The sun always shines on tv

Protokoll des Protokolls – Mit Rolf Seelmann-Eggebert an Mettes Rockzipfel – The Sun always shines on TV

Rolf Seelmann-Eggebert ist der altehrwürdige Fernsehadelsexperte des ZDF. Mathias Mertens hat ihm vor 15 Jahren dabei zugeschaut, wie er über die Hochzeit von Mette Marit und Haakon von Norwegen sich das Ja-Wort gaben. (# 35 26. August 2001)

Samstagnachmittag: Adelshochzeitszeit. Jetzt sind die Norweger an der Reihe. Super. Mit Mon Chérie und Eierlikör aufs Sofa geschwungen und ZDF angeschaltet. Dort walten allerdings Peter Frey und Nina Ruge und das Ganze firmiert unter dem lächerlichen Namen ZDF Royal live. Klingt wie ein neuer kalorienreduzierter Schokosnack. Das braucht man an so einem Tag nicht. Also rüber zur ARD, ist ja sowieso viel besser, denn da sieht man Rolf Seelmann-Eggebert mal wieder. Immer wenn die Adligen antanzen, dann erscheint er auf dem Bildschirm, stellt ihnen devote Fragen und parliert in Studiorunden mondän über Standesdünkel und Protokollfragen. Die ARD hat so etwas wie „Royal live“ nicht nötig. Da stehen die drüber. Und genauso ist es dann. Der ehemalige Programmchef vom Norddeutschen Rundfunk, etwas gealtert, aber stimmlich voll da, gestattet einer Nachwuchshofberichterstatterin die Talkrunde mit irgendwelchen deutschen Adligen zu gestalten und die Sendung zu leiten, sitzt zur Sicherheit aber mit in der Runde, um sofort das Zepter an sich reißen zu können, wenn sie gegen das Protokoll verstoßen sollte. Als es dann an die Kommentierung der Livebilder geht, übernimmt er dann selbstverständlich das Mikrophon.

Er kommentiert, wie Autos vor der Kirche halten. Erzählt uns, daß Prinz Charles alleine kommt, um danach wieder nach England zu Camilla abzurauschen. Das darf er, weil er zur offiziellen Sache, also der kirchlichen Trauung ja anwesend ist und das englische Königshaus vertritt. Alles, was nachher passiert, ist nur reine Privatparty, und da sind ja sein Bruder Andy mit Lästerzunge-Sophie, um sich die Kante zu geben, also muß er nicht dabei sein. Wichtige Informationen von Rolf Seelmann-Eggebert, die uns die gesellschaftlichen Zwänge der Adligen wieder einmal in erschreckender Deutlichkeit klarmachen. Dann kommt noch ein Auto an. In sein Inneres hat man mehrere Kubikmeter weißen Stoff hineingestopft. Alles, um einen Frauenkörper sicher zur Kirche zu transportieren. Bedienstete machen die Tür auf und tragen vorsichtig Stofflage um Stofflage ab, bis sie die Frau endlich an den Beinen aus dem Auto herausziehen können. Es ist Mette-Marit, das berüchtigte Party-Girl mit Drogenerfahrung, die durch die Liebe von Prinz „Hohchkhon“ (so klingt es jedenfalls) vom Aschenputtel zur Cinderella mutiert ist. Rolf Seelmann-Eggebert beruhigt uns. Die Eltern sind sehr wohlwollend. Schließlich hat der König auch jahrelang um seine Frau, eine ordinäre Bürgerliche gekämpft. Ach ja, er sagt auch etwas zu diesem Stoffberg, der dann wohl doch das Hochzeitskleid sein soll. Er sagt: „Die Braut hat sehr eigene Modevorstellungen. Sie bevorzugt eher helle Farben.“ Hier stutzen wir gemeinsam mit Herrn Seelmann-Eggebert, der dann auch nach einer Pause hinzufügt: „Was ja bei einem Brautkleid nicht ungewöhnlich ist.“

Als sehr eigene Modevorstellung muß man ein schmutzig-graues Ding interpretieren, das Party-Mette ständig vor sich herträgt. Aber vielleicht ist es ja auch ein traditionelles norwegisches Thron-Prinzessinnen-Accessoire, wer weiß, über so etwas schweigt sich Rolf Seelmann-Eggebert jetzt aus, weil er sich aus Modedingen jetzt heraushalten will und an die Fachleute verweist. Jedenfalls sieht dieses graue Ding so aus, wie diese eckigen Wischmopüberzüge, die man auf diese blauen Klappwischer zieht und die in Krankenhäusern, Bürotürmen etc. in Gebrauch sind. Dieser hier muß aber mindestens seit vier Wochen im Dauergebrauch gewesen sein, ohne daß man ihn mal zwischendurch ausgewaschen hätte. Vielleicht muß sie dieses Ding ja zur Strafe tragen, so wie die Heldin in Der Scharlachrote Buchstabe, die ein „A“ für „Adultery“, Ehebruch, auf ihr Kleidung nähen mußte. Gewissermaßen als sichtbare Bürde, daß sie nicht unbefleckt in die Ehe geht. Sondern ein Partygirl war, Drogen nahm und sogar ein uneheliches Kind hat. Vor dem unschuldigen, jungfräulichen Weiß ihres Kleides und ihres Lächelns hängt immer dieses häßliche Vließ der Sünde. Vielleicht ist es aber auch der letzte Schrei in Mailand und Paris, wer weiß.

Wenn man mal genauer drüber nachdenkt, dann beschäftigt sich diese ganze Hofberichterstattung und diese ganzen Hochzeitszeremonien doch nur mit einem. Sex. Ungeniert und unaufhörlich. Natürlich in affektmodulierter Verkleidung, aber trotzdem. Es geht nur darum, wer mit wem und warum. Wann Kinder zu erwarten sind, welche Erbinformationen am wertvollsten für diese Prinzessin wären, wer minderwertige Gene aus bürgerlicher Durcheinanderfortpflanzerei mitbringt, welcher Prinz jetzt schon im geschlechtsreifen Alter ist und von Girlies angehimmelt wird, wer seinen segelohrigen Eltern am ähnlichsten sieht, wer die tollste Hollywood-Schickse durch Besamung geadelt hat. Überhaupt diese Riesenhochzeiten. In gewisser Weise ist es eine großartige Inszenierung des Geschlechtsaktes. Die Kirche ist ein langer Hohlkörper, an dessen Ende sich eine runde Ausbuchtung befindet, in der sich alles abspielt. Der Eingang ist schmal und eng, dorthinein drängeln sich Hunderte von herausgeputzten und zappelnden Wesen, manche sogar mit wippenden Frackschwänzen oder Schleppen an Kleidern hintendran. Draußen stehen noch Tausende mehr, die eigentlich auch hineinwollen, aber von den anderen daran gehindert werden. Vorne trifft dann ein einziges dieser Wesen auf die bauschige, weiße Erscheinung, die dort wie eine Perle im Futteral steht, und vereint sich mit ihr. Pfui. Das soll die gesellschaftliche Spitze sein. Die haben doch nur Ficken im Kopf.

Dann aber wird es richtig spannend. Die Türen öffnen sich nämlich nicht. Rolf Seelmann-Eggebert mutmaßt, daß das an den Blumenkindern, insbesondere Mettes unehelichem Balg liegen könnte. Denn man weiß ja, wie Kinder so sind, da kann man nichts erklären und an Vernunft appellieren, da wird einfach gebockt und das Körbchen durch die Gegend geschmissen. So sind Kinder nun mal, da kann man nichts machen, da muß dann auch mal eine Hochzeitsgesellschaft warten. Schließlich kommen sie dann doch, und Mettes Blag sieht ganz vernünftig aus, gar nicht verheult oder vom Trotz vergrämt. Wahrscheinlich hatte dann doch „Hohchkhon“ die Ringe vergessen und mußte einen Bediensteten losschicken. Über die Musik, die nun ertönte, hatte Seelmann-Eggebert übrigens vorher bemerkt, daß sie einen norwegischen Hochzeitsmarsch darstelle, dessen Melodie ihm jetzt gerade nicht so unbedingt geläufig wäre, er müsse das erst einmal hören, um sich wieder zu erinnern. Tatsächlich ist es weder ein Marsch, noch sehr hochzeitlich, dafür sehr zwölftönend und interessant. Vorne auf den Stühlen guckt Mette dann etwas panisch und drückt auch mal eine Träne weg, das Bild des Jahres, man kann sich die Redakteure in der Bildregie jubelnd vorstellen.

Und dann… Unglaublich! Die Piemont-Kirsche bleibt im Halse stecken und kann nur mühsam wieder hochgehustet werden. Kaum haben Mette und „Hohchkhon“ sich ihr Ja-Wort gegeben, kaum haben sie die Ringe am Finger stecken, kaum daß die erste Strophe des nächsten Liedes gesungen ist, da ertönt aus dem Off die Stimme der Hofberichtserstattungsazubi von vorhin und verkündet, daß hier die Übertragung aus Norwegen endet und jetzt wieder König Fußball regieren darf. Und es wird auf Gerhard Delling geschaltet, der so wichtige DFB-Pokal-Spiele wie Erzgebirge Aue gegen FSV Mainz 05 ansagt. „Wham, Bam, Thank you, Mam.“ oder wie? Kaum hat man die Alte sicher, da geht man auch schon wieder mit den Kumpels auf den Fußballplatz zum Saufen. „She got hers, now he’ll get his“, wie es auf dem Auto von Brad und Janet in der Rocky Horror Picture Show geschrieben stand. Nach Erreichen des Höhepunktes dreht man sich sofort auf die Seite und fällt in Tiefschlaf. Na Klasse. Welchen Geschlechts die Entscheidungsträger der „Arbeitsgemeinschaft der Rundfunksender Deutschlands“ sind, dürfte ja wohl ziemlich klar sein.

Zuletzt noch ein kleiner Trivia-Service für die Wer wird Millionär?-Gucker unter den Lesern. Wem Rolf Seelmann-Eggebert nur als Hofberichterstatter ein Begriff sein sollte, der könnte böse scheitern, wenn ihm an der 125 Tausend Mark-Schwelle die Frage nach dem Verantwortlichen für das Bundeskanzler-Silvesteransprachen-Desaster von 1986/87 gestellt wird. Rein prophylaktisch sei hier die Antwort verraten: Es war Rolf Seelmann-Eggebert, der damals Programmdirektor des Norddeutschen Rundfunks war und somit die Verantwortung dafür tragen mußte, daß statt einer neuen Rede von Kohl die vom Vorjahr noch einmal gesendet wurde. Aber was sind diese sogenannten Repräsentanten einer sogenannten demokratischen Regierungsform schon außer wichtigtuerischen Emporkömmlingen. Richtig royales Verhalten hat man eben oder man hat es nicht. Das kann man nur von seinen Eltern vererbt bekommmen. Und außerdem reden die doch sowieso immer vom Selben. Zukunft und Sicherheit und Wohlstand und so. Da gibt es bei den Adligen viel interessantere Themen.

Bildquellen

  • The sun always shines on tv: Mathias Mertens