Schwarzmarkt Facebook: Uhren, Taschen, Schuhe, PM genügt
Für eine neue Rolex muss man nicht auf den Wochenmarkt in einem Mittelmeer-Anrainerstaat gehen.
Ein Besuch auf Facebook reicht auch, denn der deutsche Binnenmarkt für Produktpiraterie wächst und gedeiht in Gruppen wie Schwarzmarkt DE.
Wenn es um gefälschte Uhren und Handtaschen geht, denken wahrscheinlich viele an Wochenmärkte im Mittelmeerraum: Rolex-Uhren aus Blech für 5€, Chanel-Ringe, die sofort anlaufen, Louis-Vuitton-Clutches für 15€ oder, wenn man KollegInnen mit einem Sinn für Qualität erwischt, auch für 50€ mit etwas besserem Reißverschluss. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gefälschte so nah liegt – einen Mausklick entfernt um genau zu sein. Onlinehändler wie eBay oder Amazon haben schon länger ein – wenn auch nur müdes – Auge auf Produktfälschungen. Die Hersteller von Mode- und Lifestyleprodukten sind nicht gerade zimperlich und haben bereits versucht Plattformen wie eBay in Mithaftung zu nehmen sind aber in Deutschland gescheitert. In Frankreich hingegen konnte LVMH (der Mutterkonzern von Louis-Vuitton) eine Klage gegen eBay gewinnen. Kein Wunder bei einem jährlichen Schaden von 30 Milliarden Euro.
Facebook ist als Handelsplattform noch nicht so recht in den öffentlichen Fokus getreten. Inzwischen hat Facebook aber den Bedarf nach Gruppen, deren Ziel der Verkauf und Tausch von Waren ist, erkannt und bietet für diese Gruppen spezielle Features an. Man kann Preise angeben, die hervorgehoben werden, Angebote als „verkauft“ markieren, zwischen Gesuch und Angebot unterscheiden lassen etc. In den USA positioniert sich Facebook damit gegen Craigslist, in Deutschland gegen eBay Kleinanzeigen und arbeitet so weiter an seiner Rolle als vollumfängliche Internetplattform.
„Alles außer Waffen und Drogen“
Die Verkaufsgruppen sind als örtliche oder themenspezifische Handelsgruppen gedacht. Inzwischen haben sich aber auch Gruppen die Namen wie Schwarzmarkt DE, Schwarzmarkt Hamburg oder MK CC LV DG U.S.W tragen etabliert und bieten „alles außer Waffen und Drogen“ feil – hin und wieder wird allerdings auch mal eine Schreckschusspistole angeboten, obwohl Facebook den Handel mit Waffen erst kürzlich verboten hat. Wer wirklich an Waffen interessiert ist, muss aber nur ein wenig weiter suchen und wird auch hier problemlos die eine oder andere Facebook-Gruppe, finden die mit markigen Titelbildern von halbautomatischen Maschinengewehren wirbt – man findet darin aber größtenteils Elektroschocker, Schreckschusspistolen und „besorgte BürgerInnen“ auf der Suche nach Rückhalt. Und wenn es mal „richtige“ Pistolen gibt, dann nur mit entsprechendem Berechtigungsschein – versichern jedenfalls die VerkäuferInnen.
Die Gruppen sind natürlich alle „geheim“ oder „geschlossen“ und Beitrittsanfragen werden von ModeratorInnen kontrolliert. Einem Beitrittsgesuch wird aber üblicherweise innerhalb weniger Stunden stattgegeben. Von da an kann die Eindeckung mit gefälschtem Tand losgehen. Per Facebook-Nachricht einigt man sich über Preis, Bezahlung und eventuelle Übergabe. PayPal ist quasi Pflicht. Aus jedem Landstrich Deutschlands finden sich hier Menschen ein, die allerlei Waren anbieten. MK CC LV DG U.S.W z.B. hat wenige, aber prägnante Regeln:
„Alle Marken natürlich 1:1 Fake und nichts überteuert. Alles darf angeboten werden, nur den Wert von 50€ ,darf nicht überschritten werden (pro Artikel).“[sic!]
Lieferung per Kurier
Wer glaubt, dass hier nur UrlauberInnen sporadisch die abgegriffenen Fake-Taschen vom vergangenen Urlaub loswerden wollen, irrt. Auf Gesuche wird innerhalb von kurzer Zeit von professionell arbeitenden Anbietern geantwortet – in Beiträgen mit vorzeigbaren Produktfotos mit Wasserzeichen. Bei Gruppen mit tausenden von Mitgliedern ist das ein Vollzeitjob. Ins Land kommen die Produktfälschungen laut dem deutschen Zoll über den normalen Post- oder Kurierweg. Die Händler ordern direkt beim Hersteller und der liefert die Ware dann direkt an den Kunden. Es scheint, dass einige der Händler ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Plagiaten auf Facebook bestreiten. Verzögerungen im Verkauf werden öffentlich angekündigt – auch diese Händler haben unter dem Poststreik gelitten.
Kundenbeschwerden scheint es wenige zu geben, und wenn, dann wird sich in der Gruppe offen geäußert. Wer betrügt, wird angeprangert. Man handelt zwar versteckt, aber im Versteck ist man sichtbar gegenüber anderen. Die Moderatoren sind daran interessiert, den Handel mit den Fakes sicher zu gestalten und schwarze Schafe schnell auszusieben, denn so kann man den Markt in der Gruppe gut kontrollieren und vielleicht noch eine Mitgliedsgebühr von den größeren Händlern bekommen. All das öffentlich und doch unbemerkt.
Illegal? Scheißegal.
Was sagt Facebook zu den Vorgängen? Wie schon so oft nicht viel. Facebooks Pressestelle verwies nach einer Anfrage auf die AGBs und den darin befindlichen Passus, dass für die verkaufte Ware der Händler verantwortlich ist. Auf die Illegalität des Handels und Facebooks Verantwortung als Plattformbetreiber geht die Antwort nicht ein.
Der deutsche Zoll teilte im Rahmen einer Anfrage mit, dass der Handel im Internet natürlich bekannt ist und bei Einzelfällen im Rahmen von Ermittlungen mit Plattformbetreibern Kontakt aufgenommen wird. Auf den speziellen Fall Facebook geht die Pressestelle nicht ein.
Erstmal wird wohl keiner dem Handel Einhalt gebieten. Erst wenn Mode-Großkonzerne damit beginnen, Druck auf Facebook auszuüben, wird sich möglicherweise was daran ändern – sofern Facebook klein beigibt.