Ich bin angekommen
Martin Spieß weiß nicht, wieso er erst jetzt über Smile And Burn gestolpert ist. Die Berliner Band hat gerade mit Seid ihr stolz auf mich? ein fantastisches neues Album rausgebracht, findet er.
Manchmal fragt man sich schon, wie einem eine Band so lange entgehen konnte. Das ist natürlich eine zugegebenermaßen einfältige Frage, denn mal ehrlich: Es gibt da draußen so viele unfassbar gute Künstler*innen (nicht nur im Bereich Musik), die man entweder gar nicht oder erst spät entdeckt – und die selten bis nie den Erfolg haben, der ihnen gebührt. Jaja, ich weiß, der böse Markt, der kack Kapitalismus, wisst ihr alles. Ist nichts Neues.
Neu – nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen – ist Seid ihr stolz auf mich?, das neue Album von Smile And Burn, das gerade erschienen ist.
Hadern mit dem, was war
Es ist bereits das (wenn Wikipedia recht hat) achte Album, und nicht nur meine Trauer wächst gerade ein wenig, sondern auch mein schlechtes Gewissen, so lange im Dunkeln gewesen zu sein und nichts von dieser nun aber wirklich mal ganz und gar großartig zu nennenden Band mitbekommen zu haben.
Auf Seid ihr stolz auf mich? geht es nicht nur um Kindheit, Familie und Erwachsenwerden, nicht nur ums Hadern mit dem, was mal war und dem, was man noch an Gepäck mit sich rumschleppt. Es geht nicht nur um einen Platz in einer (vor allem politisch) kleiner werdenden Welt, es geht nicht nur darum, dass die Alternativen zum Handeln weniger werden.
Die Themen sind so breit gefächert, dass weniger starke Bands in die Wahllosigkeit abdriften würden. Smile And Burn nicht. Auch musikalisch – sie klingen nach einer Melange aus Adam Angst, August August und Nullzwo – haben sie griffige Riffs, packende Hooks und tanzbare Beats. Obwohl einem ein bisschen das Tanzen vergeht, wenn es in Alle verlieren, dem letzten Song des Albums heißt: „Hast du gehört? Da drüber sterben Kinder! Lass ma Tanzen geh’n“ Und in der Hook kulminiert es dann: „Am Ende wird alles gut, aber eben nur am Ende / bis dahin verlieren wir Tag für Tag für Tag“
Runde Texte und eingängige Songs
Es ist unschwer zu erkennen: Seid ihr stolz auf mich? – und wie fantastisch ist bitte allein der Titel? – ist kein optimistisches Album, das will es aber auch gar nicht sein. Es verhandelt Kanten und Schmerzen, Zurückgebliebenes (um nicht „Traumata“ zu sagen) und Weitermachen-Wollen sowie (Welt-)Politisches – man muss ja nur die Nachrichten anschalten, um zu sehen, wie viel Scheiße gerade passiert.
Smile And Burn gießen das alles in so runde, poetische Texte und so eingängige Songs, dass man (ich) nicht anders kann als durch und durch begeistert zu sein von einer Band, die Haltung zeigt und geile Mucke macht. Die tolle Songs schreibt und tolle Texte.
Ich weiß: Ich bin late to the party, aber das möge man mir vergeben. Jetzt bin ich da und stelle mich auch gerne hinter die Bar, räume leere Flaschen weg oder gehe noch mal zur Tanke, neues Bier holen. Danke, Smile And Burn. Je suis arrivé.