Wein und Tod

Cay Rademacher hat mit Unheilvolles Lançon den elften Roman um seinen Ermittler Capitaine Roger Blanc vorgelegt. Es wird nicht langweilig, ganz im Gegenteil, findet Martin Spieß.

Ein Mord ohne Leiche – oder ist es überhaupt ein Mord? Capitaine Roger Blanc wird zu einem Fall gerufen, der verworren kaum sein könnte: Die Drohne eines Weinguts, die Aufnahmen macht, um etwaigen Schädlingsbefall frühestmöglich zu erkennen, nimmt durch Zufall eine leblos wirkende Frau auf. Als Blanc und seine Kollegin Fabienne Souillard aber am vermuteten Tatort eintreffen, ist der Körper spurlos verschwunden.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, vor allem weil die Besitzer*innen des Weinguts einflussreiche Leute sind, die eng mit der Untersuchungsrichterin (und Blancs Ex-Geliebter) Aveline Vialaron-Allègre befreundet sind. Blanc spricht es vielleicht nicht aus, zumindest macht Rademacher es nicht deutlich, aber als Leser*in denkt man augenblicklich an Blancs Zeit als Korruptionsermittler in Paris zurück, die überhaupt erst dazu geführt hat, dass er in der Provence ist: er ist den Mächtigen zu sehr auf die Füße getreten, und ausgerechnet Vialaron-Allègres Ehemann, Staatssekretär in Paris, hat Blanc strafversetzen lassen.

Kaum oder keine Verdächtigen

Ganz so klüngelig wird es nicht in Unheilvolles Lançon, denn Blanc und seine Kolleg*innen ermitteln natürlich trotzdem, auch wenn die Untersuchungsrichterin (bzw. ihr Stellvertreter) sich die Ermittlungen so nicht vorgestellt haben. Das Problem nur: Es kommt nichts oder nur wenig dabei heraus. Es gibt kaum oder keine Verdächtigen, kaum oder keine Motive. Der Winzer des Weinguts, Francis Merlin, liegt auf der Palliativstation eines Krankenhaus, genauso wie dessen Konkurrent, Xavier Grand. Aber was ist mit Alice Merlin, die das Weingut weiterführen (oder durch den Makler Adam Lloyd verkaufen lassen) will? Und ist der verwöhnte und von seinem Vater enterbte Sprössling Justin Merlin verdächtig – oder nicht?

Dazu kommen private Dramen: Trinkt Marius Tonon, Blancs Lieutenant und (eigentlich trockener) Alkoholiker, wieder? Und läuft mit Fabiennes Schwangerschaft diesmal alles rund?

Meisterlich beherrschtes Handwerk

Man könnte sich fragen, ob Rademacher nicht müde wird, seinen Romanhelden auf ein weiteres Abenteuer zu schicken. Dankenswerterweise wird er es nicht, er schickt er ihn (in Unheilvolles Lançon zum elften Mal) los, und es ist (wie immer) eine reine Freude. Rademachers Romane lesen sich wie packende 400 Seiten lange Reportagen, und immer wieder merkt man, dass er sein Handwerk (er ist Mitbegründer von und mittlerweile freier Autor für GEO Epoche) meisterlich beherrscht.

Spielerisch vermischt er klassisches Whodunit mit menschlichen Abgründen, Krimihandlung und Zwischenmenschliches. Die Held*innen werden dabei zu Freund*innen, denen man nur Gutes wünscht – und mit denen man mitleidet, wenn es nicht läuft. Und Cay Rademacher erzählt so elegant und pointiert, so szenisch und rund, dass man förmlich ins Buch gesogen wird. Man kann nur hoffen, dass Capitaine Roger Blanc noch lange ermittelt.

Cay Rademacher:Unheilvolles Lançon
Dumont, 2024
400 Seiten, 18 Euro

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