Das Opiat der re:publica

Süße Katzenbilder sind Opium fürs Volk! – 10 Dinge, die ich auf der re:publica gelernt habe.

Die deutsche Netzgemeinde betäubt sich auf der re:publica mit Katzenbildchen während sie dabei zusieht, wie das Internet wie wir es kennen vor die Hunde geht.

Die re:publica (unter Freunden auch #rp15) ist eine eigenartige Veranstaltung – irgendwo zwischen notwendig und selbstbeweihräuchernd, zwischen größenwahnsinnig und viel zu klein. Und: Man kann eine Menge lernen. Hier sind 10 Dinge, die ich gelernt habe:

1. Die re:publica ist wie ein großes Klassentreffen…

… aber nicht von deiner Klasse. Du siehst die Schickeria der deutschen Internetkultur miteinander konferieren, kommst aber irgendwie nicht an sie dran. Keiner ist für dich ansprechbar, die wichtigen Leute sind gerade im Interview, und wer ihnen zuhören sollte, ist gerade nicht da. Jeder im Publikum hat genauso wenig Twitter-Follower wie du.

2. Die deutsche Netzpolitik ist verloren!

Die europäische auch. Ein dreitägiger Beschwerdemarathon zur europäischen und – noch schlimmer – deutschen Netzpolitik ändert leider wenig. Irgendwann erkennst du: Es ist längst zu spät. Günther Oettinger interessiert sich nicht für die Ambitionen der Netzgemeinde. Angela Merkel noch weniger. Hinweise zu Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung in der EU wirken bei den großen Netzpolitik-Talks wie Randnotizen. Als hätte Markus Beckedahl tief in sich drin, wie alle anderen auch, längst aufgegeben.

3. Wenn du für alles stehst, was die re:publica hasst bist du besonders willkommen!

Dieter Gorny ist da! Man setzt ihm zwei Freunde in Form von Tim Renner und re:publica-Geschäftsführer Andreas Gebhard zur Seite, dann kann er seinen Content-Industrie-Internet-Hass widerspruchslos von der Kanzel schreien. Er will eine deutsche Lösung für das Internet, die sich von den Amerikanern abgrenzt. An wen hatte er VIVA nochmal verkauft? Amerikaner, genau.

Eine Stunde später, übrigens, wirst du an anderer Stelle darüber aufgeklärt, dass Dieter Gorny Günther Oettinger manipuliert. Und ihm die Anleitung für Auflösung der Netzneutralität einflüstert.

4. Geheimdienste sind kein Teil unserer Demokratie mehr

Unsere Geheimdienste haben jedes Limit der demokratischen Kontrolle und der Spielregeln, die wir ihnen gegeben haben ignoriert und werden diese auch nicht mehr einhalten. Die einzige Möglichkeit diesen Dschinn wieder in die Flasche zu bekommen, ist die Dienste zu schließen und ein grundlegend neues Konzept zu entwickeln. Geheimdienste sind ein Staat außerhalb und innerhalb des Staats. Wir wissen nicht, ob der BND nicht auch Angela Merkel und den Rest des Bundestags ausspioniert und dabei ein paar Kleinigkeiten entdeckt hat, die sicherstellen, dass die Bemühungen des Bundestages bei der Aufklärung der Geheimdienstaffären gering ausfallen.

5. Wir lieben einander, denn wir alle sind auf Twitter

Habt ihr alle Hashtags auf Twitter?“ Cool dann können wir uns ja gegenseitig folgen und unseren Circlejerk auch im Internet kundtun.

Ist noch jemand gleich beim Vortrag über die besten Dateiformate für Katzenbilder?

Hat jemand mein iPad gesehen? Es klebt ein Sticker von Edward Snowden drauf und die Frontkamera ist abgeklebt.

Geil! Ich war im t3n-Bus und habe mir erklären lassen, wie man die besten Click-Bait-Artikel für Webdesigner und Startups baut!

Hab ich Stefan Lobo schon verpasst?

6. Demokratie in Deutschland ist eingefroren

Die Konsequenzlosigkeit der NSA-Affäre zeigt, was wir in vielen anderen Bereichen bereits spüren: Die Bundesregierung bewegt sich in allen Punkten so wenig wie möglich und will, dass noch mehr einfriert. Wenn sich keiner bewegt, dann kann auch keiner einen Fehler machen. Nach diesem Prinzip wird in Zukunft alles ausgesessen. Bis dato wird nichts gesagt und/oder so lange gelogen, bis der NSA-Untersuchungsausschuss kapituliert. Alles im Geiste des Stillstands. Der mehrfach geäußerte Witz, dass Willy Brandt wegen weniger zurücktrat, ist im Kern nicht falsch.

7. Keine Ahnung? Scheiß egal!

Einsteiger – Fortgeschrittene – Profis. Eine Differenzierung, die nicht mehr gemacht werden muss. Es gibt nur noch Einsteiger, denn das Internet erfindet sich ja quasi täglich neu (oder so). Intensive Diskussionen braucht keiner mehr, komplexe Themen sind nur komplex weil sie schlecht erklärt sind, wer weit genug ist kann ja seine eigene re:publica machen – mit Streitgesprächen und intensiven Analysen. Bis dahin erklärt dir jemand zum dritten Mal, dass das Internet früher total frei war, Mann.

8. Vergiss die Welt! Es geht um Europa!

Ausnahmslos alle Probleme, die wir im Internet haben und mit denen wir kämpfen entstammen einem Konflikt: Länder kennen Grenzen – das Internet nicht. Jeder der das Internet nutzt, damit Geld verdient, Inhalte konsumiert, generiert, arbeitet, spielt, stößt an diese Grenzen und leidet unter ihnen. Das Problem von Netflix ist die Tatsache, dass es keinerlei globale Lizenzierungen gibt. Das sind auch die Probleme von Spotify, YouTube und & Co. Ebenso sind das unsere Probleme, denn ich will an jedem Ort der Welt alle Inhalte die es gibt, sehen können – alles andere ist nicht unterscheidbar von Zensur. Das Internet zerbricht gerade an unseren Ländergrenzen und das Interesse aller sollte sein, diese Grenzen, zumindest im Digitalen, aufzulösen, denn erst dann können wir die erträumte Freiheit und vielleicht auch ein bisschen Sicherheit im Internet durchsetzen. Geoblocking wird einer der Sargnägel des Internets sein. Das Internet kann nicht da aufhören wo eine Landesgrenze ist. Wer das glaubt oder auch nur für möglich hält versteht nicht, wovon er spricht.

9. Katzenbilder sind Opium fürs Volk

Kein Vortrag ohne Katzenbildchen – egal wie hochbrisant. So macht man die Tatsache, dass man gerade über das mögliche Ende der demokratischen Strukturen der Welt spricht doch gleich angenehmer. Das dämpft den Horror ab,. So sehr, dass man sich am Ende dann auf den kleinen Katzenlacher am Ende freuen kann, auch wenn einem gerade jemand versucht hat zu erklären, dass Leute ihr Leben zerstören, um einem die Wahrheit zu bringen. Nach dem Kätzchenfix ist das Grauen ganz vergessen. Schnell noch eine Mate zwischendurch und dann zum nächsten Talk, denn die nächste Felis silvestris catus wartet sicher bereits in der nächstbesten PowerPoint-Datei. So wird verharmlost, was da droht. Lachend geht die Welt zu Grunde.

10. Wer nichts sagt, der nicht gewinnt!

Mit diesen Menschen ist keine demokratische Bewegung mehr zu machen. Wäre nur ein Tag der Veranstaltung für einen Demonstrationszug zum Reichstag draufgegangen, hätte man zumindest noch ein Zeichen gesetzt. Aber es wird lieber noch einmal lobgepriesen, welches Opfer Edward Snowden gebracht hat. Snowden ist der Märtyrer dieser Leute und er lebt für ihre Sünden in Russland. Sascha Lobo hat das einzig richtige getan: Er hat der Rederei ein Ende bereitet. Es muss etwas getan werden.

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