Wenn Steven Wilson, eine Koryphäe des Progressive Rock, seine dramatische Power-Ballade Routine live zum Besten gibt, rührt er damit nicht wenige Besucher zu Tränen. Das Lied erzählt von einer Mutter, die ihren Mann und ihre zwei Söhne durch einen Amoklauf in der Schule verloren hat. Um die Tragödie zu verarbeiten und die innere Leere zu kompensieren, hält sie zuhause ihren gewohnten Alltag aufrecht. „Routine keeps me in line, helps me pass the time“. Irgendwann erkennt sie, dass Verdrängung ihr altes Leben nicht zurückbringt.

Die Geschichte wird über knapp neun Minuten erzählt, was als Songlänge im Prog Rock-Bereich keine Seltenheit ist. Geduldig und überlegt bereitet Wilson den seelischen Zustand der Figur musikalisch auf. Das Lied durchläuft verschiedene Phasen, dessen emotionaler Höhepunkt im hinteren Gesangsteil der israelischen Gastsängerin Ninet Tayeb liegt. Erstaunlich ist, wie sehr das Musikvideo mitreißt, das nicht etwa von menschlicher Schauspielleistung lebt, sondern komplett animiert ist.

Routine ist auf dem 2015 veröffentlichten Konzeptalbum Hand. Cannot. Erase. erschienen. Die Ballade gibt es übrigens auch als Solo-Vocal-Version von Ninet Tayeb. Seit einigen Jahren widmet sich Ausnahmekünstler Steven Wilson vornehmlich seinem gleichnamigen Soloprojekt. Er ist vor allem durch seine Band Porcupine Tree bekannt geworden.