern wie man Achtsamkeit lernt. Wie man sich den eigenen Dämonen stellt – was Neumeier mittels einer Therapie tut – und wie man lernt, loszulassen. Wie man es schafft, dem Wahnsinn, dem jeder Mensch im Leben begegnet, ob nun privat, öffentlich oder pandemisch, Herr*in zu werden.
Im letzten Kapitel schreibt Moritz Neumeier: „Mein Erfolg auf der Bühne ist ein Pflaster für eine Wunde, die durch die Anerkennung fremder Menschen nicht geheilt werden kann.“ Wenn man Moritz Neumeier nicht schon – wie Christian Ulmen auf dem Werbesticker schreibt – „vorher lustig“ fand, ist es spätestens jetzt so weit: Urlaub trotz Kindern ist ein einfühlsames, weises und witziges Buch, das beweist, dass Moritz Neumeier nicht nur ein großartiger Comedian, sondern ein echt guter Autor ist.