Zentrum für politische Schönheit: Die Kunst der Behauptung

Wir haben unseren Redakteur Thomas Kaestle zur einer Diskussionsrunde mit dem Zentrum für politische Schönheit geschickt – zurückgekommen ist er mit einem Metatext über die Kunst der Behauptung und des Remix.

Heute beginnt das neue Projekt des Zentrums für Politische Schönheit. Die Jean-Monnet-Brücke heißt es und ist ziemlich unverhohlen Teil des Programms der Wienwoche, während es gleichzeitig behauptet, gar keine Kunst, sondern vom österreichischen Staat initiiert worden zu sein. Die Propaganda-Maschine der Aktionskünstler, die sich wenig bescheiden in der Tradition von Otto Dix und der Weißen Rose sehen, war schon besser geölt. Und überhaupt wirkt das alles wie ein Self-Remix. Zeit für eine ebenfalls geremixte Betrachtung möglicher Zusammenhänge.

Behauptungen

Jean Monnet? Wikipedia spuckt aus: „Monnet gilt als einer der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften und wird als „Vater Europas“ bezeichnet.“ Aber auch, dass ihm sein angeblich berühmtestes Zitat nur in den Mund gelegt wurde: „Nicht gesichert ist dagegen, ob Jean Monnet der Ausspruch „Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, würde ich mit der Kultur beginnen“ tatsächlich zugeschrieben werden kann. Dieser Satz stammt nach Auskunft der Jean-Monnet-Stiftung eindeutig nicht von Monnet. Vielmehr soll der französische Kulturminister Jacques Lang gesagt haben: „Monnet aurait pu dire…“, Monnet hätte sagen können/sollen. Dem Pragmatiker Monnet stand es fern, den Aufbau Europas mit einem so weitgehenden Eingriff in das Leben der Menschen zu beginnen, wie die Vergemeinschaftung von Kultur es bedeutet hätte.“ Außerdem war Monnet während beider Weltkriege als Koordinator für Rüstungskooperationen tätig. Im Familienbetrieb. Aber später war er irgendwie gut und wichtig. Und hat Zeichen gesetzt. Und steht für Europa. Und Kultur. Und so.

Differenz und Unschärfe

Das Zentrum für Politische Schönheit liebt die Medien. Also, jene, die es zurücklieben. Und jene, die sich instrumentalisieren lassen für die gute Sache. Kritische oder auch nur differenzierte Texte und Kommentare hingegen sind sehr ungern gesehen. Und rufen schon auch mal Widerspruch oder Verunglimpfungen hervor. Nicht immer vom Zentrum selbst, oft auch von Fans und Sympathisanten. (Ich schrieb darüber bereits in meinem Text über die Aktion Die Toten kommen.) Das Zentrum gleicht einer Agentur, die ihre Projekte stromlinienförmig kommuniziert. Hinterfragen unerwünscht. Beim Spamfilter-Festival im Kulturzentrum Pavillon in Hannover am 26. September demonstriert Zentrums-Vertreterin Gabriela Langholf, nach eigener Aussage seit zwei Jahren dabei und bei Die Toten kommen für die Presse zuständig, zwei eher passive Varianten der Differnzierungsunlust. Direkt von mir konfrontiert, wiegelt sie pauschal ab: kritische Meinungen seien immer willkommen, natürlich sei man offen für Andersdenkende. Kritiker attackieren? „Das machen wir nicht bewusst, uns geht es immer nur um die Sache.“ Gegenüber ihrem Publikum wählt sie eine Strategie der Unschärfe. Wo und wann denn das Foto vom schlimmen deutschen Flüchtlingsheim aus ihrer Präsentation entstanden sei? „Ja, also, ich hab einige Bilder aus dem Internet genommen. Ich kann dir das ja nochmal per Email schicken“ Was genau sie meine mit dem kernigen Statement „Die ganzen Hilfsaktionen bringen alle nichts, solange Menschen weiter sterben“? „Ja, das beschreibt so das Gefühl, das ich nach dem Ende einer Aktion habe.“ Und, ergänzt die Referentin pauschalisierend, „wir müssen endlich mal aus dieser Schläfrigkeit aufwachen“.

Kunst oder Politik oder was?

Natürlich zählt es zu den Kunstgriffen des Zentrums, die Grenzen zwischen Theater und Politik bewusst changieren zu lassen. Philipp Ruch schafft es, am 11. Dezember 2014 in Hildesheim, während nur eines Vortrags Inszenierung, Alltag, Kunst und Politik für eine einzige Sache exklusiv zu behaupten. Diese werden vom (oft partizipierenden) Rezipienten unentwirrbar als sich gegenseitig durchdringende Gruppe von Zuständen und Haltungen wahrgenommen. Das ist anstrengend, aber in seiner unendlichen Verunsicherungs-Schleife auch produktiv. Bei der heute beginnenden Aktion Die Jean-Monnet-Brücke scheint sich das Zentrum jedoch in dieser Hinsicht keine allzu große Mühe gegeben zu haben. Zwar wird der Brückenbau zwischen dem italienischen und dem tunesischen Festland als Projekt der Republik Österreich und des Baukonzerns Strabag präsentiert. Zwar taucht eine offiziell erscheinende Pressemitteilung auf der Seite der Austria Presse Agentur auf. Zwar ist die Tagespresse zunächst leise irritiert. Doch zugleich wird das Unterfangen als offizieller Beitrag des Zentrums auf der Projektseite der Wienwoche präsentiert. Es erscheint in der eigenen Internetpräsenz des Zentrums. Und die Finanzierung der angeblichen Soforthilfemaßnahme bis zur Fertigstellung der Brücke im Jahr 2030, das Installieren von Rettungsinseln im Mittelmeer, wird vom Zentrum auf einer Crowdfunding-Platform beworben. Man muss ein wenig genauer hinsehen, um zu erkennen, dass es sich eigentlich nur um eine symbolische erste Insel handelt, deren Finanzierungsziel von 19.600 Euro beim Erstellen dieses Textes bereits fast erreicht ist. Hinzu kommt, dass die Idee nicht mehr ganz neu ist, dass Philipp Ruch sie zum Beispiel im vergangenen Dezember in Hildesheim bereits als älteres angedachtes Projekt präsentierte. Das schmälert ihre Symbolkraft nicht. Das Ganze wirkt jedoch merkwürdig durchschaubar, mehr wie eine flugs aus dem Fundus inszenierte Scharade für ein Kulturfestival. Nicht so sehr wie das politische Verwirrspiel, das es von weitem betrachtet gerne wäre. Ein Remix eben. Einer, der den eigenen Kontext nicht verlässt. Da wirkt es fast schon wieder passend, dass Gabriela Langholf die neue Aktion beim Spamfilter-Festival merkwürdig leutselig ankündigt, als wäre es ein lustiger Streich: „Und da kann man sich dann auch wieder auf was freuen.“

Handeln vs. So-tun-als-ob

Ein Freund bezeichnete das Peng! Collective neulich als „das bessere Zentrum für Politische Schönheit„. Die Themen der Projekte sind vergleichbar: Umweltschutz, Bürgerrechte, Demokratie, Menschenwürde, moralische Verantwortung. Auch die Vorgehensweise scheint auf den ersten Blick ähnlich zu sein. Nicht lange nach dem Zentrums-Projekt Die Toten kommen lancierte Peng! seine Fluchthelfer-Kampagne: Mittels Video, Plakaten und Internetpräsenz wurden Privatpersonen zur Fluchthilfe aufgerufen. Ein Rechtshilfefonds und die Verleihung eines fiktiven Europäischen Verdienstkreuzes rundeten das Projekt ab. Das Zentrum führte mit der Beerdigung zweier im Mittelmeer ertrunkener Geflüchteter eine symbolische Handlung aus und brachte im Anschluss eine große Menge Menschen in ganz Deutschland dazu, mit dem Ausheben fiktiver Gräber ebenfalls eine symbolische Handlung auszuführen. Peng! jedoch fordert zum konkreten Handeln auf, weist auf Möglichkeiten hin, ganz persönlich Veränderungen herbeizuführen. Der Künstler Till Steinbrenner sagt in einem Interview, das ich für Zebrabutter mit ihm über seine Arbeit im Team Lindner & Steinbrenner führte: „Aber ich habe immer ein wenig Schwierigkeiten, wenn es […] eine gespielte Realität gibt. Wenn Menschen so tun als ob. Wenn der Rahmen so fix ist. Wenn etwas so tut, als wenn es spröde Wirklichkeit wäre, aber letztlich doch einer Dramaturgie folgt.“ Und, über die Fluchthelfer-Kampagne von Peng!: „Ich schiebe ja immer ein trojanisches Pferd irgendwo rein. Und ich muss es schaffen, dass das nicht erkannt wird, bevor ich durch das Tor bin. Ist doch viel geiler, wenn die Menschen wirklich darauf reinfallen. Wenn nicht der ohnehin darauf vorbereitete Kunstrezipient sich sowas anschaut und denkt: „Ist ja ein toller Gedanke.“ Es gibt ja hier auch eine intellektuelle Dimension. Aber eben nicht nur. Du kannst dir das alles auch theoretisch entschlüsseln, das macht es nicht weniger gut. Aber es funktioniert eben auch. Das ist eben zweimal gut, nicht nur einmal. Bitte lass doch alle Arbeiten zweimal gut sein!“ Die neue Arbeit von Peng! eröffnet wieder reale Handlungsräume: Sie leitet Geheimdienstmitarbeiter beim Ausstieg an.

Vordenker

Philipp Ruch betont gern die Einzigartigkeit und Innovationskraft des Zentrums für Politische Schönheit. Und vergisst dabei zu erwähnen, dass dieses in einer langen Tradition künstlerischer Gruppen und Projekte handelt, in der sich Kunst, Theater, Politik und Gesellschaft annähern. Im Internetauftritt des österreichischen Kollektivs Wochenklausur steht: „Seit 1993 entwickelt die Gruppe kleine, aber sehr konkrete Vorschläge zur Verringerung gesellschaftspolitischer Defizite und setzt diese Vorschläge auch um. Künstlerische Gestaltung wird dabei nicht mehr als formaler Akt sondern als Eingriff in unsere Gesellschaft gesehen.“ Bereits in ihrem ersten Projekt stand für die Künstler dessen Nachhaltigkeit im Vordergrund. Seit über 20 Jahren werden etwa 700 Obdachlose in Wien in einer mobilen Klinik medizinisch versorgt. Die Wochenklausur mag in anderen Dimensionen denken und arbeiten als das Zentrum, sowohl in Bezug auf Projekte und Ergebnisse als auch in Bezug auf Behauptungen und Gesten. Sie hat jedoch Wesentliches vorausgedacht. Übrigens ist ihr Gründungsmitglied Wolfgang Zinggl seit Jahren Kultur- und Minderheitensprecher der österreichischen Grünen im Bundesrat.

Gezielte Antagonismen

In meinem Zebrabutter-Text zum Projekt Die Toten kommen frage ich nach der Zielgruppe des Zentrums für Politische Schönheit. Welche Öffentlichkeit soll erreicht, welche überzeugt werden? Nicht nur vermute ich, dass es dem Zentrum schwer fallen dürfte, mit seinen Mitteln Menschen zu gewinnen, die nicht schon zuvor ähnlich gedacht hätten. Vielmehr äußere ich die Sorge, dass die Menge jener, die sich inhaltlich weitgehend einig sind, eher noch gespalten und in Antagonismen getrieben wird. Durch messianisches Auftreten und behauptete Exklusivität. Durch Eitelkeiten und das Verweigern eines offenen Diskurses über die Wahl der richtigen Methoden. Ich erlebe diese Polarisierung seither fortgesetzt in meinem eigenen Bekanntenkreis. Es ist mir nahzu unmöglich, mich zum Beispiel auf facebook kritisch zum Zentrum zu äußern, ohne eine sofortige Reaktion irgendeines seiner Fans zu erhalten. Zumeist werden die sich ergebenden Auseinandersetzungen sehr emotional geführt. Das habe ich noch bei keinen anderen Kulturschaffenden auf eine solche Weise erlebt. Dazu passt die gebetsmühlenhaft wiederholte scharfe Kritik des Zentrums an anderen politischen Akteuren und deren Vorgehen. Auch Gabriela Langholf greift bei ihrer Präsentation in Hannover amnesty international an, versucht die Organisation der Lächerlichkeit preiszugeben, sie als Gegenentwurf zu definieren. Als sie später aus dem Publikum nach Konkurrenzen gefragt wird, wiegelt sie ab: „Es kann ja nicht genug getan werden, je mehr sich engagieren, desto besser.“ Ob es denn schon einmal eine Kontaktaufnahme mit amnesty gegeben habe, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu reden? Um deren hohe Mitgliederzahl zu nutzen? Daran jedoch scheint beim Zentrum niemand interessiert zu sein, das Feindbild ist offenbar zu wertvoll. Langholf antwortet lapidar: „Ich weiß nicht, ob die uns schon mal kontaktiert haben.“

Macht oder Nichts

Ruben Neugebauer und Jean Peters vom Peng! Collective unterhalten sich in einem 1Live-Interview im Dezember 2014 unter anderem über Macht. Wenn Peng! eines Tages zu viel Macht habe, werde man sich auflösen. Das Kollektiv versucht immer wieder aktiv, sich einem Markt zu entziehen, keine Marke, kein Produkt zu sein.

Mords-Marketing

Am 12. September 2015 ruft Philipp Ruch für das Zentrum für Politische Schönheit im Schweizer Arbeitslosen-Magazin Surprise auf die Frage „Was braucht die Schweiz?“ zum Mord an Roger Köppel auf. Der ist Verleger und Chefredakteur der Weltwoche und tritt als Politiker für die rechtspopulistische SVP an. Zuvor hatte Köppel in einer deutschen Fernsehtalkshow gegen Flüchtlinge und Asylpolitik polemisiert. Um den durch den Mordaufruf provozierten Skandal möglichst effektiv zu gestalten und nichts dem Zufall zu überlassen, versendet das Zentrum eine entsprechende Pressemitteilung an alle Schweizer Zeitungen. Manche Journalisten vermuten eine reine Marketing-Aktion für das neue Projekt des Zentrums. Esther Slevogt schreibt daraufhin am 15. September in der nachtkritik: „Dabei ist die theatralische Kosmetikbehandlung zum Beispiel des Zentrums für Politische Schönheit durch besonders rabiate Behandlungs- und Peelingmethoden aufgefallen. Und zieht damit speziell jenes Klientel in seinen Bann, das auf rabiate wie verkürzte Perspektiven und Argumente steht. Mit calvinistischem Furor wurde beispielsweise zum öffentlichen Ausheben von symbolischen Flüchtlingsgräbern angestiftet. Zuletzt hat das Zentrum zur Tötung eines Schweizer Journalisten aufgerufen, den auch Tribunalveranstalter Milo Rau in seinen Zürcher Prozessen schon mal auf dem Kieker hatte. Ganz abgesehen davon, dass dieser Aufruf ein höchst billiges und dummes Schlingensief-Plagiat ist.“ Und: „Was kommt als nächstes? Werden die neuen Kammerspiele in München nun vielleicht bald das Zentrum für politische, äh, Schönheit einladen, das Grab von Franz Josef Strauß zu schänden?“ Ich teile den Text auf facebook. Kurze Zeit später antwortet ein respektabler Kunstkritiker aus Berlin auf meinen Post: „wer an „plagiate“ glaubt, glaubt an originale – hat also von kunst rein gar nichts begriffen.“ Er hatte sich zuvor schon als überzeugter Fan des Zentrums geäußert. Ich antworte ihm, ich fände den Satz „Ganz abgesehen davon, dass dieser Aufruf ein höchst billiges und dummes Schlingensief-Zitat ist“ tatsächlich auch treffender.

Same same but different?

Am 30. September berichteten zahlreiche Medien, die irische Billigfluglinie Ryanair habe angekündigt, Geflüchtete ab sofort ohne Prüfung von EU-Visa zu befördern. Die Original-Beiträge sind inzwischen offline. Sie lauteten aber sinngemäß (nach einem facebook-Post zitiert): „Vom 12. Oktober an will das Unternehmen auf Flügen von Kos in Griechenland, dem slowakischen Bratislawa und Ungarns Hauptstadt Budapest Passagiere nicht mehr daraufhin überprüfen, ob sie das Recht zur Einreise haben. Nach einer EU-Richtlinie zum Schengen-Abkommen dürfen Fluggesellschaften Passagiere ohne gültiges Visum nicht ins Land bringen. Tun die Airlines dies doch doch, müssen sie mit Geldstrafen von mindestens 3.000 Euro pro Einzelfall rechnen. Ryanair will solche Geldstrafen im Zweifel tragen. „Wir werden die gesamten Konsten dieses Verstoßes mit Stolz tragen“, sagte Ryanairs Marketingchef Kenny Jacobs am Mittwoch.“ Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass die Meldung geschickt gefälscht war – und sogar die Deutsche Presse Agentur dpa überzeugt hatte, die daraufhin für deren Verbreitung sorgte. Die Urheber der Fälschung sind nicht bekannt.

Bühnenzusammenfassung

Am 19. September 2015 zeigt das Zentrum für Politische Schönheit erstmals sein Bühnenstück 2099 am Schauspiel Dortmund. Darin machen Zeitreisende dem Publikum schwerste Vorwürfe: Warum es denn gegen all die humanitären Katastrophen nichts unternommen habe? Eine Art Zusammenfassung dessen, was das Zentrum in seinen Aktionen und Projekten zum Ausdruck bringt. Nur eben kompakt auf die Bühne gebracht. Als Predigt quasi. Entsprechend den Erlöserposen, die Philipp Ruch gerne bei Vorträgen einnimmt. Tilman Strasser schreibt dazu in der nachtkritik unter dem schönen Titel „Wut ohne Vision“: „Eine Idee, was konkret zu unternehmen sei, bleiben die vier Zeitreisenden den ganzen Abend schuldig. […] Niemand hat von der Gruppe theatrale Wunderwerke erwartet, die sind schließlich auch nicht der Anspruch des Zentrums. Aber etwas mehr hätte es schon sein dürfen.“ Vielleicht korrespondiert das aber auch ganz gut mit den medienwirksamen Symbolhandlungen der Aktionen. Die sich ja ebenfalls schwer tun mit den realen Konsequenzen jenseits der Bildhaftigkeit.

Populisten

Ebenfalls am Schauspiel Dortmund wird das Peng! Collective am 6. November 2015 seine zweijährige Residency im Rahmen der Doppelpass-Förderung durch die Bundeskulturstiftung beginnen. Mit der Gründung einer PR-Agentur namens Die Populisten und entsprechender Party. In der Ankündigung steht unter anderem: „Jedes Unternehmen hat seine eigene Abteilung für Public Relations. Ebenso jede politische Partei. Und jede religiöse Gemeinschaft. Und jeder x-beliebige Promi. Und wir? Die Zivilgesellschaft? Wer kommuniziert unsere Moral? Wer managt unsere Wut über die Schweinereien in der Welt? Wer kämpft mit scharfer Kralle für unsere gute Sache? Für unsere berechtigten Interessen? Wer erklärt dem Unrecht den PR-Krieg?“ Das klingt ein wenig nach einer ironischen Institutionalisierung dessen, was Peng! ohnehin tut. Ob mehr Bühne und Inszenierung der Haltung des Kollektivs gut tun werden, bleibt abzuwarten. Es wäre sehr schade, wenn auch diese Aktivisten plötzlich anfangen würden, so zu tun als ob.

Platitüden und Ansprüche

„Was wäre, wenn wir 3 Millionen Mitglieder hätten?“ fragt Gabriela Langholf am 26. September in Hannover, natürlich in Anspielung auf amnesty international. Die Antwort wirkt einstudiert, wie vieles an diesem Abend. Wie die bis zur Unerträglichkeit wiederholte Floskel „friedliche Revolutionäre“ für alle, die an Zentrums-Aktionen beteiligt sind. Als würde solches Neusprech einer Sache mehr Tiefe verleihen. Als würde es positives Image einbringen, sich mit Begriffen aus der Zeit der Wiedervereinigung zu schmücken. Als würden nicht auch die Rechtspopulisten von Pegida mit genau solchen Tricks arbeiten, wenn sie „Wir sind das Volk“ skandieren. „Wir würden jedenfalls nicht mit Zetteln in der Fußgängerzone stehen, sondern Dinge beenden“, löst Langholf schließlich auf. Und wie sie da versucht, das eigene Erscheinungsbild glänzen zu lassen, indem sie das der anderen auf ein belangloses Detail reduziert, wird plötzlich greifbar, dass es hier auch um eine Art Wahlkampf geht. Um ein gutes Budget für die Partei. „1.000 Fördermitglieder, denen jedes Mittel recht ist“, umreißt Langholf das Ziel des Zentrums. Und verstrickt sich in Widersprüche und Vagheiten, als sie dies mit pathetischen Phrasen ergänzt wie: „Unsere moralische Grenze ist Humanität.“ Oder: „Gesetzliche Grenzen töten, die wollen wir abschaffen.“ Fast hätte ich beim Verlassen des Raumes nach Freiwilligen Ausschau gehalten, die Luftballons und Kugelschreiber verteilen.

Mehr und weniger

Ja, verdammt. Mehr Brücken übers Meer, Flüge ohne Kontrollen, Otto-Normal-Fluchthelfer und Whistleblower! Aber eben nicht nur als erträumte Bilder in den Geschichtsbüchern nachfolgender Generationen. Es genügt nicht, sich von selbsterdichteten Zeitreisenden auf die Schultern klopfen zu lassen. Ein Zuhörer fragt Gabriela Langholf in Hannover: „Ihr sprecht immer von Mandanten, aber wer gibt euch denn das Mandat?“ Und diesmal leuchtet die Antwort ein: „Wenn keiner in Deutschland die Stimme hebt, fühlen wir uns verantwortlich.“ Viktor Orbán würde das wohl als „moralischen Imperialismus“ bezeichnen. Was – und darauf können sich vielleicht ausnahmsweise alle einigen – dafür spricht. Mit der notwendigen Sensibilität und Subtilität versteht sich. Und mit etwas weniger Ego.