Hurricane 2023: Sonntag
Am Sonntag gibt Henner die Feder ab. Stattdessen berichtet sein Kollege Paul von Panama, Wanda und Prosecco.
Sonntag, letzter Festivaltag, Endspurt. Ich bin von der andauernden Hitze inzwischen so platt, dass ich den heutigen Bericht meinem Kollegen Paul Wiszinski überlasse. Der ein oder andere kennt ihn vielleicht von seiner Band Polaroit, beruflich kümmert er sich bei uns um die zugangsoffenen Sendeplätze. Hier seine Eindrücke.
Das Hurricane Festival 2023 hat in den letzten Tagen warm angefangen und ist jetzt selbst schon morgens ziemlich heiß geworden. Und einen kleinen Kater hab ich auch. Aber das ist wohl das geringste Problem. Zum Glück gibts heute nicht so viel zu tun und zu gucken. Mein Plan: Wanda und Queens of the Stone Age. Den Rest des Tages will ich mich mit meinen letzten Dosen Prosecco und der Suche nach
Schatten beschäftigen. Ein machbares Sonntagsprogramm.
Also packe ich mir meinen Rucksack mit Sonnencreme, Sonnenhut, Prosecco, Ladekabel und Buch und laufe damit zum Pressezelt. Das Ding ist zwar tagsüber ziemlich stickig, aber ein guter Rückzugsort, weil man sich auf dem Campingplatz den ganzen Mallefressen und Sauftypen nicht entziehen kann. Am vierten Tag ist man da schon ganz schön weich gekocht und mein ADHS-Gehirn braucht dann eine kleine Pause von den ganzen Reizen.
Der Weg nach Panama ist lang.
Vor dem Pressezelt sehe ich zwei Personen in Lila Shirts. Auf der Hemdtasche steht „Panama“.
Mein erster Gedanke ist: „Krass, es ist Sonntag und ich sehe die Shirts zum ersten Mal.“ Dafür, dass
sich das Hurricane Festival so damit brüstet, ein in Deutschland herausragendes Awarenesskonzept
zu haben, finde ich das ganz schön mau.
„Ich kann dich voll verstehen, wir sehen das genau so“, sagen die beiden Personen vom Awarenessteam. „Wir sind auch nicht viele Leute, dafür, dass hier über 70.000 Menschen sind.“ Ich spreche sie auch darauf an, dass der Safe Space für Personen in Problemlagen direkt neben der mobilen Polizeiwache ist. Für Leute, die gerade (sexuell) bedrängt worden sind, gibt es keine Sicherheit durch die Polizei.
In erster Linie sollte es darum, zuzuhören und Verständnis gehen. Wenn man sich dann direkt neben Beamt:innen wiederfindet, kann das die Überforderung in der Situation nur noch weiter stärken, finde ich. Gerade auf den Campingplätzen ist es schwer, FLINTA-Personen genügend Schutz zu bieten, wenn viele betrunkene Männer enthemmt durch die Gegend grölen. An wen wendet sich man dann? An die Security an den Campingplatzeingängen, die bis auf ein paar Ausnahmen alle männlich und nicht für solche Situationen geschult sind? Geschult bedeutet übrigens in diesem Fall, dass im Crew-Heft ein paar Punkte drin stehen, die die Ordnungsdienstler:innen im „Panama-Protokoll“ zu beachten haben. „Wir patroullieren nachts über die Campingplätze, und sind dabei eigentlich nur damit beschäftigt, die Secus anzuscheißen“, sagt die Person vom Awarenessteam. Uff.
Ich habe auch während des ganzen Festivals mit vielen Personen über ihre Erfahrungen gesprochen.
Dabei kam auch immer wieder der Wunsch nach geschützten Campingplätzen auf. Ohne Männer. Reines FLINTA-Camping. Da sollten die Veranstalter*innen gerne mal drüber nachdenken.
Aber vielleicht ist es schon mal gut, dass das Awarenessteam selber kritisch zum eigenen Konzept steht. Das kann viel verbessern. Aber auch nur, wenn die Personen und Meinungen gehört werden. Ich bin gespannt, wie sich das Ganze in den nächsten Jahren entwickelt.
Back to the Music: Wanda
„Wir sind die einzige Band, die säuft und raucht wie die Arschlöcher!“, ruft Marco Wanda. Damit
hat er (fast) recht. Zwar trinken die Wiener während der Show nur Wasser, jedoch passiert es
mindestens ein Mal, dass alle Bandmitglieder gleichzeitig je eine Zigarette im Mundwinkel kleben
haben. Das gefällt mir. Da dreh’ ich mir direkt eine drauf. Image: 11/10.
Mittlerweile ist es Abend und die Sonne brennt nicht mehr ganz so doll in meinem Nacken. Mein
bester Freund schreibt mir eine Nachricht: „Oh mein Gott, ich hab mir die „Queens of the Stone Age-Show“ aufm Southside im Fernsehen angeguckt. Die haben ein KILLERSET gespielt!“ Er ist Fan. Das merkt man. Aber das macht mir auch noch mehr Lust auf die Show. Und die ist tatsächlich killer: Die – mittlerweile doch schon ziemlich alte Band – (Eine von vielen, musste ich dieses Wochenende öfter feststellen. Grüße auch an Billy Talent) – legt direkt mit „No One Knows“ los, und ab da an knallt es nur noch. Killer. Geil. Rockmusik. Josh Homme sieht mittlerweile ein bisschen aus wie ein alter, gefährlicher, Intensivstraftäter. Bart, Rot-Braune Haut und viele Spuren. Aber der Typ hat ja auch schon einiges hinter sich.
Mit einem frischen Bier schaue ich mir Die Ärzte an. Die haben mich nie richtig interessiert, aber ich war der Meinung, dass das in einer Vita drin stehen sollte, dass man die mal gesehen hat. Spoiler: Für die Vita war es in Ordnung. Nach zwei Liedern dachte ich mir aber: „Ok, wenn ich die Band und die Songs nicht kennen würde, dann wäre das echt ein Band-gewordener Müllhaufen.“ Die sind echt keine gute Band. Immerhin ist der Prosecco, den ich dabei hatte, inzwischen in meinem Kopf angekommen. Da kann ich über die Ärzte hinwegsehen und ein bisschen mit brüllen: „ARSCHLOCH!“
Nach einer Stunde reicht’s dann auch und ich will ins Bett. Der Hurricane-Sonntag ist vorbei. Endlich ins Bett. Und Morgen nach Hause. Meine Füße werden es mir danken.