Gefährliche Besserwisserei

Egal ob Corona oder Klimawandel: Warum glauben all die selbsternannten Skeptiker, mehr Ahnung von solch komplexen Themen zu haben als ausgewiesene Experten?

Fußballspieler gehören nicht zwingend zur intellektuellen Elite dieses Landes. Vor einiger Zeit wehklagte Freiburg-Stürmer Nils Petersen, als Fußballer kulturell zu verdummen. Ex-Profi Thomas Broich berichtete einst, dass er früher als Außenseiter galt, weil er in der Kabine ein Buch las.

Ein intellektuelles Armutszeugnis der verstörenden Art bot vor kurzem der ehemalige Nationalspieler Thomas Berthold. Berthold blies auf einer Demonstration der selbsternannten „Querdenker“ in das Horn der Corona-Leugner.

Bemerkenswert war dabei Bertholds Begründung, warum er sich als Experte in Sachen Corona sieht: Er habe seit mittlerweile 20 Jahren Erfahrung in Mikrobiologie, weil er einmal an Brucellose erkrankt war.

Die Logik der Laien

Diese eigenwillige Logik ist bezeichnend für unser postfaktisches Zeitalter. Egal ob in Bezug auf den Klimawandel oder Corona: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Experten werden von Leuten in Frage gestellt, die nachweislich keinen blassen Schimmer von der Materie haben. Doch gilt dies nicht allein für die Wissenschaft, sondern auch für Medien, Politik und vieles mehr.

Es heißt immer wieder, wir hätten 82 Millionen Bundestrainer, die exakt wüssten, wie die Nationalmannschaft zu spielen habe. In diesem Sinne haben wir plötzlich auch 82 Millionen Klimaforscher und Virologen, die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben.

Sie lassen sich nichts mehr erzählen, weil sie zu dem Thema mal einen Artikel gelesen oder ein Video gesehen haben (Wenn überhaupt!), und schenken einem veganen Koch mehr Gehör als einem der weltweit führenden Corona-Forscher. Aber was sind schon ein Leben lang Studium und Forschung im Vergleich zum angelesenen Wissen des Besserwissers zu einem Thema, von dem er bis vor einem Jahr nicht einmal wusste, dass es existiert?

Grenzenlose Unwissenheit

Woher kommt diese Besserwisserei? Sicherlich spielen narzisstische Selbstüberschätzung und Rechthaberei eine Rolle, wonach man tatsächlich davon überzeugt ist, das eigene Wissen sei absolut. Frei nach Sokrates ist bekanntlich weise, wer weiß, dass er nichts weiß. Der Unwissende hingegen besitzt keine Vorstellung von seiner Unwissenheit.

Hinzukommt ein generelles Misstrauen gegenüber Autoritäten, das sich aus jahrelanger Unzufriedenheit und Enttäuschung speist und nicht zuletzt von gewissen politischen Kräften genährt wird.

Auch das Internet trägt seinen Teil dazu bei. Die Zeit, als Radio, Fernsehen und Zeitungen die Welt einordneten und den Diskurs bestimmten, ist lange vorbei. Mittlerweile kann jeder in Blogs, Podcasts und YouTube-Videos erzählen, was er will – frei von der Bürde eines wissenschaftlichen oder journalistischen Ethos. Solche Inhalte stehen dann gleichberechtigt neben seriösen Qualitätsmedien. Leider fehlt den unverbesserlichen Skeptikern die Kompetenz, einschätzen zu können, welche Quellen aus welchen Gründen vertrauenswürdig sind oder nicht.

Triumph der Dummheit

Übrigens beschreibt der Dunning-Kruger-Effekt eben jenes Phänomen, wonach Unwissenheit oft zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. Unwissende neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, während sie die überlegenen Fähigkeiten anderer unterschätzen bzw. gar nicht erst anerkennen.

In seinem Essay „The Triumph of Stupidity“ fasste Bertrand Russell das Dilemma 1933 wie folgt zusammen: „The fundamental cause of the trouble is that in the modern world the stupid are cocksure while the intelligent are full of doubt.”

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