Ein MP3 Player mit dem Serial Podcast

Podcasts: Netflix für die Ohren – Die besten deutsch- und englischsprachigen Formate

Podcasts sind das legale Streaming der Audiounterhaltung. Nur in kostenlos. Unsere Podcast-süchtige Autorin empfiehlt ihre liebsten Podcasts.

Von Podcasts habe ich über Tumblr erfahren, als dort die große Welcome To The Night Vale-Hysterie losbrach. Zwar konnte ich mich mit diesem Podcast nie anfreunden, aber immerhin wusste ich nun, dass das Format existiert. Und zwar nicht nur als Schnipsel einer Radiosendung zum Wiederanhören auf der Homepage eines deutschen Radiosenders– dort ebenfalls Podcast genannt.

Richtig Aufwind bekamen die stream- und downloadbaren Audiogeschichten von Podcastern mit der ersten Staffel Serial, allerdings vor allen Dingen in den USA. In Deutschland dümpeln auch großartige Podcasts weiterhin von den anderen Medien und der Mehrheit der Hörenden meist unbeachtet im Schatten der Radiosender. Serial ist ein Podcast, der alles hat, was ich an amerikanischen Podcasts liebe und bei den meisten deutschen vermisse: Eine nutzer- und aufmerksamkeitsfreundliche Länge von unter einer Stunde; ein klares Konzept; eine erkennbare Dramaturgie der Inhalte; und eine professionelle technische Umsetzung. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass viele amerikanische Podcasts, anders als in Deutschland, entweder von professionellen Radiomachern und Radiosendern oder Medienunternehmen produziert werden, oder genügend Publikum erreichen, um dank eingesprochener Werbeblöcke und Sponsorship für Podcaster und Werbende ein profitables Geschäft darzustellen – und deshalb natürlich andere Produktionsmittel zur Verfügung haben als ein Podcast, der nach Feierabend in einem deutschen Wohnzimmer entsteht. Bezahlte Produktion bedeutet Zeit für Podcasts, die ordentlich recherchiert sind, strukturell wie eine gute TV-Serie funktionieren und sich deshalb nicht auf vorbereitungsunintensive und kostengünstige Interviews und Gespräche beschränken müssen.

Die Podcast-Welle hat mich vor etwa zwei Jahren erfasst. Seitdem abonniere ich immer mehr Podcasts (inzwischen 46) und verbringe gut zwei Stunden am Tag mit Kopfhörern auf den Ohren. Fahrradfahren, Busfahren, Einkaufen, Einschlafen, Anziehen und Schminken, Duschen, Kochen. Es gibt so viel Zeit am Tag, in der man zwar beschäftigt ist, aber den Podcast noch obendrauf packen kann. Das Radio habe ich im letzten Jahr vielleicht drei Mal eingeschaltet und jedes Mal festgestellt, dass auch ein guter Podcast nicht an die Qualität eines öffentlich-rechtlichen Radiosenders herankommt. Dazu will er viel zu sehr Unterhaltung sein. Genau das ist aber wahrscheinlich der Grund, aus dem ich an den restlichen 362 Tagen im Jahr lieber zum Handy mit der Podcast-App greife als Radio zu hören. Dabei bin ich allen möglichen und unmöglichen Formaten verfallen – von 20minütigen Grammatik-Überlegungen bis zu den stundenlangen Labersessions von Tim Pritlove.
Anderen Süchtigen oder Noch-Ahnungslosen seien hier die besten Podcasts aus meiner Abo-Liste empfohlen (in alphabetischer Reihenfolge, weil meine App das so will). Wer mir Podcasts empfehlen oder mit mir über die Lage der deutschen Podcastlandchaft diskutieren will: her damit!

Call Your Girlfriend – Zwei beste Freundinnen aus den USA lassen die politischen und popkulturellen Ereignisse des letzten Monats Revue passieren (Parental Advisory: Expliziter Feminismus und böse Witze über „Ivankas Dad“).

Collusion – Ein Meisterstück des Kulturjournalismus, das die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Kolonialismus auf den Zugang zu Wasser, Saatgut und andere Grundversorgungsmittel offenlegt.

CRE. Technik, Kultur, Gesellschaft – Besagter Laberpodcast mit Tim Pritlove. Zum Glück sind die meisten Gäste spannende Persönlichkeiten und bessere Redner als der Gastgeber. So verfliegen die drei- oder vierstündigen Gespräche quasi wie im Flug. Quasi.

Criminal – 20 Minütige Folgen über seltsame Kriminalfälle aus der US-Vergangenheit.

Gravy – Ich liebe Essen und Kochen, und Gravy ist ein Podcast, in dem nicht nur leckeres Essen vorkommt, sondern Geschichten der Esskultur erzählt werden. Produziert wird Gravy von der amerikanischen Southern Foodways Alliance und widmet sich allen Themen rund um Speisewirtschaft, -herstellung und -kultur im Süden der USA. Inklusive gesellschaftskritischer Folgen von Rassismus und Sexismus in allen Bereichen der Industrie.

History Of Philosophy Without Any Gaps – Peter Adamson (Twitter: @HistPhilosophy) versucht sich an einer vollständigen Geschichte der westlichen europäischen Philosophie, mit Abstechern in die asiatische und arabische Philosophie. Einen eigenen Podcast-Ableger zu hinduistischer Philosophie gibt es inzwischen auch. Peter Adamson ist außerdem ungekrönter König der schlechten Witze und Puns.

Kuchenradio – Nach nur 8 Folgen leider scheinbar bis auf weiteres eingestellt. Trotzdem gibt es nichts schöneres, als Lilly (Twitter: @dieLilly) beim Live-Backen zuzuhören und sich zu freuen, wenn am Ende der Holgi aus dem Schrank darf um den leckeren Kuchen zu probieren.

Kumail Nanjiani’s The X-Files FilesAkte X-Fans aufgemerkt! Jede Serien-Folge wird in einer eigenen Podcast-Folge diskutiert, inklusive Recherche in den alten 90er-Messageboards der frühen Fans. Interviews mit den Autoren und Schauspielern der Show gibt’s auch. So lässt sich die Zeit bis zur Akte X-Miniserie im Frühjahr diesen Jahres gut rumbringen.

Leitmotiv – Als ein Celebrity der deutschen Hauptstadt-Kultur-Twitterbubble interviewt Caspar Clemens Mierau (Twitter: @leitmedium) Frauen, die er aus ebenjener Twitterbubble rekrutiert, über ihre Person, ihren Beruf oder ihre Projekte. Mit Zeitlimit, Gesprächsfahrplan und brauchbaren Shownotes. Dafür gibt’s ein <3.

n00bcore – Ihr wolltet schon immer wissen, wie ein Computer funktioniert? Hardware UND Software? Und zwar ganz, ganz genau? Fiona fand es für euch heraus. Und vielleicht seid ihr ja schlauer als ich und habt am Ende tatsächlich verstanden, was euer Computer so tut, wenn er tut was er tut. Ich muss leider für immer ein Noob bleiben.

Selected Shorts – Schauspieler (die Mama aus Malcolm mittendrin!) oder anderweitig beruflich Sprechende lesen Kurzgeschichten meist berühmter Autoren. Die wunderbare Form Kurzgeschichte wird durch die professionellen Performances noch wundervoller.

Serial – Serial heißt wahrscheinlich nicht umsonst so. Der Podcast wickelt sein Thema auf, wie es eine TV-Serie tun würde. In den USA gab es sehr viel Wirbel um die erste Staffel, die sich um die Schuld oder Unschuld von Adnan Syed dreht, der als Schüler eine Mitschülerin getötet haben soll und seitdem in Knast sitzt. Die zweite Staffel untersucht das wie und warum der Gefangenschaft von Bowe Bergdahl, der während des letzten Afghanistan-Krieges fünf Jahre lang von den Taliban als Geisel gehalten wurde.

Slate’s Working – Der Untertitel der Show sagt eigentlich schon alles Wichtige: „A podcast about what people do all day“. Kurze Interviews mit Menschen aus allen möglichen Berufsfeldern über ihre Arbeit im Speziellen und ihren Beruf im Allgemeinen.

Stuff Mom Never Told You – Die Moderatorinnen des Podcasts nehmen alle gesellschaftlichen Themen auseinander, die mit Frauen zu tun haben. Mal mehr, mal weniger ergiebig und fundiert, was sicher auch einem Themenfeld geschuldet ist, das zum größten Teil aus schwer messbaren und unsichtbaren Vorgängen besteht. Wer aber etwas über diesen Feminismus™ lernen möchte, von dem man jetzt so viel hört, und für den persönliche Kommentare und ironische Spitzen nicht gleich die Richtigkeit der Aussagen unterminieren, der ist hier richtig. Oder wer mal wieder einen guten Ragetrigger braucht.

Stuff You Missed In History Class – Meine persönliche, unangefochtene Nummer Eins unter den Podcasts. Für Geschichte habe ich mich nie besonders interessiert, unter anderem auch deswegen, weil ich in meiner Schulzeit nur insgesamt 3 oder 4 Jahre Geschichtsunterricht hatte (Serious Side Eye, Gymnasium der Benediktiner!). Der Podcast schafft es aber, jedes erdenkliche historische Thema inhaltlich und dramaturgisch so aufzubereiten, dass es spannend und unterhaltsam ist. Quasi wie die Sendung mit der Maus, nur ohne Armin, Christoph und Ralph. Und ohne die Maus und den Elefanten. Oder Käpt’n Blaubär.

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