David Bowie

Warum dein Shuffle-Modus David Bowie liebt und was man dagegen tun kann

Hast Du auch das Gefühl, dass dein iPhone total auf eine bestimmte Band steht? Macht dich das Wahnsinnig? Wir wissen wieso das so ist und haben sogar eine Lösung dafür.

Du hast es sicher schon geahnt: Dein teures Handy, der ausgelatschteMP3-Player, deine Musik-Apps, dein Media-Player: Dass die alle nicht so wirklich zufällig sind, wenn sie Musik im „Zufallsmodus“ abspielen. Vielleicht ist Dir schon mal aufgefallen, dass Du das Gefühl bei klassischen CD-Playern nie hattest.

Tatsache ist: Du liegst falsch.
Alle diese Geräte generieren Zufallszahlen. Zumindest zufällig genug, um eine Liste von Musikstücken durchzuwürfeln.
Wieso hat dein iPod dann diesen Fimmel für David Bowie? Hat er gar nicht, aber du vielleicht. Aber nochmal ganz von vorne:

Nehmen wir an, Du hast einen iPod der bis zum Rand mit deiner gesamten Musiksammlung gefüllt ist. Alles was du jemals gut fandest…. und vielleicht noch ein paar Alben, die wir mal unter Impulskäufe verbuchen (die du einen Monat später bereut hast). Nehmen wir ebenfalls an, dass du rumsitzt und dich nicht entscheiden kannst, was du hören willst. Du schaltest den Shuffle ein, der dich bitteschön von deiner Qual erlösen soll und deine gesamte Musiksammlung durchmischen und abspielen. (Für mein Beispiel gehe ich immer von der gesamten Musiksammlung im Shuffle aus. Bei Alben und normale Playlisten verhält sich das ein bisschen anders.)

Der ärgerliche Zufall

Es gibt mehrere Möglichkeiten wie dein Player damit umgeht kann. Der einfachste Weg wäre eine einzelne Zufallszahl zu generieren, die zwischen 1 und der Gesamtmenge der Songs liegt. Nehmen wir an, dass Du 12393 Songs auf deinem iPod hast. Du drückst Shuffle und der iPod generiert eine Zufallszahl zwischen 1 und 12393 (oder 0 und 12393, je nachdem wo die Software zu zählen beginnt). Die Zahl 1022 wird generiert und daraufhin spielt dein iPod Pacman Fever von Buckner & Garcia. Wenn der Song vorbei ist, generiert der Player eine neue Zahl und spielt den zugehörigen Song. Usw. Wenn der Programmierer der die Software programmiert hat einigermaßen bei Verstand war, hat er die Liste der bisher generierten Zufallszahlen gespeichert, damit du zu einem vorherigen Song zurückspringen kannst. Eine andere Möglichkeit wäre, die gesamte zufällige Playlist im Voraus zu erzeugen. Beide Wege haben einen fundamentalen Fehler: Die Unvermeidbarkeit der Wiederholung. Es ist unwahrscheinlich, aber gut möglich, dass ein Teil der Playlist die gerade erzeugt wurde so aussieht:


12034
836
4112
4112
9
4112

Das heißt, dass du zweimal hintereinander David Bowies Space Oddity hörst, gefolgt von Katy Perrys Firework und danach kommt wieder Major Tom mit seiner explorationalen Weltraumphilosophie. Das ist – wie Du dir vielleicht schon dachtest – Mist.

Fisher-Yates-Shuffle

Also was nun?
Wir müssten eine Playlist ohne Wiederholungen generieren. Wenn wir nur Playlisten wollen, die keinerlei Songs doppelt enthalten müssen wir diese Liste mischen. Da wir wissen, wie lang unsere Liste ist können wir die Anzahl der möglichen Sortierungen bestimmen. Auf unserem iPod gäbe es etwa 9,330564898×10⁴⁵³⁴⁶ Möglichkeiten. Oder präziser 12393!. Das ist eine sehr sehr sehr große Zahl. Man sagt, dass die Anzahl der möglichen Sortierungen eines normalen Kartenspiels (52!) größer ist als die Zahl der Atome im Universum. Die Anzahl unserer möglichen Playlisten umfasst noch ein paar Paralleluniversen mit dazu.

Um eine solche nicht-wiederholende, zufällige Playlist zu erzeugen müssen wir uns einen Algorithmus namens Fisher-Yates-Shuffle (Auch Knuth-Shuffle) anschauen. Der Fisher-Yates-Shuffle nimmt im Grunde nur eine Liste und mischt sie durch. (Hier der Link zu Wikpedia)
Wenn der Algorithmus wirklich zufällige Zufallszahlen bekommt, bekommt man perfekt zufällige Listen. Einfach.
Leider kann ein handelsüblicher Mikroprozessor keine perfekten Zufallszahlen erzeugen. Er erzeugt Pseudozufallszahlen. Die sind zwar ganz nett für eine Runde Solitaire aber von perfektem Zufall weit entfernt. Das heißt aber nicht, dass unsere Playlisten weniger zufällig sind (im umgangssprachlichen Sinn) sondern, dass wir nur weniger Variationen generieren können als möglich wären. Für unsere Musiksammlung bedeutet das, dass wir viele Playlisten generieren können, aber eben nicht alle. Um genau zu sein nur einen Bruchteil der Playlisten, um ganz genau zu sein nur vier Milliarden unterschiedliche Playlisten. So arbeiten übrigens klassische CD-Player. Sie durchmischen einfach die reichhaltige Menge von 19 Songs auf deiner frisch auspackten Radiohead CD.

Also gibt es vier Milliarden Playlisten in unserem iPod, aber trotzdem hat er seit Wochen diesen Fimmel für David Bowie und das macht dich wahnsinnig. Warum nur?
Vor drei Wochen hast du acht komplette David Bowie Alben auf deinen iPod kopiert. Eine war eine Greatest-Hits Doppel-CD in der Special Edition mit 34 Songs. Insgesamt hast du 171 Songs von David Bowie auf deinen iPod kopiert. David Bowie ist nun der meistvertretene Künstler in deiner Sammlung – dicht gefolgt von „Weird“ Al Yankovic (Weirdo!). Bowie repräsentiert 1,38 % der Musik in unserer Sammlung. Das ist nicht viel, oder? Würden die Lieder des „Thin White Duke“ gleichmäßig verteilt laufen, wäre jeder 72ste Song von ihm. Bei einer durchschnittlichen Songlänge von dreieinhalb Minuten würde er alle 4 Stunden und 8 Minuten singen. Das ist wäre eigentlich recht erträglich. Leider ist eine Playlist, die David Bowie perfekt gleichmäßig verteilt nur eine der möglichen vier Milliarden. Und die anderen sind umso schrecklicher: Dreimal Bowie am Stück danach drei Stunden nichts – oder schlimmer.

Das Problem mit der Wahrnehmung

So kommen wir zum ersten Problem mit deiner Wahrnehmung: Du hast die Wahrnehmung, dass das Idol Christiane F.s nur einen Bruchteil der Musik auf deinem iPod ausmacht, aber die Menge der Songs hat dafür gesorgt, dass die Wahrscheinlichkeit dass du Bowie hörst massiv zunimmt. Du hast die Songs da reingepackt, und dir sollte klar sein, dass er nur darauf wartet das schreckliche Dancing in the Street zu singen.

Das führt zum zweiten Wahrnehmungsproblem. Du weißt jetzt, dass dein iPod gerne David Bowie spielt, also achtest du auch mehr drauf. Diese Aufmerksamkeit wird jedes mal bedient, wenn du einen Song von Bowie hörst und dann landest du in der grausamen Welt des Confirmation Bias. Du hörst einen Bowie Song und denkst: „Schön! Bowie“. 27 zufällige Songs später: Bowie. 44 Songs: Bowie … und dann machst du was anderes als Musikhören. Am nächsten Tag schnappst du dir deinen iPod, drückst Shuffle und der dritte Song ist Ziggy Stardust. Und da hast du zum ersten Mal diesen Verdacht, dass dein iPod einen Fimmel für David Bowie hat. Das bereits nachdem du etwa vier bis zehn Greatest-Hits-Songs gehört hast. Du willst das Problem lösen, in dem du dir zwölf tolle Songs raussuchst und den Rest löscht. Du drückst wieder Shuffle und nach 28 Songs hörst du Oh! You pretty things – und du bist noch genervter als vorher. Ein bisschen bist du jetzt darauf eingestellt, dass Bowie deine Aufmerksamkeit erregt wenn du durch die Sammlung shufflest. Und du störst dich daran. Das ist völlig normal, denn Aufmerksamkeit aus Missfallen ist immer einprägsamer als Aufmerksamkeit aus Wohlgefallen. Aus demselben Grund gehst du nicht mehr in Restaurants mit denen du fünfmal absolut zufrieden warst, aber einmal war dein Schnitzel kalt, und du hast für dich beschlossen, dass das ein Scheißladen ist und du nie wieder hingehen wirst. Dasselbe gilt für den Onlineshop, der zu spät geliefert hat. Das war vermutlich keine böse Absicht, aber empfehlen kannst du ihn nicht mehr.

All das lässt nur einen Schluss zu: Dein iPod hat keinen Fimmel für David Bowie, sondern Du!

Die Lösung des Problems

Eine mögliche und unintuitive Lösung wäre, wenn der Player weniger zufällig ist. Wenn du mit Shuffle eine neue Playlist generieren lässt, sollte ein intelligenter Player nicht einfach die bisherige Playlist verwerfen, sondern  ebenfalls die Songs, die seit dem letzten Shuffle gespielt wurden.  Das ermöglicht es die Songs, die du vor kurzem gehört hast, auszusieben.

Nehmen wir an, dass du 42 Songs seit dem letzten betätigen vom Shuffle-Button gespielt hast. Jeden dieser Songs hat der Player in einer Liste gespeichert. Diese Songs gelten nun als unerwünscht, denn wir wollen nicht, dass du Songs nochmal hörst. Du startest den Shuffle und der Player erzeugt nun eine Playlist für deine Musiksammlung. Nachdem die Playlist generiert wurde, könnte unser Player einmal die neue Playlist abarbeiten, sie mit der Liste der bisher gespielten Songs abgleichen und bei einem Treffer den Song entfernen, der Rest darf bleiben. Danach ist die Playlist nur noch gefüllt mit Songs, die du noch nicht gehört hast. Man könnte auch mehr Songs speichern z. B. die der letzten zehn Shuffle-Playlisten oder eine fixe Menge von Songs. Intelligentere Player könnten auch speichern und testen, wie lange du einen Song schon nicht mehr gehört hast. So könnte man alle Songs entfernen, die du in den letzten 4 Tagen oder vor einer Woche gehört hast. So entfernen wir alles, was du in letzter Zeit gehört hast und spielen nur noch „frische“ Musik – sofern deine Musiksammlung groß genug ist. Wenn die Menge der vorhandenen Musik zu klein ist, bekommen wir ein Problem, denn irgendwann ist die ungehörte Musik leer. Dann müssen wir halt wechseln und wieder alle „gehörte“ Musik mischen und abspielen.

Wenn man übrigens nicht ganz so radikal sein möchte, sondern nur dafür sorgen möchte, dass es unwahrscheinlicher wird (und nicht fürs erste unmöglich), dass China Girl wieder in der Playlist gespielt wird kann man den Songs je nach „Abnutzungsgrad“ Wahrscheinlichkeiten zuweisen und dafür sorgen, dass es unwahrscheinlicher wird, dass sie gespielt werden. Aber vermutlich würde das gegen den verdammten Confirmation Bias wenig helfen.

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