Deutsche Ängste: Das Bewerbungsgespräch
Ein Bewerbungsgespräch ist der perfekte Albtraum des Deutschen. Es gibt keine schlimmere Vorstellung als dieses perverse Konstrukt aus Fragen die keiner beantworten kann.
Die Torwächter der deutschen Arbeit sind die Personalabteilungen, und das Verdikt über die Tatsache, ob man Mensch wird oder Hartz IV-Empfänger bleibt, wird im Bewerbungsgespräch verhandelt. Die Richter der Human Resources entscheiden einzig und allein auf Grundlage des Verhaltens im Bewerbungsgespräch. Dabei achten sie auf jedes minimalste Detail im Verhalten des Subjekts der Evaluation. Ein Wimpernschlag im falschen Moment, und der zukünftige Arbeitsplatz ist perdu. Eine falsche Antwort auf eine der abstrakten, bisweilen surrealen Fragen, die sich das Personalmanagement ausgedacht hat, und das Ende ist nah. Es sei gesagt, dass diese Interviews nur aus solchen Fragen bestehen. Der Name des Probanden wird nicht erfragt, aber was er täte, wenn er in der Wüste eine Schildkröte fände, die hilflos auf dem Rücken liegt. Wie oft man Sun-Tzu gelesen habe. Wenn auf dem Mars nächste Woche Wintersonnenwende ist, wann müssten sie dann aufstehen um pünktlich zu erkennen, wann der break-even ist? Wenn ihre tote Großmutter jetzt hier nackt herumliegen würde, welche Managemententscheidung würde das erfordern?
So oder so ähnlich muss es in Bewerbungsgesprächen ablaufen: Kafkas Prozess, aber mit Gehaltsvorstellungen. Zumindest wenn man der dauerhaft geschürten Hysterie in den deutschen Wochenmagazine glaubt. Keine Woche ohne Tipps und Psychotricks, wie man beim coolen pseudo-asiaphilen Start-Up immer die richtige Antwort gibt. Gut, dass man die letzten vier Wochen die Bewerbungsgesprächs-Logiktests aus dem Focus auswendig gelernt hat für den Job als Putze bei Daimler-Benz. Nicht vergessen nachzufragen, ob man auch auf alleine auf die Toilette darf. Den Blowjob gleich am Anfang des Gesprächs anbieten? Als Frau besser gar keine sexuellen Offerten machen, dass schadet sonst dem Respekt bei den Kollegen. Die Fehler in Bewerbungsgesprächen werden nämlich aufgeschrieben und gesammelt, und wenn der Tag des jüngsten Gerichts kommt, wird man bestraft, weil man 1998 in einem Bewerbungsgespräch eine zu breite Krawatte getragen hat.
Ach, Sie sind nervös in so Situationen in denen Sie unter Druck stehen? Bewerbungsgespräche zum Beispiel? Das tut uns Leid. Menschen mit Gefühlszuständen können wir leider nicht einstellen.
Bildquellen
- Berlin, Arbeitsamt Sonnenallee, Arbeitsvermittlung: Attribution: Bundesarchiv, B 145 Bild-P109965 / CC-BY-SA