Klolektüre: Hammerharte Horrorschocker im Hostel Superbude in St. Pauli

Ändern sich Bücher, wenn sie Klolektüre sind? Was eignet sich für die Toilettensitzung und was nicht? Was für Bücher liegen da überhaupt? Wir finden es heraus. Buch für Buch. Heute: Suspense und Hammerharte Horrorschocker.

2015-11-12 16.50.10Die Superbude ist ja nun schon großartig genug: Zwei Querstraßen vom Schulterblatt ist sie so ein Zwischending aus hippem Hotel und edler Jugendherberge. Ich bin sehr dankbar, dass die HafenCity Universität mich hier für ihre Tagung eingebucht hat. Es ist aber auch konsequent: urban zu wohnen, wenn man gekommen ist, um über Kunst und Stadt zu diskutierteren. Die Atmosphäre hängt irgendwo zwischen originell, zweckmäßig, familiär und ästhetisch. Das Badezimmer ist der Hit. Mit großer Regendusche, tiefem rechteckigem Waschbecken – und Klolektüre. In einem zweckentfremdeten Flip Flop steckt ein Comic-Groschenheft aus der Reihe Hammerharte Horrorschocker des deutschen Verlags WEISSBLECH Comics. Auf dem Cover klebt vorsichtshalber der Hinweis „Nur für die großen Kinder / Adults only“. Ansonsten trägt das ziemlich aktuelle Heft 39 den Titel „Achtung Sperrgebiet“.

Darin lese ich drei Comics von deutschen Autoren und Zeichnern, tatsächlich kurz genug für einen erweiterten Toilettenaufenthalt. Die Geschichten sind klassisch aufgebaut und streben angenehm zügig auf ihre Gruselpointen hin. Wo sie dabei vorhersehbar sind, entwickeln sie eine Spur Suspense, also jene von Hitchcock bevorzugte Erwartungsspannung, die entsteht, wenn der Zuschauer oder Leser mehr weiß oder ahnt. Was vermutlich ein Zufall ist, mir aber heute besonders gut gefällt: Alle drei Geschichten spielen in und um Hamburg. Ich fühle mich als Gast der Stadt also wärmstens willkommen. Es gibt eine Geschichte über Elbhochwasser, Genforschung und Schleimzombies und eine über den Versuch, die Wenden zu missionieren. Als alter Call-of-Cthulhu-Rollenspieler mag ich jene über den Hafenbasar am liebsten, in der ein alter Überlebender Relikte von Schiffskatastrophen sammelt. Eine Miniatur mit einem Hauch dieses altmodischen Mystery-Grusels, der an jenem Aberglauben rüttelt, den man natürlich im Smalltalk leugnen würde. Der einen über die Lektüre hinaus begleitet. Jetzt führt mich mein Weg gleich zu den ersten Vorträgen der Tagung an die Elbe, in ein altes Lagerhaus, in dem die Hanseatische Materialverwaltung Dinge sammelt. Ich werde mich dabei mit minimal verschobener Perspektive im Raum umsehen.

Bildquellen

  • 2015-11-12 16.50.10: Thomas Kaestle
  • 2015-11-12 16.36.02: Thomas Kaestle