Ein Held ohne Ideale

Arturo Pérez-Reverte hat mit Das Los, das man zieht den dritten Band seiner Spionage-Reihe um den Agenten Lorenzo Falcó veröffentlicht. Martin Spieß hat ihn gelesen.

Spätestens seit Arturo Pérez-Revertes Roman Der Club Dumas von Roman Polanski verfilmt wurde, ist der spanische Autor ein Begriff. Doch auch ohne diesen Ritterschlag ist Pérez-Reverte einer der besten Autoren seiner Generation, erschafft er in seinen Büchern doch immer wieder große, glänzende Welten, in denen sich Figuren bewegen, die sich wie echte Menschen lesen: voller Zweifel, Konflikte, gescheitert oder kurz davor, skrupellos oder voller Vorbehalte.

Sein neuer Protagonist ist der Agent Lorenzo Falcó, der im Auftrag der spanischen Faschisten spioniert. In Das Los, das man zieht, bereits der dritte Band in Arturo Pérez-Revertes neuer Reihe, führt es Falcó nach 1937 Paris: er soll Leo Bayard, einen bekannten linken Intellektuellen als Faschisten denunzieren und dafür sorgen, dass er von den eigenen Leuten beseitigt wird. Und er soll Picassos Gemälde Guernica vernichten, das dieser gerade für die Weltausstellung malt.

Er tut, was er muss

Ein wenig erinnert Pérez-Revertes Agent an Hans Landa, den Nazi-Offizier aus Quentin Tarantinos Inglourious Basterds, den Christoph Waltz so fantastisch verkörperte, dass er dafür einen Oscar gewann. Landa ist gebildet, kultiviert, spricht Englisch, Französisch und Italienisch. Kein ungehobelter Nazi, kein überzeugter Faschist – genau wie Falcó. Der schert sich nicht um Seiten, um Ideale. Vor dem Krieg hat er Waffen verkauft; er tut, was er muss, und gerade tut er es eben für die spanischen Faschisten. Falcó ist dabei nicht ganz so sympathisch wie Landa, der Effekt bei der Lektüre aber ist derselbe: kann man für einen Helden Sympathie und Empathie empfinden, der auf der falschen Seite steht? Wie kann man mitfiebern mit einem Opportunisten? Wieso stellt der seine Fähigkeiten nicht in den Dienst der gerechten Sache?

Trinken, schießen, foltern, lieben

Pérez-Reverte ist ein großer Erzähler, und er erörtert diese Fragen nicht plump, sondern webt sie elegant und scheinbar nebensächlich in die Geschichte ein, etwa in Gespräche seiner Figuren – immer aber nur so weit, dass die Leser*innen Leerstellen selber füllen müssen. Ganz zu fassen, gänzlich zu durchschauen ist Lorenzo Falcó nicht, und das ist eine bleibende Stärke der Figur und ihrer Anziehungskraft. Ansonsten ist Das Los, das man zieht wie auch schon seine beiden Vorgänger hervorragend geschriebener (und fantastisch von Petra Zickmann ins Deutsche übersetzter) Spionage-Stoff: es wird getrunken, geschossen, gefoltert, gemordet, getanzt und geliebt. Zuweilen wirken die Krempen der Hüte, die Trenchcoats, die Zigaretten aus Schildpatt-Etuis und der Sex mit fremden oder Falcó aus vergangenen Abenteuern bekannten Frauen, der sich wie Altmännerfantasien liest, zu klischeehaft. Vielleicht aber muss das auch genau so sein, in dieser von Arturo Pérez-Reverte glänzend erschaffenen Welt der Spione.

Arturo Pérez-Reverte
Das Los, das man zieht
Gebunden, 430 Seiten, 24 Euro

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