Es war gigantisch
Gerade ist Ruth Herzbergs Roman Wie man mit einem Mann unglücklich wird erschienen. Ein fantastisches Buch, findet Martin Spieß.
Die Liebe ist ein seltsames Spiel, so sang Connie Francis 1960. „Sie nimmt uns alles“, heißt es weiter, allein seltsam ist das nicht. Willkürlich, wahnhaft, wehmütig. Wild, widerwärtig, weltfern. Das wären treffende Adjektive, um die Liebe zu beschreiben. Zumindest eine wie in Ruth Herzbergs großartigem Roman Wie man mit einem Mann unglücklich wird, der gerade im Verlag mikrotext erschienen ist.
Darin lässt Herzberg ihre in Berlin lebende Protagonistin in vier Akten (Frühling, Sommer, Herbst und Winter) die Geschichte einer zum Scheitern verurteilten Liebe erzählen. Einer Liebe, die eigentlich keine ist, so einseitig ist sie: sie ist verliebt, er nicht. Sie träumt, hofft, verbeißt sich. Er meldet sich wochenlang nicht und wenn sie sich sehen, dann ist es oft Zufall.
Ausnutzen? Iwo.
Dabei zeichnet Herzberg perfekt nach, wie katastrophal man sich im Rausch der Verliebtheit und unter der Regentschaft von Ängsten und Sozialisation in ein Gefühl verrennen kann. Von absoluter Abgeklärtheit, dass er natürlich nicht verliebt ist und sie einen Schlussstrich ziehen sollte, hin zu vollkommener Verklärung und Verleugnung dauert es oft nur einen Satz. Er wird sich verlieben, es geht gar nicht anders, das ist nur eine Frage der Zeit. Er reagiert halt nicht auf ihre Nachrichten, weil er so viel zu tun oder sie nicht gesehen hat. Ausnutzen? Iwo. Und sie sehen sich ja schließlich immer wieder, und wenn, dann ist es „gigantisch“. „Es war gigantisch wie immer“ ist ein Satz, der sich durch das Buch zieht und der mehr und mehr an Bedeutung verliert, je weiter die Protagonistin sich in ihre emotionale Abhängigkeit begibt. Wie kann es auch gigantisch sein, wenn sich ein Mann so ätzend verhält?
Ein beschissener Blender
Unnötig zu erwähnen, dass Ruth Herzberg auch den Ton dieses Mannes perfekt trifft. Er chattet, telefoniert, plant Projekte, aber es ist ziemlich klar, dass er der blaupausenhafte Berliner ist, der viel behauptet, aber wenig bis nichts einlöst. Nach und nach wird klar: Dieser Typ ist ein so beschissener Blender, ein so schrecklicher Sadist, ein so außerordentlich Arschloch, dass man sich bei der Lektüre ertappt, ihm in einer dunklen Gasse auflauern zu wollen, um ihm die Scheiße aus dem Leib zu prügeln – nur um sich dann zu erschrecken, dass man eine Reaktion in Betracht zieht, die eine ähnliche toxische Männlichkeit an den Tag legt wie er. Dass die Geschichte eine solche Reaktion erzeugt, ist nur eine der großen Stärken des Romans. Für die darauffolgende Reflexion ist der (männliche) Leser selbst verantwortlich, eine Unternehmung, die auch der männlichen Figur guttäte. So ist das Ende mit Schrecken vorprogrammiert, so oder so aber gilt: Wie man mit einem Mann unglücklich wird ist ein großartiger Roman.
Ruth Herzberg:Wie man mit einem Mann unglücklich wird
mikrotext, 2021
ca. 176 Seiten,14,90 €
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Bildquellen
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