Mirkos Lovecouch: Ein Mann schreibt über seinen Penis, was aber kein großes Ding ist

Mirkos Lovecouch – unsere Sexkolumne für Porno, Erotik und Schmuddelkram. Heute: Ein Mann schreibt über seinen Penis, vergleicht ihn mit einem Katzenbaby und kündigt ein Dickpic an.

Mirko Wenig hat Judith Butler und Sasha Grey gelesen – beides mit Gewinn. Er wunderte sich in einem Seminar zur Soziologie der Pornographie, dass die TeilnehmerInnen zu 80 Prozent aus Frauen bestanden, schrieb während seines Studiums mehrere Arbeiten zu Genderdiskursen und rezensierte bereits erotische Literatur von und für Frauen, als 50 Shades of Grey noch nicht einmal angefangen war und E.L. James noch Erika Leonhard hieß. Für zebrabutter schreibt er eine Sexkolumne – über Porno, Erotik und Schmuddelkram.

Ich gehe jetzt wieder ins Fitnesscenter, es nützt ja nichts. Dass so ein dicker Bauch ein erstrebenswertes Männlichkeitsattribut sei, behaupten ja eher Männer, die einen davon haben. Und wenn ich dann so unter der Dusche stehe, kann es passieren, dass ein Zwei-Meter-Typ danebensteht, rasierte Arme und Beine, gezupfte Augenbrauen, wirklich muskulös, und na ja: der hat dann mitunter auch so ein Hammerteil. Eine Donnernudel, Fleischrakete, einen 12-Pfund-Kolben. Also wirklich groß. Ich schaue da nicht bewusst hin, und eigentlich würde ich den
Anblick auch gerne vermeiden. Ich bin keiner von den Schwanzvergleich-Typen, die Dickpics an unbekannte Schönheiten verschicken. Wenn ich auf eine Männertoilette gehe, schließe ich mich grundsätzlich lieber ein, auch für das kleine Geschäft. Aber manchmal sieht man ja versehentlich doch etwas.

Wenn ich da so rüberschiele, denke ich manchmal: „Mannomann!“ Mehr denke ich eigentlich nicht. Aber ich frage mich schon heimlich, ob sie ihre Dinger mittrainieren. Mit 20-Kilo-Hanteln oder so. Frauen machen ja auch Beckenbodengymnastik. Es ist nur ein vager Verdacht. Ich habe jedenfalls noch nie jemanden in dem Fitnesscenter seinen Penis trainieren sehen. Vielleicht habe ich nur nicht genau genug hingeschaut. Manche Männer stöhnen ja schon auffällig laut, wenn sie mit dem Bauch auf einer Hantelbank liegen und Gewichte stemmen. Als kämen sie gerade zum Höhepunkt.

Meiner ist übrigens nicht sooo sonderlich groß. Aber auch nicht winzig klein. Wäre mein Penis ein Bundesliga-Verein, dann würde ich sagen: eher der FC Augsburg als der FC Bayern. Aber auch der FC Augsburg findet ja seine Anhänger. Und seine Anhängerinnen. Ein einziges Mal hat sich eine Frau tatsächlich über die Größe beschwert. Sie nannte ihn „niedlich“, wenn auch mit leicht spöttischem Unterton. Katzenbabys sind auch niedlich, und jeder -nun ja, fast jeder- mag Katzenbabys. Ich habe da unten ganz flauschige Locken, deshalb ist der Vergleich nicht mal so abwegig. Ich rasiere mir das Schamhaar nicht weg, denn so ein Penis, das ist bekannt, sieht im schlaffen Zustand ohnehin aus wie ein Nacktmull ohne Zähne. Also eigentlich erbärmlich, ein wenig runzlig und kümmerlich, und das trifft selbst auf die Zwölfpfünder im Fitnesscenter zu. Da kann es nicht schaden, wenn Mann sich da unten ein bisschen Flausch stehen lässt.

Eine Studie der Konkuk-Universität in Seoul will 2015 herausgefunden haben, dass sich grundsätzlich der Größenunterschied zwischen Mann und Frau in einer Ehe auf das Glücksempfinden der Partnerin auswirkt. Je größer der Mann, desto glücklicher die Frau. „Eine Erklärung ist der grundsätzliche Reiz eines großen Mannes an sich. Frauen mögen einfach große Männer, ohne dabei jedoch die genauen Gründe nennen zu können“, erläutert der Psychologe Dr. Sohn, der die Studie geleitet hat. Aha. Und dann schiebt der Forscher noch so eine Neandertaler-Erklärung hinterher: Große Männer könnten ihren Nachwuchs besser gegen Angriffe von Feinden verteidigen. Und deshalb fänden Frauen große Männer toll. Das hat der Forscher nicht abgefragt, sondern nachträglich argumentativ über seine Studie drübergestülpt. Frauen bevorzugen also große Männer mit großen Keulen, die groß zuhauen können. Eben so Neandertaler- Typen, auch wenn diese eigentlich ausgestorben sein sollten.

Ich finde diese Argumentation schwierig. Der Mensch zeichnet sich ja angeblich dadurch aus, dass er sich von seiner Natur lösen kann. Ein bisschen zumindest. Er kann reflektieren und Kultur entwickeln. Und schon unser in Höhlen lebender Vorfahr erbringt den Beweis, dass Größe nicht alles ist. Nein, nicht mit seinem Penis, sondern mit seinem Hirn. So erklärt uns der Wissenschaftsjournalist David Robson in seinem Artikel A brief history of the brain, dass das Gehirn der heute lebenden Menschen drei bis vier Prozent kleiner ist als das Gehirn der Vorfahren vor 10.000 bis 15.000 Jahren. Unser Hirn ist in all den Jahren geschrumpft! Und trotzdem haben wir heute, im Gegensatz zu unseren Urururururururururururgroßmüttern und -vätern, das Smartphone, Viagra und den Latte macchiato. Wir sind nicht dümmer geworden, nur weil das Hirn sich verkleinert hat! Weshalb das Hirn des Menschen im Laufe der Jahre schrumpfte, dazu gibt es verschiedene Theorien. Die einfachste: es arbeitet effizienter, ist in sich besser vernetzt. Deshalb darf es ruhig ein bisschen kleiner sein. Es ist wie mit den Computern: die wurden auch immer effizienter, je besser die Technik entwickelt war. So ein Hochleistungsrechner aus den 50er Jahren passte in keinen Laptop- Rucksack, da brauchte man schon mehrere große Räume für. Erst mit der Erfindung des Mikrochips zwanzig Jahre später wurde unsere heutige Vernetzung der Welt möglich. „Mikro“ als Vorsilbe für „klein“: Hatte ich schon erwähnt, dass Größe nicht alles ist?

So ein Penis stört ja auch bei manchen Dingen, vor allem, wenn er groß ist. Zum Beispiel beim Radfahren. Ich sage immer: der erste Mensch, der einen Radsattel erfindet, bei dem Hoden und Schwanz nicht stören, wird unermesslichen Reichtum ernten. Bisher ist noch jeder Erfinder an dieser Aufgabe gescheitert. Sogar beim Schlafen, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, kann das Glied Schaden nehmen. Mehr als 11 Prozent aller Penisbrüche ereignen sich beim Schlummern auf dem Bauch, so las ich in einem urologischen Fachbuch. Knack! Liebe Männer, solltet Ihr früh aufwachen, der Penis geschwollen und bläulich verfärbt sein, dann sucht mal besser schnellstmöglich einen Arzt auf.

Gewitzte werden jetzt einwenden: den Kern des Schwanzvergleich-Problems habe ich noch gar nicht angesprochen. Nämlich die Frage, ob ein größerer Penis auch mehr sexuelle Lust verspricht, und zwar den Frauen. Ich habe also eine Frau beim Bier mit der Schwanzvergleich Thematik konfrontiert und sie versuchte erst einmal, argumentativ geschickt, alle Männer als kleine Trottel hinzustellen, in deren Sehnsucht nach einem Penis sich ihre grundsätzliche menschliche Unreife spiegelt.
„Wir Frauen kämen nie auf die Idee, die Größe unserer Klitoris miteinander zu vergleichen!“, erklärte sie feierlich. „Dabei wäre das absolut naheliegend. Auch die Klitoris ist nämlich eine Art Schwellkörper, der bei sexueller Erregung anschwillt. Ihr Männer aber fragt euch immerzu, wer den Größten hat! Das ist doch kindisch.“
„Aber ihr vergleicht doch Eure Brüste!“, warf ich ein. „Frauen lassen sich sogar Plastikkissen unter die Haut setzen, damit sie größere Brüste haben, und das ist ja wohl das Absurdeste überhaupt!“
Das war von meiner Seite nun ein wenig ungeschickt, weil meine Gesprächspartnerin auch eher kleine Brüste hat. Es entspann sich eine Diskussion darüber, ob das mit den Silikonbrüsten nun Schuld der Männer sei, weil sie in einer patriarchalisch geprägten Welt den Frauen immer immer noch ein Schönheitsideal aufoktroyieren – oder ob die Frauen nicht selbst auch Mitschuld tragen, weil eben immer mehr Frauen sich operieren lassen. Wir waren uns dann schnell einig, dass es egal ist, wie groß oder klein eine Brust oder ein Penis sind, aber vielleicht lag das auch am Bier.

Ich jedenfalls würde mich bereit erklären, tatsächlich einmal mein bestes Stück für ein öffentliches Dickpic zur Verfügung zu stellen. Aber nur für eine ganz besondere Frau. Soraya Doolbaz nämlich, eine iranischstämmige Künstlerin, die in New York lebt. Doolbaz bezeichnet sich selbst als „professionelle Penis- Fotografin“, und tatsächlich macht sie gar hinreißende Fotos von dem vermeintlich besten Stück des Mannes: Penisse mit Sonnenbrille und Lederjacke, Penisse im Weihnachtsmann-Mantel, Penisse mit Schlapphut, ein Penis als Napoleon verkleidet. Und so wird selbst ein vermeintlich mittelprächtiger Pimmel zum großen Star. Ihr könntet das Foto dann in den sozialen Medien herumreichen, sagen: „der ist doch echt niedlich!“ und er bekäme mehr Likes als jedes Katzenbaby. Aber das wäre dann auch kein großes Ding.

Bildquellen

  • animal-1238228_1920: https://pixabay.com/de/tier-attraktiv-sch%C3%B6ne-junge-brown-1238228/