Großwildjagd mit Axelle Despiegelaere und Steven Spielberg
Wer wissen möchte, wie Netzaktivismus schief gehen kann, der sollte sich anschauen wie Steven Spielberg und Axelle Despiegelaere auf Großwildjagd gehen.
Die Geschichte von einem Paradebeispiel des fehlgeleiteten Klick-Aktivismus (Klicktivismus?) ist lang und verworren.
Sie beginnt damit, dass sich während der WM 2014 zufällig die Kameras auf den belgischen Fan Axelle Despiegelaere richteten. Eine Kosmetikfirma erkannte, dass sich mit dem Gesicht – in das sowieso schon eine Menge Menschen auf der Welt verliebt waren weil es immer wieder gefilmt wurde – höchstwahrscheinlich eine Menge Haarpflegeprodukte verkaufen lassen würden, und drehte noch in Brasilien einen Werbespot.
Was niemand wusste war, dass das Model auch ein Faible für Großwildjagd hat. Sie selbst stellte ein Foto auf ihre Facebook-Seite, dass sie neben einer erlegten Gazelle zeigt.
Wie auch schon ein paar Wochen vorher ein ähnliches Foto der Cheerleaderin Kendall Jones sorgte das Bild für Empörung im Netz. Die Kosmetikfirma ruderte als Reaktion darauf sofort zurück, Despiegelaere verlor ihren Modelvertrag wieder.
Und damit wäre die Sache auch eigentlich wieder vorbei gewesen – nur eine kleine Empörung, ein kleines Skandälchen am Rande. Man hätte vielleicht noch etwas über die Frage nachdenken können, warum ausgerechnet Frauen keine Jägerinnen sein dürfen, oder die Frage, wie legal nun eigentlich die Gazellenjagd ist, und wenn ja, warum genau, aber das sind ja auch schon wieder spezifische Randfragen.
Steven Spielbergs Ankunft
Dann allerdings betrat Steven Spielberg die Bühne. Der Amerikaner Jay Branscomb postete im Nachklapp zu den Jägerinnen-Debatten ein Foto, dass 1993 am Set von Jurassic Park entstanden war und den Regisseur in einer ähnlichen Pose wie die Jägerinnen vor einem Triceratops-Modell zeigt. Dazu schrieb er den Text:
Disgraceful photo of recreational hunter happily posing next to a Triceratops he just slaughtered. Please share so the world can name and shame this despicable man.
Was als kleiner Witz am Rande gedacht war, nahm Fahrt auf, als Menschen den Witz für bare Münze nahmen und offenbar glaubten, es hätte tatsächlich jemand eine seltene Riesenechse getötet. Das Netz lachte, und begann Fotos zu basteln, die Spielberg vor allen möglichen erlegten Tieren zeigen – unter anderem vor Fuchur, einem AT-AT und Bambis Mutter.
Die Rache des Netzes
Tatsächlich ist es immer interessant, die Entstehung eines Memes in freier Wildbahn zu beobachten, sich anzuschauen, wie es angenommen und variiert wird, wie es sich in seinem Lebenszyklus verändert und irgendwann in die Metafeedbackschleife eintritt.
Wie erfolgreich nun Spielberg und sein Triceratops sein werden, muss sich erst noch zeigen. Was immer eine Rolle spielt, ist die Adaptions- und Variationsfähigkeit des entsprechenden Bildes, die Pointenfähigkeit, und tausend andere kleine Sachen mehr.
Interessant ist auch immer, wie Bilder, die oft nur als Wegwerfwitz gedacht sind plötzlich zu mehr werden, anfangen, politische Botschaften zu transportieren, Sozialkritik, oder Regeln menschlichen Zusammenlebens zu verhandeln.
Auf nichts gerichtete Entrüstung
Spielberg und sein Triceratops können und sollten auch so gelesen werden, und das macht höchstwahrscheinlich auch den Erfolg gerade dieses speziellen Memes aus: Während ja die Frage, ob und wie mit der Jagd auf Großwild umgegangen werden soll durchaus legitim ist, zielen Spielberg und der Triceratops auf eine ganz andere, viel allgemeinere Ebene.
Unter der Oberfläche – gerade im Zusammenhang mit der, vielleicht angeblichen, Leichtgläubigkeit der Facebook-Kommentatoren – geht es um Netzaktivismus. Um Menschen, die sich in sozialen Netzwerken sofort und ohne weitergehende Recherche über irgendetwas empören und ohne nachzudenken sofort teilen. Spielberg und der Triceratops zeigen in parodistischer Überhöhung, was diese Empörung eigentlich wert ist: Nämlich gar nichts.
Es ist oft einfach nur unrecherchiert und unreflektiert auf irgendetwas gerichtete Entrüstung, oft völlig grundlos oder in die völlig falsche Richtung und letztendlich nichts geschuldet außer sozialer Dynamik, die dann irgendwann ungeachtet der tatsächlichen Fakten sich selbst befeuert.
Die Lehre des Triceratops
Dass der Ausgangspunkt die Bilder von Axelle Despiegelaere und ihr Faible fürs Erschießen von Tieren gewesen ist, spielt in dem Zusammenhang tatsächlich keine Rolle mehr. Ob das jetzt ein Skandal, ein Skandälchen oder gar nichts gewesen ist, sollte jeder für sich entscheiden. Es war nur ein Absprungbrett für die Visualisierung eines viel wichtigeren, viel größeren Problemes.
Denn Spielberg und der Triceratops sind eben nicht nur ein Gag, nicht nur ein witziges, teilbares Bildchen, sondern eine Erinnerung daran, dass soziale Medien ein mächtiges Werkzeug für jede Art von Aktivismus, für jede Art politischer Botschaft sein können. Allerdings auch eines, das dazu verleitet, es leichtfertig und schnell zu benutzen.
So gesehen sind Spielberg und der Triceratops eine wichtige Erinnerung daran, mit dem Teilen der nächsten Petition oder der nächsten Entrüstung über ein gephotoshopptes Bild vielleicht doch mal fünf Minuten zu warten.
Denn die Lehre des Triceratops ist diese: Think before you link.
Bildquellen
- 2014-07-23-axellegazelle: http://images.huffingtonpost.com/2014-07-23-axellegazelle.jpg
- Director Steven Spielberg with Triceratops: http://images.huffingtonpost.com/2014-07-23-spielberg.jpg