Facebook aufräumen
Unser Autor hat seinen Facebook-Newsfeed aufgeräumt. Das hat seine Lebensqualität entscheidend verbessert.
Facebook hat es geschafft. Es ist Teil des Alltags geworden. Es ist quasi unsichtbar, es gibt kaum noch Widerstand, der die Nutzung behindert. Weder im Programm noch im Freundeskreis. Es gibt diejenigen, die es aus praktischen Gründen nutzen und es gibt die Abstinenten. Beide Gruppen sind mit ihrer Wahl zufrieden. Der Austausch über die Pros und Cons ist obsolet geworden. Bedenken über bedrohliche Big-Data Verknüpfungen keimen nur sporadisch auf.
Zum Beispiel durch den jüngsten Versuch von Facebook, die eigenen Daten ganz beiläufig mit WhatsApp zusammenzuführen. Nur ein kleiner Aufreger.
Für uns Nutzer sind die persönlichen Vorteile wichtig, der gewisse Kontrollverlust über persönliche Daten stört uns, seien wir ehrlich, prinzipiell nur noch wenig. Also schauen wir darüber hinweg und bemerken, dass es eher die Kontrolle über unsere eigenen Interessen ist, die wir noch viel weniger aufgeben möchten. Vielmehr verwundern mich deshalb diejenigen, die Facebook wie ich auch, eh weiterverwenden um ihre Interessen im Alltag zu überblicken und sich dabei an der gewissen Unordnung auf dem Portal stören trotzdem nichts dagegen unternehmen. Und, ohne mich selbst loben zu wollen: Mir zeigt Facebook nur noch zu 1% an was ich nicht sehen will.
Erstmal alles raus
Setz dich einen halbverkaterten Samstagmorgen einfach hin und klicke auf jeden Post in deinem News-Feed, um ihn zu de-abonnieren.
Der scheinbar unkontrollierbare News-Feed – das was dir als erstes nach dem Log-In begegnet – ist es, was dich neben dem Pakt mit dem Teufel, daran zweifeln lässt, wie gut du das eigentlich findest, was dieses digitale Alltagsprogramm mit dir macht. Wenn du wirklich etwas ändern möchtest, wird das ab jetzt die ein oder andere Stunde dauern. Und es wird immer mal wieder vorkommen, dass dir nach dem Log-In etwas angezeigt wird, das du nicht sehen willst. Anfangs wirst du noch genervt sein, allerdings gewinnst du so zunehmend die Kontrolle über deine persönlichen Interessen zurück – versprochen. Das ist es doch was wir wollen – nicht auf die Vorteile verzichten, aber der Technik nicht ausgeliefert sein – wohlwissend, dass wir unsere Privatsphäre verkaufen. Die Kontrolle verschaffen wir uns durch die genaue Kenntnis der Bedienoberfläche. Denn die meiste Verwirrung entsteht in FB dadurch, dass die meisten Nutzer nur auf die Menüleiste ganz oben zugreifen und den Rest nicht kapieren. Die Leiste oben ist bekannt: Suchleiste, blauer Freiraum, Miniatur-Profilbild, „Startseite“, hilfreich heben sich die Symbole für eingegangene Freundschaftsanfragen, Nachrichten, Benachrichtigungen hervor.
Daneben die Privatsphäre Einstellungen, die wir uns irgendwann einmal angetan haben und danach dachten, „Okay I did it once and for all, nie wieder“. Das Drop-Down Menü ganz oben rechts ist etwas ähnliches: „bitte verschon mich damit, ich weiß wo ich mich hier abmelde, aber ich werd eh nie eine Werbeanzeige erstellen.“
Was uns tatsächlich interessiert ist die lange Spalte am linken Bildrand.
Stell in dieser Spalte als erstes deinen News Feed über den mini-Drop-Down-Pfeil, von „Top Meldungen“ auf „Neuste Meldungen“ um. Dadurch werden dir chronologisch News über all das angezeigt, was du in deiner umnachteten Vergangenheit mit „Gefällt mir“ unterzeichnet hast.Wenn du in Zukunft alles de-abonnierst was in deinem News Feed erscheint – je, mit zwei Klicks, einen auf den kleinen Pfeil in der rechten Ecke oben über dem Post, der zweite in dem erscheinenden Drop-Down-Menü „Blabla, nicht mehr abonnieren“ – dann wirst du irgendwann maximal über die von dir verwalteten Seiten informiert. Facebook wird endlich funktional.
Die linke Spalte ist durch Zwischenüberschriften unterteilt. Ganz oben drüber dein Name und die Option dein Profil zu bearbeiten. Dann beginnt „Favoriten“, der einzige Abschnitt den wir in Zukunft beachten werden.
Zuoberst dein „News Feed“. Check dies ab und an, FB stellt ihn eigenmächtig sporadisch wieder auf die „Top-Meldungen“ um. Darunter „Nachrichten“ und „Veranstaltungen“. Ja, zur Verwirrung auch hier. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass links ein graues Rädchen erscheint, wenn der Mauszeiger über die einzelnen Zeilen der Favoriten gleitet. Jede Zeile, die unter den Veranstaltungen erscheint, kann von den Favoriten entfernt werden – genau das wollen wir. Hier erscheinen später nur noch die Listen, die wir selbst anlegen. Überspring die nächsten drei Zwischenüberschriften in der Spalte namens „Seiten“, „Gruppen“, „Apps“. Dann folgt „Interessen“, worüber wir gleich die Listen anlegen, das einzig Nützliche. Darunter kommt „Freunde“ und nochmal „Veranstaltungen“, sowie „Zahlungen“. Klar, wenn du unbedingt willst, kannst du später noch eine App oder eine Gruppe für, die du wirklich Zeit aufwenden möchtest zu den Favoriten hinzufügen. Tu dir selbst den Gefallen und schmeiß vorerst alles raus.
Listen anlegen: Pain in the Ass
Facebook freut sich jedes Mal, wenn du aufgrund der Informationsflut aufgibst und die Kontrolle an die Algorithmen abgibst. Du musst dich entscheiden was du wirklich wissen willst. Darauf kommst du am ehesten, wenn dir gar nichts mehr angeboten wird außer erholsamer Leere.
Mein erstes zufriedenes Aufatmen war, als ich alle Aktivitäten deaktiviert hatte und nicht mehr mitbekommen musste, welche überflüssigen Alt-Bekannten die Seite von Netto oder das neuste Szene-Café in Berlin geliked hatten. Der nächste Schritt ist etwas Pain-in-the-Ass: Du wirst versuchen müssen Listen anzulegen. Das ist etwas vertrackt weil FB nicht möchte, dass du dir bewusst wirst was dich wirklich interessiert und es dir deshalb extra schwer macht. Die Listenfunktion ist, unterstellen wir es mal, absichtlich so programmiert, dass du aufgibst und die Kontrolle über die News an FB abgibst.
Also, die Listen: Du musst in der linken Spalte die Zwischenüberschrift „Interessen“ finden und direkt darunter, links neben der Zeile „Seiten und Personen“ auf das graue Einstellungsrädchen klicken. Evtl. kannst du „Liste archivieren oder wiederherstellen“ auswählen. Keine Sorge es geht nichts verloren. Auch wenn du dies später wiederholen musst, um überhaupt in das, ich nenne es mal Interessen-Menü, zu gelangen wo du ausschließlich Listen anlegen kannst. Es kann sein, dass „Seiten und Personen“ nicht zu finden ist und du stattdessen rechts neben „Interessen“ auf „Mehr“ klicken kannst. Je nachdem, ob du schon eine oder keine Listen angelegt hast bzw. „Seiten und Personen“ archiviert oder aktiv ist. Es klingt etwas willkürlich, probier es am besten einfach aus.
Wenn du es schaffst, kannst du im Interessen-Menü, eine „+ Liste erstellen“. Ab jetzt beginnt es auch im Sinn der Selbstoptimierung endlich so etwas wie Spaß zu machen. Ich geb dir mal ein paar Vorschläge für m.E. sinnvolle Listen: „Freunde“ und „Bands“. Vielen reicht das schon. Weitere Vorschläge sind z.B. „Kultur meines Wohnorts“ worunter ich neben Museen auch Partylocations und Cafés speichere.
In „Projekte von Freunden“, sammelst du z.B. Seiten die im Aufbau sind, die ab und an mal einen unterstützenden Like brauchen und einen selbst zwischen den etablierten Seiten persönlich interessieren.
„Buisness“ – eine Liste worin abseits von Freizeitinteressen die Dinge landen, die nicht verpasst werden sollen und die Erfolg im Leben versprechen.
„Sonstiges“ für krudes Zeug wie Netto, die Diddl-Maus und Der Postillon.
Außerdem lohnt sich eine Liste für „Magazine“, wie die TAZ, der Freitag, netzpolitik.org und selbstverständlich zebrabutter. Beachte: Es ist die Häufigkeit der Beiträge bestimmter Seiten, die es unmöglich macht den eigenen News Feed als angenehm zu empfinden. Besonders dann, wenn alles in einem riesigen Sammelsurium untergeht und von Algorithmen für dich geordnet wird. Durch die Listen bestimmst du die Wichtigkeit der einzelnen Kategorien.
Bestimmte Freunde, die wir in eine Liste stecken, wollen wir stalken – scheiße, jeden verdammten Like sofort mitbekommen! Die Postings über Projekte lassen sich auch noch zwei Monate später überfliegen. Alle Artikel der Magazine zu lesen ist utopisch, diese teilweise wiederkehrenden und tagespolitischen Themen, lassen sich so auch mal komplett ignorieren.
Der Zwang, eine Liste kontinuierlich zu verfolgen entsteht aus der persönlichen Bindung an ein Interessengebiet. Halte deswegen die wichtigen und unwichtigen Interessen voneinander getrennt und steck sie in eine thematische Kategorie.
Die Facebook-Maschine wehrt sich
Obwohl du jetzt schon das Gröbste überwunden hast, quasi das Herz von Facebook, also die Unordnung, wird es noch einmal etwas aufreibend. Es ist die ersten Tage nicht absehbar, wann und wo deine Listen erscheinen. Das mag verrückt klingen, aber es ist so: Nachdem du dich entschieden hast, was du von deinem ultimativen Berg an Interessen in eine (private!) Liste steckst und ihr einen Namen gegeben hast, wirst du dich wundern, weil sie nicht in der linken Spalte erscheint.
Wenn du Pech hast noch nicht einmal dort wo du die neue Liste angelegt hast. Wonach sich das richtet? Keine Ahnung. Meine Erfahrung ist allerdings, dass die Liste auf- und wieder abtauchen wird bevor sie bleibt. Nicht verzweifeln, denn du wirst dich fragen wozu du dir die ganze Arbeit gemacht hast und ganz ehrlich gesagt glaube ich inzwischen, das die einzige Erklärung dafür ist, dass die Facebook-Maschine merkt, dass du sie kontrollieren willst und sie sich deshalb wehrt!
Es wird mitunter zwei bis drei Tage dauern bis deine Liste unter der Zwischenüberschrift „Interessen“ auftaucht, du sie von dort in die Favoriten bewegen kannst, dort eine vertikale Ordnung anlegst und dies auch so bleibt.
Das allerdings ist dann der erlösende Moment auf den du dich freuen kannst.
Nachdem Log-In siehst du mit zunehmendem Glück: Keine neuen Beiträge.
Wenn du etwas siehst, de-abonnierst du es. Dann lässt du dir eine Liste anzeigen zu der die Seite passt und tippst rechts in die kleine Suchleiste „+ zu dieser Liste hinzufügen“ den Namen. Möchtest du eine Seite von der Liste entfernen klickst du rechts auf „Alle anzeigen“ und kannst nach einem Namen suchen und ihn über das kleine weiße „x“ im Miniatur-Profilbild aus der Liste schmeißen.
An manchen Tagen wirst du merken wie gut du es findest, dass du dir einfach nur die Aktivitäten deiner Freunde ansiehst in deren Stadt du grad unterwegs bist. Oder dass du mal keinen Bock hast auf die News der Tagespresse. Und es wird dich freuen, dass du alles mitbekommst von den Bands die dich wirklich interessieren!
Bildquellen
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